„Kitsch hat
in der Kirche nichts verloren.“ Das sagt Christoph Brech, Jahrgang 1964, der sich
selbst als Christ und Künstler, nicht aber als christlichen Künstler versteht. Der
Münchner arbeitet zeitweise in Rom, seit er Stipendiat der deutschen Akademie Villa
Massimo war. Sein bevorzugtes Medium ist Film. Nicht wenige von Christoph Brechs Arbeiten
entstehen in Kirchen oder auf Friedhöfen. Den Campo Verano, Roms größten Friedhof,
findet der Künstler besonders inspirierend.
„Mir ist sofort aufgefallen,
da gibt’s ganz hervorragende Porträts!“
Die gemalten Totenbilder eines
Künstlers aus dem 19. Jahrhundert, Filippo Severati, bilden die Grundlage von Brechs
Videoarbeit „Ritratto Romano“.
„Ich habe die einzelnen Porträts abgefilmt
und überlagert. Das war möglich, weil die Bilder nach Fotos gemalt wurden und diese
Fotos sehr stilisiert waren. Die Kopfhaltung war die gleiche, die Augen immer in derselben
Position. Deshalb konnte ich diese Bilder leicht überlagern, sodass die Augen wie
ein Rückgrat durch den ganzen Film gehen.“
Ritratto Romano ist eine meditative
Arbeit. Unendlich langsam gehen dutzende Bilder von Verblichenen ineinander über.
Männer, Kinder, Frauen. Sorgsam geschmückt und in den besten Kleidern. Eine zeitgenössische
Annäherung an das memento mori vergangener Jahrhunderte, eine Wiederbelebung des barocken
Vanitas-Motivs, das dem Betrachter die eigene Vergänglichkeit vor Augen führt.
„Wenn man die Einzelporträts sich in Erinnerung rufen will, schafft man das kaum.
Das Interessante ist eben, dass Geschlecht, Alter, Haarfarbe, auch der Schmuck, am
Ende keine Rolle spielen. Das einzige, was bleibt, sind die Augen.“
2005
beteiligte sich Brech an einem Wettbewerb für das Diözesanmuseum München-Freising,
bei dem die Künstler Schulkreuze entwerfen sollten. Mit seinem Werk, sagt Brech freimütig,
hat er damals
„Kardinal Wetter sehr verärgert, weil ich nach langen Überlegungen
und vielen Schulbesuchen festgestellt habe, dass gar nicht mehr so viele katholische
Schüler bei uns sind, sondern viel Muslime und auch wieder mehr jüdische Schüler.
Sodass ich mir gedacht habe, es kann nicht sein, dass man da nur ein Kreuz aufhängt!“
Brechs
Vorschlag für ein Kreuz an Schulen war eine Leiterplatte mit aufgelöteten Leuchtdioden:
darauf ein griechisches Kreuz, ein Davidstern und ein Halbmond mit Stern.
„Die
Idee war, dass man an den Feiertagen der einzelnen Religionen das entsprechende Symbol
präsent hat. Und wenn es keinen Feiertag gibt, wäre das Kreuz sichtbar gewesen.“
Der
Relativismus-Vorwurf von seiten der Erzdiözese kam postwendend. Allerdings gründete
er auf einem Missverständnis.
„Der Pressefotograf des Diözesanmuseums fand
es schöner, dass zwei Sachen gleichzeitig leuchten, und hat den Davidstern zugleich
mit dem christlichen Kreuz leuchten lassen. Und dieses Foto landete ohne mein Wissen
im Katalog auf der ersten Seite. Der Kardinal schlägt das auf und sieht sofort auf
der ersten Seite eine Vermischung zwischen zwei Glaubensrichtungen, die er so nicht
wollte.“
Man sieht: kirchliche Auftraggeber sind gegebenenfalls schwieriger
als Privatmäzene. Dennoch lassen den Münchner Künstler Themen nicht los, die ins Transzendente
weisen. Jüngst gestaltete er in Mainz das Bühnenbild für eine Inszenierung von Dantes
Göttlicher Komödie. In die Videos floss ein Gedankenaustausch mit dem Mainzer Kardinal
Karl Lehmann über theologische Vorstellungen von Himmel, Fegefeuer und Hölle ein.
„Das Grundmotiv der Hölle sind einfach Rolltreppen, die nach oben und nach
unten gehen, und die Grundfarbe ist ein rötliches Braun. Im Himmel ist es Farbe, die
einfach nur fließt, das Paradiesische hat eine Richtung, ist zielgerichtet, während
in der Hölle alles kreist um die immer gleiche Pein und zu keinem wirklichen Ziel
kommt.“
Als Künstler an christlichen Themen im weiteren Sinn zu arbeiten,
reizt Christoph Brech. Als christlichen Künstler würde er sich trotzdem nicht bezeichnen
wollen. Und so manches Werk im Kirchenraum findet er fehl am Platz.
„Was
mich oft an christlicher Kunst stört, mehr als an christlichen Künstlern, ist dass
von der Qualität her sehr unterschiedliche Werke den Weg in große Kirchen finden.
Oft ist das, was darauf abgebildet ist, wichtiger als das Wie. Das Thema wird stärker
bewertet als die Qualität des Werkes.“
Brechs Hauptkritik an dem, was
gemeinhin unter moderner sakraler Kunst firmiert, ist,
„dass oft etwas
sehr Harmloses an den Wänden hängt, etwas Verwaschenes, Süßlich-Kitschiges. Das hat
dummerweise ganz oft Einzug gefunden gerade auch in zeitgenössische Kirchenbauten.
Die katholische Kirchenlehre ist eigentlich genau das Gegenteil. Die hat nichts Zweideutiges.
Das ist eine eindeutige, radikale Aussage, und das sollte man in einem Kunstwerk auch
vermitteln. Kitsch hat in der Kirche nichts verloren.“
Die Kunst und die
Kirche haben sich im 19. Jahrhundert irgendwie aus den Augen verloren, sagt Brech.
Eine der Ursachen für diese Entfremdung sieht er im mangelnden Kunstverständnis kirchlicher
Auftraggeber – und einer gewissen Berührungsangst mit dem Zeitgenössischen an sich.
„Ich verstehe, dass ein liturgischer Raum eine gewisse Funktion hat. Die
ist auch zeitlos, denn Liturgie verändert sich ja nicht... Die Kunstwerke haben heute
eine andere Funktion. Damals, als der Analphabetismus groß war, mussten sie die Geschichten
vermitteln. Deshalb haben sie ein großes erzählerisches Moment - aber darüber hinaus
eine große Qualität als Kunstwerk. Heutzutage ist das nicht mehr so wichtig, denn
es gibt das Wort, das verständlich ist, da die Messen auch nicht mehr in einer unverständlichen
Sprache für das Volk sind. Das heißt, an den Kirchenwänden brauche ich eigentlich
diese illustrative Kunst nicht mehr. Da kann man einen Schritt weiter gehen. Gerade
in den 60er Jahren sind einige hervorragende abstrakte Malereien in den Kirchen, Glasfenster
zum Beispiel, entstanden, die durchaus einen hohen mystischen Wert haben und einen
Sakralraum oft erst zum Sakralraum machen.“ (rv 23.08.2008 gs)