2008-09-01 14:41:26

USA: Katholischer Glaube und Wahlkampf - verträgt sich das?


RealAudioMP3 Joe Biden, katholischer Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten der Demokraten bei den Wahlen im nächsten Herbst, neigt zu markigen Sprüchen, wenn es um seinen Glauben geht. Die Tageszeitung Cincinnati Enquirer zitierte ihn im Jahr 2005 mit den Worten: „Dem nächsten Republikaner, der mir sagt, ich sei nicht religiös, stopfe ich meinen Rosenkranz in den Hals.“ Und auch in ethischen und moralischen Fragen bezieht Biden dezidiert Stellung. Hören und lesen Sie hieer eine Analyse über die Rolle, die Bidens Glaube im Präsidentschaftswahlkampf spielen könnte. Autor ist Wolfgang Havener.


Als Barack Obama bekanntgab, dass er zusammen mit Joe Biden in das Rennen um die US-Präsidentschaft gehen würde, sagten viele, dass Obama damit „auf Nummer sicher gehen“ würde. Biden gilt als erfahrener Außen- und Sicherheitspolitiker. Aber ebenso oft wird auf eine andere Eigenschaft Bidens hingewiesen: Der neue Vizepräsidentschaftskandidat ist bekennender Katholik. Aber: Biden polarisiert – auch innerhalb der katholischen Kirche, sagt der USA-Experte Ferdinand Oertel:
 „Seine Nominierung ist unter Katholiken teils begeistert aufgenommen worden, will er eben offen zugibt, aktiver Katholik zu sein und sich regelrecht an der katholischen Soziallehre orientiert. Er hat einmal gesagt: „Das war das Neue des Konzils, da durfte man diese Dinge noch offen alle diskutieren.“ Bei anderen Katholiken hat es allerdings Kopfschmerzen hervorgerufen, weil er sich dezidiert für das Recht der Frau auf Abtreibung, für die Rechte der Homosexuellen, etwa auch im Hinblick auf Eheschließung und für embryonale Stammzellenforschung ausgesprochen hat.“
Aber: Biden gilt manchmal als ein bisschen hitzköpfig, betont Oertel. Deshalb könne und solle man nicht jede Aussage für bare Münze nehmen. Hinter den meisten stecke nämlich mehr, als auf den ersten Blick zu vermuten sei. Es habe sich bei Joe Biden immer wieder gezeigt,

„dass man nicht immer von den auch politisch stark extrem formulierten Aussagen ausgehen kann, grade auch im Hinblick auf die Abtreibung. Er hat kürzlich auch gesagt, er teilt durchaus die katholische Meinung, dass das menschliche Leben mit der Empfängnis beginnt, möchte aber als Politiker pragmatisch – wie die Amerikaner sind – an die Dinge herangehen und weiß, dass eine Reform der Abtreibungsfreigabe nur dann möglich ist, wenn es die politischen Mehrheiten gibt.“

Und: Gerade das Auftreten Bidens hat ihn wohl zu einer echten Alternative für Obama gemacht. Weil Biden aktiv für seinen Glauben eintritt, ist er eine Persönlichkeit, die aneckt, auch in der eigenen Partei – und der das nichts ausmacht. In einer US-Talkschow sagte Biden im Jahr 2006: „Es gibt zu viele Personen in der demokratischen Partei, die auf gläubige Menschen von oben herabschauen.“ Dabei ist grade der katholische Glaube in der amerikanischen Politik kein solches Hindernis mehr, wie noch zu Zeiten John F. Kennedys, sagt Ferdinand Oertel,
 „weil im Allgemeinen auch katholische Politiker gesellschaftsfähig geworden sind. Die Katholiken haben nur 20 Prozent Anteil an der Bevölkerung, aber 30 Prozent aller Kongressabgeordneten sind katholisch. 40 Prozent aller Gouverneure der 50 Staaten sind katholisch. Es gibt also schon das katholische Element in der Politik. Von Bedeutung ist es deshalb für die Katholiken. Wie sie sich dann bei der Wahl entscheiden, ist eine andere Frage.“

Und diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Denn:

„im Augenblick ist die Situation sehr schwierig für Katholiken, weil sie doch sehr gespalten sind in ihren Meinungen zwischen Alt und Jung, zwischen Kirchgängern und Distanzierten. Die einen sehen die moralische Komponente als entscheidend an, die anderen sind mehr für das, was im sozialen Bereich politisch getan wird.“

 
Diese Spaltung hat wohl auch Obamas Konkurrent John McCain bemerkt. Als er am Samstag seine Kandidatin für das Vizepräsidentenamt vorstellte, sei das zwar eine Überraschung gewesen, aber zugleich auch ein kluger Schachzug, urteilen Beobachter: Die 44-jährige Sarah Palin, zur Zeit Gouverneurin von Alaska, ist fünffache Mutter und erklärte Abtreibungsgegnerin. Damit stelle sie für viele, die gegen die Nominierung Bidens waren, eine echte Alternative dar, sagt der Direktor des InsideCatholic Magazine, Deal Hudson:

„Konservative – gesellschaftlich und religiös gesprochen – in den Vereinigten Staaten feiern diese Entscheidung. Frauen sehen die Chance gekommen, dass sie eine Frau zur Vizepräsidentin haben könnten. Dass sie kaum politische Erfahrung hat, spielt keine Rolle, denn McCain bringt selbst mehr als 25 Jahre politische Erfahrung mit. Er brauchte jemanden, der die Werte verkörpert, die die Republikanische Partei nun seit 30 Jahren vertritt.“

Religiöse, ethische und soziale Fragen haben in den letzten Wochen verstärkt Einzug gefunden in den Wahlkampf beider Kandidaten. Ihre Stellung zum diesen Themen wird in der Bevölkerung durchaus wahrgenommen: Die Interviews von Obama und McCain mit einem der bekanntesten Fernsehprediger der USA waren am Tag danach DAS Gesprächsthema im Land. Das zeigt, so erklärt USA-Experte Oertel, dass Religion und Religionsgemeischaften im Wahlkampf eine besondere Rolle spielen:

„Das konnte man übrigens auch daran sehen, dass zum Beginn des jetzigen Parteitags der Demokraten ein großes ökumenisches Treffen stattgefunden hat unter dem Titel ‚Interfaces in Action.’ Das heißt also praktisch: ‚Wir vertrauen auf alle Religionsgemeinschaften, sie sind wichtig für uns, für unser Ziel des Gemeinwohls.’ Und das ist eine direkte Anspielung auf das, was die Bischöfe in ihrem letzten Wahl-Hirtenbrief als das entscheidende und oberste Ziel der Politiker genannt haben: Sich für das common good einzusetzen, für das Gemeinwohl also. Da macht man also nicht ‘Fishing for compliments’, sondern ‘Fishing for votes.’”

 (rv 01.09.2008 wh)







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