Russland: Deutsche Jugendliche freiwillig im Knast
Jugendkriminalität
ist in der Russischen Föderation ein wachsendes Problem. Pro Jahr machen sich mehr
als eine Million junger Russen strafbar, 1.200 werden sogar zu Mördern. Gut gefüllt
sind deshalb auch die russischen Jugendhaftanstalten. Ein solches Jugendgefängnis
befindet sich in Alexin, einer kleinen Stadt rund 200 Kilometer südlich von Moskau.
Die deutsche katholische Gemeinde von Moskau unterstützt die Jugendlichen, die dort
einsitzen. Wilfried Wehling ist der Pfarrer von St. Elisabeth, der deutschen Gemeinde
in Moskau. Wehling ist 61 Jahre alt, gehört der Fokolar-Bewegung an und kümmert sich
seit Jahren um die deutschen, österreichischen und Schweizer Katholiken, die in der
russischen Millionenstadt leben. Wehling kennt das Jugendgefängnis, das in Russland
als vorbildlich gilt, von innen. 260 Jugendliche sitzen dort ein, zwei Drittel von
ihnen sind junge Mörder. Ein Beitrag von Mathis Dippon.
„Diese Kinder oder
Jugendliche werden eigentlich ganz gut begleitet. Es gibt dort auch eine Ausbildungsschule.
Aber die Rückfälle sind sehr hoch, das hat uns der Direktor auch bestätigt. Zwei Drittel
der Jugendlichen werden rückfällig. Das ist eher geführt wie ein Gefängnis. Wahrscheinlich
würde man das in Deutschland ganz anders machen.“
Die Ursache für jugendliche
Kriminalität in Russland ist nicht zuletzt das russische Männerbild. Als "richtiger"
Mann gilt nur, wer körperliche Durchsetzungskraft beweist und dieses auch offen zeigt.
Dadurch werden die heranwachsenden Männer von klein auf geprägt. Hinzu kommen oft
schwierige familiäre Verhältnisse und schlechte Zukunftsaussichten. Nach einem
ersten Besuch der Anstalt entstand bald die Idee, junge Gefangene und junge Deutsche
aus Moskau zusammenbringen – eine Idee, die überraschender Weise auch Zustimmung der
Gefängnisverwaltung fand. Vor drei Jahren war Wehling das erste Mal mit Jugendlichen
der deutschen Gemeinde im Gefängnis Alexin zu Gast. Er sagt:
„Das ist doch
etwas Außergewöhnliches, dass Gefängnisse besucht werden. Denn normalerweise ist es
Teil der russischen Mentalität zu sagen: Wenn einer im Gefängnis landet, ist er selbst
in Schuld. Er hat dort seine Strafe abzusitzen. Diese Botschaft zeigt eigentlich nicht
viel Mitleid."
Zunächst reiste ein gutes Dutzend junger Deutscher mit Wehling
nach Alexin, später kamen immer mehr dazu. Beim letzten Besuch waren es 22.
"Unsere
Jugendliche waren zum Teil erschüttert, weil sie noch nie in einem Gefängnis gewesen
waren.“
Am Anfang sei die Begegnung mit den Straftätern auch nicht einfach
gewesen. Beim Fußballspiel zwischen den Russen und Deutschen habe sich vieles aufgelockert:
"Das
war allein schon sehr sympathisch, denn wir hatten eine eher schwache Mannschaft,
weil in unserer Mannschaft auch Mädchen spielten. Sie waren sehr rücksichtsvoll. Das
war ein Tag, wo es sehr rutschig war. Wenn die Mädchen drohten auszurutschen, war
sofort ein russischer Junge da und half. Sie haben sich als Gentlemen gezeigt.“
Soziales Engagement
in dem von problematischen sozialen Entwicklungen geprägten Russland ist der Katholische
Gemeinde Moskau ein großes Anliegen. So unterstützt St. Elisabeth auch die Armenspeisung
in zwei orthodoxen Moskauer Kirchen, stellt Medikamente für ein Kinderkrankenhaus
zur Verfügung und unterstützt die Moskauer Flüchtlingsschule. Der nächste Besuch des
Jugendgefängnisses von Alexin ist schon geplant.