USA: Katholischer Glaube und Wahlkampf - verträgt sich das?
Joe Biden, katholischer
Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten der Demokraten bei den Wahlen im nächsten
Herbst, neigt zu markigen Sprüchen, wenn es um seinen Glauben geht. Die Tageszeitung
Cincinnati Enquirer zitierte ihn im Jahr 2005 mit den Worten: „Dem nächsten
Republikaner, der mir sagt, ich sei nicht religiös, stopfe ich meinen Rosenkranz in
den Hals.“ Und auch in ethischen und moralischen Fragen bezieht Biden dezidiert Stellung.
Hören und lesen Sie hieer eine Analyse über die Rolle, die Bidens Glaube im Präsidentschaftswahlkampf
spielen könnte. Autor ist Wolfgang Havener.
Als Barack Obama bekanntgab,
dass er zusammen mit Joe Biden in das Rennen um die US-Präsidentschaft gehen würde,
sagten viele, dass Obama damit „auf Nummer sicher gehen“ würde. Biden gilt als erfahrener
Außen- und Sicherheitspolitiker. Aber ebenso oft wird auf eine andere Eigenschaft
Bidens hingewiesen: Der neue Vizepräsidentschaftskandidat ist bekennender Katholik.
Aber: Biden polarisiert – auch innerhalb der katholischen Kirche, sagt der USA-Experte
Ferdinand Oertel: „Seine Nominierung ist unter Katholiken teils begeistert
aufgenommen worden, will er eben offen zugibt, aktiver Katholik zu sein und sich regelrecht
an der katholischen Soziallehre orientiert. Er hat einmal gesagt: „Das war das Neue
des Konzils, da durfte man diese Dinge noch offen alle diskutieren.“ Bei anderen Katholiken
hat es allerdings Kopfschmerzen hervorgerufen, weil er sich dezidiert für das Recht
der Frau auf Abtreibung, für die Rechte der Homosexuellen, etwa auch im Hinblick auf
Eheschließung und für embryonale Stammzellenforschung ausgesprochen hat.“ Aber:
Biden gilt manchmal als ein bisschen hitzköpfig, betont Oertel. Deshalb könne und
solle man nicht jede Aussage für bare Münze nehmen. Hinter den meisten stecke nämlich
mehr, als auf den ersten Blick zu vermuten sei. Es habe sich bei Joe Biden immer wieder
gezeigt,
„dass man nicht immer von den auch politisch stark extrem formulierten
Aussagen ausgehen kann, grade auch im Hinblick auf die Abtreibung. Er hat kürzlich
auch gesagt, er teilt durchaus die katholische Meinung, dass das menschliche Leben
mit der Empfängnis beginnt, möchte aber als Politiker pragmatisch – wie die Amerikaner
sind – an die Dinge herangehen und weiß, dass eine Reform der Abtreibungsfreigabe
nur dann möglich ist, wenn es die politischen Mehrheiten gibt.“
Und: Gerade
das Auftreten Bidens hat ihn wohl zu einer echten Alternative für Obama gemacht. Weil
Biden aktiv für seinen Glauben eintritt, ist er eine Persönlichkeit, die aneckt, auch
in der eigenen Partei – und der das nichts ausmacht. In einer US-Talkschow sagte Biden
im Jahr 2006: „Es gibt zu viele Personen in der demokratischen Partei, die auf gläubige
Menschen von oben herabschauen.“ Dabei ist grade der katholische Glaube in der amerikanischen
Politik kein solches Hindernis mehr, wie noch zu Zeiten John F. Kennedys, sagt Ferdinand
Oertel, „weil im Allgemeinen auch katholische Politiker gesellschaftsfähig
geworden sind. Die Katholiken haben nur 20 Prozent Anteil an der Bevölkerung, aber
30 Prozent aller Kongressabgeordneten sind katholisch. 40 Prozent aller Gouverneure
der 50 Staaten sind katholisch. Es gibt also schon das katholische Element in der
Politik. Von Bedeutung ist es deshalb für die Katholiken. Wie sie sich dann bei der
Wahl entscheiden, ist eine andere Frage.“
Und diese Frage ist nicht leicht
zu beantworten. Denn:
„im Augenblick ist die Situation sehr schwierig für
Katholiken, weil sie doch sehr gespalten sind in ihren Meinungen zwischen Alt und
Jung, zwischen Kirchgängern und Distanzierten. Die einen sehen die moralische Komponente
als entscheidend an, die anderen sind mehr für das, was im sozialen Bereich politisch
getan wird.“
Diese Spaltung hat wohl auch Obamas Konkurrent
John McCain bemerkt. Als er am Samstag seine Kandidatin für das Vizepräsidentenamt
vorstellte, sei das zwar eine Überraschung gewesen, aber zugleich auch ein kluger
Schachzug, urteilen Beobachter: Die 44-jährige Sarah Palin, zur Zeit Gouverneurin
von Alaska, ist fünffache Mutter und erklärte Abtreibungsgegnerin. Damit stelle sie
für viele, die gegen die Nominierung Bidens waren, eine echte Alternative dar, sagt
der Direktor des InsideCatholic Magazine, Deal Hudson:
„Konservative – gesellschaftlich
und religiös gesprochen – in den Vereinigten Staaten feiern diese Entscheidung. Frauen
sehen die Chance gekommen, dass sie eine Frau zur Vizepräsidentin haben könnten. Dass
sie kaum politische Erfahrung hat, spielt keine Rolle, denn McCain bringt selbst mehr
als 25 Jahre politische Erfahrung mit. Er brauchte jemanden, der die Werte verkörpert,
die die Republikanische Partei nun seit 30 Jahren vertritt.“
Religiöse,
ethische und soziale Fragen haben in den letzten Wochen verstärkt Einzug gefunden
in den Wahlkampf beider Kandidaten. Ihre Stellung zum diesen Themen wird in der Bevölkerung
durchaus wahrgenommen: Die Interviews von Obama und McCain mit einem der bekanntesten
Fernsehprediger der USA waren am Tag danach DAS Gesprächsthema im Land. Das zeigt,
so erklärt USA-Experte Oertel, dass Religion und Religionsgemeischaften im Wahlkampf
eine besondere Rolle spielen:
„Das konnte man übrigens auch daran sehen,
dass zum Beginn des jetzigen Parteitags der Demokraten ein großes ökumenisches Treffen
stattgefunden hat unter dem Titel ‚Interfaces in Action.’ Das heißt also praktisch:
‚Wir vertrauen auf alle Religionsgemeinschaften, sie sind wichtig für uns, für unser
Ziel des Gemeinwohls.’ Und das ist eine direkte Anspielung auf das, was die Bischöfe
in ihrem letzten Wahl-Hirtenbrief als das entscheidende und oberste Ziel der Politiker
genannt haben: Sich für das common good einzusetzen, für das Gemeinwohl also. Da macht
man also nicht ‘Fishing for compliments’, sondern ‘Fishing for votes.’”