2008-08-18 13:44:22

Russland: Deutsche Jugendliche freiwillig im Knast


RealAudioMP3 Jugendkriminalität ist in der Russischen Föderation ein wachsendes Problem. Pro Jahr machen sich mehr als eine Million junger Russen strafbar, 1.200 werden sogar zu Mördern. Gut gefüllt sind deshalb auch die russischen Jugendhaftanstalten. Ein solches Jugendgefängnis befindet sich in Alexin, einer kleinen Stadt rund 200 Kilometer südlich von Moskau. Die deutsche katholische Gemeinde von Moskau unterstützt die Jugendlichen, die dort einsitzen. Wilfried Wehling ist der Pfarrer von St. Elisabeth, der deutschen Gemeinde in Moskau. Wehling ist 61 Jahre alt, gehört der Fokolar-Bewegung an und kümmert sich seit Jahren um die deutschen, österreichischen und Schweizer Katholiken, die in der russischen Millionenstadt leben. Wehling kennt das Jugendgefängnis, das in Russland als vorbildlich gilt, von innen. 260 Jugendliche sitzen dort ein, zwei Drittel von ihnen sind junge Mörder. Ein Beitrag von Mathis Dippon.

„Diese Kinder oder Jugendliche werden eigentlich ganz gut begleitet. Es gibt dort auch eine Ausbildungsschule. Aber die Rückfälle sind sehr hoch, das hat uns der Direktor auch bestätigt. Zwei Drittel der Jugendlichen werden rückfällig. Das ist eher geführt wie ein Gefängnis. Wahrscheinlich würde man das in Deutschland ganz anders machen.“

Die Ursache für jugendliche Kriminalität in Russland ist nicht zuletzt das russische Männerbild. Als "richtiger" Mann gilt nur, wer körperliche Durchsetzungskraft beweist und dieses auch offen zeigt. Dadurch werden die heranwachsenden Männer von klein auf geprägt. Hinzu kommen oft schwierige familiäre Verhältnisse und schlechte Zukunftsaussichten.
Nach einem ersten Besuch der Anstalt entstand bald die Idee, junge Gefangene und junge Deutsche aus Moskau zusammenbringen – eine Idee, die überraschender Weise auch Zustimmung der Gefängnisverwaltung fand. Vor drei Jahren war Wehling das erste Mal mit Jugendlichen der deutschen Gemeinde im Gefängnis Alexin zu Gast. Er sagt:

„Das ist doch etwas Außergewöhnliches, dass Gefängnisse besucht werden. Denn normalerweise ist es Teil der russischen Mentalität zu sagen: Wenn einer im Gefängnis landet, ist er selbst in Schuld. Er hat dort seine Strafe abzusitzen. Diese Botschaft zeigt eigentlich nicht viel Mitleid."

Zunächst reiste ein gutes Dutzend junger Deutscher mit Wehling nach Alexin, später kamen immer mehr dazu. Beim letzten Besuch waren es 22.

"Unsere Jugendliche waren zum Teil erschüttert, weil sie noch nie in einem Gefängnis gewesen waren.“

Am Anfang sei die Begegnung mit den Straftätern auch nicht einfach gewesen. Beim Fußballspiel zwischen den Russen und Deutschen habe sich vieles aufgelockert:

"Das war allein schon sehr sympathisch, denn wir hatten eine eher schwache Mannschaft, weil in unserer Mannschaft auch Mädchen spielten. Sie waren sehr rücksichtsvoll. Das war ein Tag, wo es sehr rutschig war. Wenn die Mädchen drohten auszurutschen, war sofort ein russischer Junge da und half. Sie haben sich als Gentlemen gezeigt.“

Soziales Engagement in dem von problematischen sozialen Entwicklungen geprägten Russland ist der Katholische Gemeinde Moskau ein großes Anliegen. So unterstützt St. Elisabeth auch die Armenspeisung in zwei orthodoxen Moskauer Kirchen, stellt Medikamente für ein Kinderkrankenhaus zur Verfügung und unterstützt die Moskauer Flüchtlingsschule. Der nächste Besuch des Jugendgefängnisses von Alexin ist schon geplant.

(rv 17.08.2008 md/mch)








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