Papst: „Zölibat ist fundamentaler Ausdruck der Selbsthingabe“
Wie sieht Papst Benedikt
die Frage der Viri Probati, den Zölibat, die Sendung der Frau in der Kirche? Ein mutiger
Südtiroler Priester hat beim Treffen des Klerus mit Benedikt in Brixen diese Fragen
gestellt – hören (und lesen) Sie heute ausführlich Benedikts Antwort. Franz
Pixner, Dekan von Kastelruth
Heiliger Vater, ich
heiβe Franz Pixner und bin Pfarrer in zwei groβen Pfarreien. lch selber und
viele Mitbrüder und auch Laien machen uns Gedanken über die zunehmenden Belastungen
in der Seelsorge, etwa durch die Seelsorgeeinheiten, die nun gebildet werden: starker
Arbeitsdruck, mangelnde Anerkennung, Schwierigkeiten mit dem Lehramt, Einsamkeit,
Schrumpfen der Zahl der Priester aber auch der gläubigen Gemeinden. Viele stellen
sich die Frage, was Gott von uns in dieser Situation will und wie uns der Heilige
Geist Mut machen will. Dabei werden dann Fragen geäußert zum Zölibat zum Beispiel,
zur Weihe von viri probati zu Priestern, zur Einbindung der Charismen, besonders auch
der Charismen der Frauen, in die Pastoral, zur Beauftragung von theologisch gebildeten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Predigt und Taufe. Es stellt sich auch die Frage,
wie wir Priester angesichts der neuen Herausforderungen einander in einer brüderlichen
Gemeinschaft helfen können, und zwar auf den verschiedenen Ebenen von Diözese, Dekanat,
Seelsorgeeinheit und Pfarrei.
Wir bitten Sie, Heiliger
Vater, uns guten Rat zu geben in all diesen Fragen. Danke!
Lieber Herr
Dekan, Sie haben das ganze Bündel von Fragen aufgeblättert, das die Seelsorger und
uns alle in dieser Zeit bedrängt und beschäftigt, und Sie wissen sicher, dass ich
nicht imstande bin, jetzt auf alles das eine Antwort zu geben. Sie werden ja immer
wieder auch mit Ihrem Bischof all dieses bedenken, und wir wiederum in den Bischofssynoden
bedenken es miteinander. Wir alle brauchen, glaube ich, diesen Dialog miteinander,
den Dialog des Glaubens und der Verantwortung, um den rechten Weg in dieser in vieler
Hinsicht für den Glauben schwierigen und für die Priester mühseligen Zeit zu finden.
Keiner hat einfach das fertige Rezept, wir alle mühen uns miteinander.
Mit
diesem Vorbehalt, dass ich mit Ihnen allen zusammen mitten in diesem Prozess des Mühens
und Ringens stehe, versuche ich, ein paar Worte zu sagen, eben als Stück eines viel
größeren Dialogs.
Ich würde zwei wesentliche Teile in meiner Antwort gerne
sehen wollen: Einerseits die Unersetzlichkeit des Priesters, Bedeutung und Weise des
priesterlichen Dienstes heute; andererseits – was uns heue mehr aufgeht als früher
– die Vielheit der Charismen und dass alle miteinander Kirche sind, Kirche bauen,
und dass wir darum uns um das Wecken der Charismen, um dieses lebendige Miteinander
mühen müssen, das dann auch den Priester trägt. Er trägt die anderen, sie tragen ihn,
und nur in diesem vielschichtigen und vielfältigen Miteinander kann Kirche heute und
in die Zukunft hineinwachsen.
Zum einen wird es immer des Priesters bedürfen,
der ganz für den Herrn und daher ganz für den Menschen da ist. Es gibt im Alten Testament
den „Ruf“ zur Heiligung, der etwa dem entspricht, was wir mit Weihe, auch mit Priesterweihe
sagen: Etwas wird Gott übergeben und aus der Sphäre des Allgemeinen herausgenommen,
Ihm gegeben. Aber das heißt dann, dass es nun für alle da ist. Weil es herausgenommen
ist und Gott gegeben, gerade darum ist es nun nicht isoliert, sondern es ist in das
„für“ für alle hineingehoben. Das, glaube ich, können wir auch vom Priestertum der
Kirche sagen. Es bedeutet, dass wir einerseits dem Herrn übereignet, aus dem Allgemeinen
herausgenommen werden, aber andererseits Ihm übereignet werden, damit wir so ganz
Ihm und dadurch ganz den anderen gehören. Und ich denke, gerade den jungen Menschen,
die ja Idealismus haben und etwas fürs Ganze tun wollen, sollten wir immer wieder
zu zeigen versuchen, dass gerade diese „Enteignung aus dem Allgemeinen“ heraus „Übereignung
ans Ganze“ ist und dass dies eine große, die größte Weise ist, einander zu dienen.
Und dazu gehört eben dann auch dieses wirklich mit der Ganzheit des Seins für den
Herrn zur Verfügung zu sein und so ganz für die Menschen zur Verfügung zu sein. Ich
denke, der Zölibat ist ein fundamentaler Ausdruck dieser Totalität, schon dadurch
ein großes Rufzeichen in dieser Welt, weil er nur Sinn hat, wenn wir wirklich an das
ewige Leben glauben und daran, dass Gott uns beansprucht und wir für Ihn da sein können.
