D: Chemin Neuf leitet KHG Bonn - Bilanz nach einem Jahr
In der katholischen
Welt des Westens gibt es immer weniger Ordensberufungen, und auch in den Gemeinden
geht die Zahl der aktiven Mitglieder zurück. Anders sieht es bei den neuen geistlichen
Gemeinschaften aus, die weltweit auf dem Vormarsch sind. Das schlägt sich natürlich
auch in katholischen Einrichtungen nieder. In Köln übernahm vor einem Jahr auf Ruf
des Erzbischofs Kardinal Joachim Meisner erstmals eine neue geistliche Gemeinschaft
die Leitung einer katholischen Hochschulgemeinde in Deutschland. Über die Schwierigkeiten
und Entwicklungen, die dieser Beschluss des Erzbistums für die KHG Bonn mit sich brachte,
berichtet Anna Giordano:
Als bekannt wurde, dass die Gemeinschaft Chemin Neuf
die Leitung der KHG Bonn übernehmen sollte, wurde dort zunächst Widerspruch laut.
Die tendenziell charismatische Ausrichtung neuer geistlicher Gemeinschaften schien
nicht so recht in Einklang zu stehen mit einer buch- und bildungsorientierten Studentengemeinde.
Christina Schweflinghaus studiert in Bonn Theologie und Politik und ist seit vielen
Jahren in der KHG aktiv. Sie erinnert sich:
„Einer der großen Kritikpunkte
war die Frage: Was hat die KHG von dieser neuen geistlichen Gemeinschaft? Was hat
sie davon, wenn Chemin Neuf jetzt kommt? Denn es war schon deutlich, dass es der Wille
vom Erzbistum war, dass das geschieht, dass man aber in vielen Details nicht unbedingt
geguckt hat, ob es genau passt, also da stand die Frage von Qualifikationen auch im
Raum. Chemin Neuf hat Erfahrung gesammelt in Frankreich mit zwei Studentenwohnheimen
und auch mit Studentenarbeit. Aber die Hochschulseelsorge in Deutschland ist ein anderes
Kaliber, würde ich sagen.“
Allerdings, so die Studentin, lag der Grund
für die Skepsis der KHG eigentlich woanders:
„Die Missstimmung hat sich
vor allem auf den Wechsel und die Kommunikationsweise von den Verantwortlichen mit
der Gemeinde bezogen. Ich habe das nur bei wenigen Leuten so wahrgenommen, dass wirklich
Vorurteile gegenüber geistlichen Gemeinschaften und Chemin Neuf direkt ein Problem
waren.“
Und deshalb zeigte sich trotz aller Konfrontation dann auch eine
christliche Haltung: Offenheit - sagt der neue Chemin-Neuf Hochschulpfarrer, Pater
Hasso Bayer.
„Wir hatten das Glück, dass viele aus dem alten Gemeinderat
mit uns zusammenarbeiten wollten, den Versuch machten, trotz der großen Schwierigkeiten
ein Stück weiter zu gehen. Und wir hatten den Eindruck, dass wir von dortiger Seite
trotz der Schwierigkeiten immer wieder Angebote fanden, die Arbeit fortzusetzen.“
Das
lag nicht zuletzt auch an Chemin Neuf, sagt Christina Schweflinghaus:
„Ich
glaube, es war nicht leicht für die Gemeinschaft, in der Situation den Einstieg zu
schaffen, und sie haben wirklich viel versucht, um auf die Leute zuzugehen.“
Die
Frage bleibt: Hat sich mit der neuen Leitung in der Bonner Studentengemeinde etwas
geändert? Setzt Chemin Neuf andere Akzente in der Hochschulpastoral als die frühere
KHG? Pater Hasso Bayer:
„Wir sind hierher gekommen, um eine Arbeit zu übernehmen,
die sehr gut war. Das ist immer betont worden und das stimmt auch. Deshalb werden
auch viele Menschen merken, wenn sie das Programmheft durchschauen, dass ziemlich
viel ähnlich geblieben ist. Welche Akzente wir da noch mehr setzen wollen: Dass wir
vielleicht viele Dinge in einer geschwisterlichen Art und Weise angehen, z. B. diese
Glaubenskurse werden wir mit einem gemeinsamen Essen anbieten. Dass von der Atmosphäre
manches geschwisterlich, festlich, freundlich wird.“
Und Christina Schweflinghaus
meint:
„Sie haben eine Messe in der Woche, die sie mit ihren Liedern gestalten,
beispielsweise, das ist aber nicht unbedingt eine KHG-Messe, das ist also eine Innenstadtmesse,
sie bieten ein Morgenlob morgens an und es gibt inzwischen auch einen Gebetskreis,
der wohl auch etwas ist, was sie klassischerweise dort machen. Der Gebetskreis ist
charismatisch geprägt. Für die KHG selber hab ich bislang noch nicht den Eindruck,
dass es besondere Akzente gab in diesem Jahr, wobei ich das auch auf die Vorsicht
seitens der Gemeinschaft zurückführe, die der Bitte der Gemeinde, das nicht zu vermischen,
sehr stark nachzukommen versucht.“
Neben einer grundsätzlichen Weiterführung
des bisherigen KHG-Programms erweist sich Chemin Neuf sogar als – für einige möglicherweise
unerwartet – bildungsfreundlich. So sollen etwa zukünftig Abende angeboten werden,
an denen die Studierenden die theologischen Grundlagen ihres Glaubens vermittelt bekommen,
berichtet Pater Hasso.
Und welches ist schließlich die Bilanz nach einem Jahr
Chemin Neuf in der KHG Bonn?
„Bei den jüngeren Studenten erleb ich durchaus
eine Offenheit für die Situation und habe auch insgesamt den Eindruck, dass die Leute,
die im Kern der KHG waren, bei der Stange geblieben sind. Ohnehin war in der Gemeinde
immer ein starker Impuls, dass ist unsere KHG, wir gestalten das jetzt mit, egal was
kommt. Und was ich auf jeden Fall auch festgestellt habe, ist dass Studenten, die
Erfahrung mit geistlichen Gemeinschaften haben, es durchaus interessant finden, dass
in der KHG jetzt auch eine geistliche Gemeinschaft die Verantwortung hat. Inwiefern
Leute geistliche Gemeinschaften auf diese Weise erstmals kennen lernen, das ist sicherlich
auch der Fall, hab ich persönlich jetzt noch nicht so mitbekommen, aber das ist wahrscheinlich
einfach auch eine Chance.“