Ingrid Betancourt
(46), nach sechsjähriger Geiselhaft befreite kolumbianische Politikerin, ist am Montag
von Papst Benedikt XVI. in Audienz empfangen worden. Die Begegnung fand am päpstlichen
Sommersitz Castelgandolfo statt. Benedikt XVI. hatte sich wiederholt für die Freilassung
der früheren Präsidentschaftskandidatin der Grünen eingesetzt. Unmittelbar nach ihrer
Befreiung aus den Händen der Rebellengruppe FARC am 2. Juli hatte Betancourt den Wunsch
geäußert, mit dem Papst zusammenzutreffen. Wir haben im Anschluss an die Begegnung
mit dem Leiter des Vatikanischen Pressesaals geprochen, P. Federico Lombardi SJ.
„Die
Begegnung war sehr bewegend, denn Ingrid hatte sich diese Begegnung mit dem Heiligen
Vater sehr gewünscht. Sie hatte dies ja gleich nach ihrer Befreiung gesagt; und dies,
weil die Haft für sie eine Zeit einer großen geistlichen Erfahrung und des Gebets
war. Sie wollte ihm einfach mitteilen, welch große Bedeutung der Glaube in dieser
schwierigen Zeit der Prüfung für sie hatte. Und sie wollte ihm auch danken für sein
Gebet, seine Nähe und die verschiedenen Zeichen, mit denen der Papst seine Anteilnahme
ausgedrückt hat an dem Schicksal aller Geiseln und natürlich auch an dem ihren.“
Das
Schicksal Betancourts hatte ein weltweites Medienecho gefunden. Hören Sie die Politikerin
kurz nach ihrer Befreiung im Juli in einem Interview mit dem Fernsehsender Al-Dschasira:
„Ich
denke, es war auch eine Quelle der Bereicherung, spiritueller Bereicherung, die es
möglich machte, etwas über die Lage des Menschen zu lernen. Vielleicht hätte ich nicht
das Gleiche gesagt, wenn ich während meiner Gefangenschaft gefragt worden wäre, aber
jetzt, wo ich frei bin, kann ich sagen, dass ich viel gelernt habe. Und dass ich,
wenn es auch schwierig war für mich und die anderen, denke, es war eine Möglichkeit
zu wachsen. Am Leben zu sein ist ein Geschenk Gottes, und frei zu sein ist kostbar.“
Priorität habe für sie nun die Vergebung
„Worte sind magisch. Worte
können verändern. Wenn du nicht sagst, dass du vergibst, kannst du nicht vergeben.
Deshalb musst du sagen: Ich vergebe. Das ist wie eine Massage für die Seele.“
Betancourt
ist am Sonntagabend zu einem viertägigen Italien-Besuch eingetroffen. Für Dienstag
ist eine Begegnung mit Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano im Quirinals-Palast
vorgesehen. Außerdem stehen Treffen mit Außenminister Franco Frattini und dem römischen
Bürgermeister Gianni Alemanno sowie dessen Vorgänger Walter Veltroni auf dem Programm.
Weiter wird sie der katholischen Basisgemeinschaft Sant'Egidio einen Besuch abstatten.
Von Rom aus reist Betancourt zu Besuchen von Florenz und Pisa weiter.