2008-08-23 18:18:22

Gespräch mit einem Künstler, der Christ ist


RealAudioMP3 „Kitsch hat in der Kirche nichts verloren.“ Das sagt Christoph Brech, Jahrgang 1964, der sich selbst als Christ und Künstler, nicht aber als christlichen Künstler versteht. Der Münchner arbeitet zeitweise in Rom, seit er Stipendiat der deutschen Akademie Villa Massimo war. Sein bevorzugtes Medium ist Film. Nicht wenige von Christoph Brechs Arbeiten entstehen in Kirchen oder auf Friedhöfen. Den Campo Verano, Roms größten Friedhof, findet der Künstler besonders inspirierend.

„Mir ist sofort aufgefallen, da gibt’s ganz hervorragende Porträts!“

Die gemalten Totenbilder eines Künstlers aus dem 19. Jahrhundert, Filippo Severati, bilden die Grundlage von Brechs Videoarbeit „Ritratto Romano“.

„Ich habe die einzelnen Porträts abgefilmt und überlagert. Das war möglich, weil die Bilder nach Fotos gemalt wurden und diese Fotos sehr stilisiert waren. Die Kopfhaltung war die gleiche, die Augen immer in derselben Position. Deshalb konnte ich diese Bilder leicht überlagern, sodass die Augen wie ein Rückgrat durch den ganzen Film gehen.“

Ritratto Romano ist eine meditative Arbeit. Unendlich langsam gehen dutzende Bilder von Verblichenen ineinander über. Männer, Kinder, Frauen. Sorgsam geschmückt und in den besten Kleidern. Eine zeitgenössische Annäherung an das memento mori vergangener Jahrhunderte, eine Wiederbelebung des barocken Vanitas-Motivs, das dem Betrachter die eigene Vergänglichkeit vor Augen führt.

„Wenn man die Einzelporträts sich in Erinnerung rufen will, schafft man das kaum. Das Interessante ist eben, dass Geschlecht, Alter, Haarfarbe, auch der Schmuck, am Ende keine Rolle spielen. Das einzige, was bleibt, sind die Augen.“

2005 beteiligte sich Brech an einem Wettbewerb für das Diözesanmuseum München-Freising, bei dem die Künstler Schulkreuze entwerfen sollten. Mit seinem Werk, sagt Brech freimütig, hat er damals

„Kardinal Wetter sehr verärgert, weil ich nach langen Überlegungen und vielen Schulbesuchen festgestellt habe, dass gar nicht mehr so viele katholische Schüler bei uns sind, sondern viel Muslime und auch wieder mehr jüdische Schüler. Sodass ich mir gedacht habe, es kann nicht sein, dass man da nur ein Kreuz aufhängt!“

Brechs Vorschlag für ein Kreuz an Schulen war eine Leiterplatte mit aufgelöteten Leuchtdioden: darauf ein griechisches Kreuz, ein Davidstern und ein Halbmond mit Stern.

„Die Idee war, dass man an den Feiertagen der einzelnen Religionen das entsprechende Symbol präsent hat. Und wenn es keinen Feiertag gibt, wäre das Kreuz sichtbar gewesen.“

Der Relativismus-Vorwurf von seiten der Erzdiözese kam postwendend. Allerdings gründete er auf einem Missverständnis.

„Der Pressefotograf des Diözesanmuseums fand es schöner, dass zwei Sachen gleichzeitig leuchten, und hat den Davidstern zugleich mit dem christlichen Kreuz leuchten lassen. Und dieses Foto landete ohne mein Wissen im Katalog auf der ersten Seite. Der Kardinal schlägt das auf und sieht sofort auf der ersten Seite eine Vermischung zwischen zwei Glaubensrichtungen, die er so nicht wollte.“

Man sieht: kirchliche Auftraggeber sind gegebenenfalls schwieriger als Privatmäzene. Dennoch lassen den Münchner Künstler Themen nicht los, die ins Transzendente weisen. Jüngst gestaltete er in Mainz das Bühnenbild für eine Inszenierung von Dantes Göttlicher Komödie. In die Videos floss ein Gedankenaustausch mit dem Mainzer Kardinal Karl Lehmann über theologische Vorstellungen von Himmel, Fegefeuer und Hölle ein.

„Das Grundmotiv der Hölle sind einfach Rolltreppen, die nach oben und nach unten gehen, und die Grundfarbe ist ein rötliches Braun. Im Himmel ist es Farbe, die einfach nur fließt, das Paradiesische hat eine Richtung, ist zielgerichtet, während in der Hölle alles kreist um die immer gleiche Pein und zu keinem wirklichen Ziel kommt.“

Als Künstler an christlichen Themen im weiteren Sinn zu arbeiten, reizt Christoph Brech. Als christlichen Künstler würde er sich trotzdem nicht bezeichnen wollen. Und so manches Werk im Kirchenraum findet er fehl am Platz.

„Was mich oft an christlicher Kunst stört, mehr als an christlichen Künstlern, ist dass von der Qualität her sehr unterschiedliche Werke den Weg in große Kirchen finden. Oft ist das, was darauf abgebildet ist, wichtiger als das Wie. Das Thema wird stärker bewertet als die Qualität des Werkes.“

Brechs Hauptkritik an dem, was gemeinhin unter moderner sakraler Kunst firmiert, ist,

„dass oft etwas sehr Harmloses an den Wänden hängt, etwas Verwaschenes, Süßlich-Kitschiges. Das hat dummerweise ganz oft Einzug gefunden gerade auch in zeitgenössische Kirchenbauten. Die katholische Kirchenlehre ist eigentlich genau das Gegenteil. Die hat nichts Zweideutiges. Das ist eine eindeutige, radikale Aussage, und das sollte man in einem Kunstwerk auch vermitteln. Kitsch hat in der Kirche nichts verloren.“

Die Kunst und die Kirche haben sich im 19. Jahrhundert irgendwie aus den Augen verloren, sagt Brech. Eine der Ursachen für diese Entfremdung sieht er im mangelnden Kunstverständnis kirchlicher Auftraggeber – und einer gewissen Berührungsangst mit dem Zeitgenössischen an sich.

„Ich verstehe, dass ein liturgischer Raum eine gewisse Funktion hat. Die ist auch zeitlos, denn Liturgie verändert sich ja nicht... Die Kunstwerke haben heute eine andere Funktion. Damals, als der Analphabetismus groß war, mussten sie die Geschichten vermitteln. Deshalb haben sie ein großes erzählerisches Moment - aber darüber hinaus eine große Qualität als Kunstwerk. Heutzutage ist das nicht mehr so wichtig, denn es gibt das Wort, das verständlich ist, da die Messen auch nicht mehr in einer unverständlichen Sprache für das Volk sind. Das heißt, an den Kirchenwänden brauche ich eigentlich diese illustrative Kunst nicht mehr. Da kann man einen Schritt weiter gehen. Gerade in den 60er Jahren sind einige hervorragende abstrakte Malereien in den Kirchen, Glasfenster zum Beispiel, entstanden, die durchaus einen hohen mystischen Wert haben und einen Sakralraum oft erst zum Sakralraum machen.“
(rv 23.08.2008 gs)








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