Priestertum
ist also deswegen unersetzlich, weil es in der Eucharistie immer wieder vom Herrn
her Kirche erschafft, im Bußsakrament uns immer wieder die Reinigungen vermittelt,
eben im Sakrament ein Hineingenommensein in das „für“ Jesu Christi ist. Aber ich weiß,
wie schwer es ist, heute – wo dann einer nicht mehr eine Pfarrei hat, die überschaubar
war, sondern mehrere Pfarreien, Seelsorgeeinheiten, für diesen Rat da sein muss und
für jenen und so weiter… – nun ein solches Leben zu leben. Ich glaube, dass in dieser
Situation der Mut zur Beschränkung und die Klarheit der Prioritäten wichtig ist. Eine
grundlegende Priorität der priesterlichen Existenz ist, das Sein mit dem Herrn und
daher eine Zeit des Gebetes zu haben. Der Heilige Karl Borromäus hat immer gesagt:
„Du kannst nicht für die Seelen der anderen sorgen, wenn du die deinige verkümmern
lasst. Dann sorgst du am Schluss auch für die anderen nicht mehr. Du musst auch Zeit
für dich mit Gott haben“. Und so möchte ich betonen: So viel auch herandrängt, es
ist eine wirkliche Priorität, jeden Tag – ich würde sagen – doch eine Stunde lang
Zeit zu haben zur Stille für den Herrn und mit dem Herrn, wie es uns die Kirche mit
dem Brevier, mit den Gebeten des Tages anbietet, um so von innen her immer wieder
reich zu werden, immer wieder eben – wie ich in der Antwort auf die erste Frage sagte
– in den Atemraum des Heiligen Geistes zu kommen. Und von da aus sind dann die Prioritäten
zu ordnen: Ich muss sehen lernen, was wirklich ganz wesentlich ist, wo ich als Priester
unersetzlich gefordert bin und es niemand anderem übertragen kann. Und zugleich muss
ich eben in Demut annehmen, dass ich vieles, was ich eigentlich tun sollte, wo man
eigentlich mich erwarten würde, nun eben doch nicht tun kann, weil ich meine Grenze
anerkenne. Ich glaube, diese Demut wird dann von den Menschen auch verstanden.
Und
damit muss ich dann eben dieses andere verbinden: delegieren zu können, Menschen in
die Mitarbeit hineinzurufen. Mein Eindruck ist, dass die Menschen das auch sehen und
dass sie gerade das anerkennen, wenn ein Priester bei Gott ist, wenn er die Funktion
wahrnimmt, der Beter für die anderen zu sein: Wir können nicht viel beten, sagen sie,
du musst es für mich tun; es ist ja auch sozusagen dein Metier, unser Beter zu sein.
Sie wollen einen Priester, der sich redlich müht, mit dem Herrn zu leben, und dann
wirklich für die Menschen da ist – für die Leidenden, die Sterbenden, die Kinder,
die Jugendlichen (das, würde ich sagen, sind Prioritäten) – der dann aber auch weiß,
was andere besser können als er selbst und diesen Charismen Raum gibt. Ich denke da
an die Bewegungen und an vielfältige andere Formen der Mitarbeit in der Pfarrei. In
der Diözese selber wird das ja alles auch miteinander bedacht, die Formen geschaffen
und der Austausch gefördert. Sie haben mit Recht gesagt, dass es dabei eben wichtig
ist, über die Pfarrei hinauszublicken in die Gemeinschaft der Diözese, ja in die Gemeinschaft
der Weltkirche hinein, die dann wiederum ihrerseits immer wieder zurückschauen muss,
um zu sehen, wie es konkret in der Pfarrei zugeht und welche Konsequenzen sich für
den einzelnen Priester ergeben.
Dann haben Sie noch einen Punkt angesprochen,
der mit sehr wichtig ist, dass nämlich die Priester, obwohl sie geographisch – sozusagen
– vielleicht weiter auseinander leben, eine wirkliche Gemeinschaft von Brüdern sind,
die einander tragen und helfen sollen. Dieses Miteinander der Priester ist heute wichtiger
denn je. Eben um nicht in die Isolierung, in die Einsamkeit und ihre Traurigkeiten
zu verfallen, ist es wichtig, dass wir einander regelmäßig treffen können. Da wird
die Diözese sehen, wie priesterliche Begegnungen am besten zu verwirklichen sind –
heute gibt’s ja das Auto, wodurch wir auch leichter zueinander kommen können –, damit
wir jedenfalls immer wieder das Miteinander erfahren, voneinander lernen, einander
korrigieren und einander auch helfen, stärken und trösten, damit wir in dieser Gemeinschaft
des Presbyteriums mit dem Bischof zusammen den Dienst an der Ortskirche tun. Eben:
Kein Priester ist Priester allein, wir sind Presbyterium, und nur in diesem Miteinander
mit dem Bischof kann jeder seinen Dienst tun. Dieses sozusagen theologisch von allen
anerkannte schöne Miteinander muss dann aber eben auch praktisch werden in den Formen,
die die Ortskirche findet. Und es muss sich ausweiten, indem auch kein Bischof Bischof
alleine ist, sondern nur Bischof im Kollegium, in dem großen Miteinander der Bischöfe.
Um dieses Miteinander wollen wir uns immer wieder mühen. Und ich meine, es ist das
Schöne am Katholischen, dass wir gerade auch durch den Primat, der ja nicht eine absolute
Monarchie, sondern ein Dienst des Miteinander ist, uns dieser Gemeinsamkeit gewiss
sein dürfen, so dass wir in einer großen, vielstimmigen Gemeinschaft doch alle miteinander
sozusagen die große Musik des Glaubens in dieser Welt zur Geltung bringen.
Bitten
wir den Herrn, dass er uns immer wieder tröstet, wenn wir meinen, es geht nicht mehr;
tragen wir einander, und dann wird der Herr uns auch helfen, miteinander die Wege
zu finden. (rv 27.08.2008)