Fernando Lugo tritt
am Fest Maria Himmelfahrt sein Amt als Präsident Paraguays an. Die Erwartungen der
Menschen an den früheren katholischen Bischof und Missionar sind groß. Nach gut 60
Jahren einer Art Feudalregierung erwarten sie sich politische und soziale Gerechtigkeit.
Wird Lugo die Hoffnungen erfüllen können? P. Miguel Fritz, der selbst seit vielen
Jahren in Paraguay wirkt und Fernando Lugo persönlich kennt, charakterisiert den neuen
Präsidenten so:
„Lugo ist eine sehr charismatische Persönlichkeit, sehr
volksnah, mit einer großen Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen und Leuten Mut zu machen.
Das war seine Stärke in dem Bistum, wo er gearbeitet hat, und das war auch sein Problem,
weil er den sozialen Problemen sich nicht mehr gewachsen fühlte.“
Fernando
Lugo verzichtete auf seinen Bischofssitz, und es wurde vorübergehend ruhiger um ihn.
Dass er sich nun anschickt, das wichtigste Amt des Landes anzutreten, erfüllt Paraguay
mit großer Hoffnung.
„Im Augenblick könnten wir uns keine andere Person
vorstellen, die dieser Hoffnung so stark ein Gesicht geben könnte wie Lugo. Ich habe
nie in diesem Land so viel Hoffnung, so viel Aufbruchsstimmung erlebt, so viel Optimismus
wie jetzt im Augenblick. Die Hoffnung ist sicher übertrieben, und das weiß Lugo, so
wie es die Leute wissen. Aber er hat es jetzt immerhin geschafft, die 61jährige Feudalherrschaft
der Colorado-Partei zu unterbrechen – das war nicht mehr auszuhalten, und eine andere
Person aus einem rein politischen Umkreis hätte es wahrscheinlich nicht geschafft.
Er hat als eine Person der Kirche so viel Rückhalt gehabt, weil die Kirche die einzige
Institution im Land ist, die noch glaubwürdig ist.“
Lugo hat das Amt des
Präsidenten nicht angestrebt, sagt Pater Fritz. Das Verlangen der Bevölkerung, ihn
als Staatsoberhaupt zu sehen, wurde freilich immer größer.
„Die Ungerechtigkeiten
in unserem Land und die Korruption und was wir hier im Land erleiden mussten und noch
müssen, war so stark, und hat dem die Krone aufgesetzt, als der Noch-Präsident gegen
die Staatsverfassung gehandelt hat. Da hat Lugo gesagt, das können wir nicht so hinnehmen,
lasst uns eine Demonstration machen, und hat das organisiert, und das hat so starken
Widerhall gefunden, dass die Leute spontan gesagt haben: du musst unser Präsident
werden.“
Die anderen Bischöfe Paraguays rieten ihm ab, doch Lugo beschloss,
die Herausforderung anzunehmen und um die Zurückversetzung in den Laienstand zu ersuchen
– denn das Kirchenrecht verbietet es Priestern, ein politisches Amt innezuhaben. Nach
mehreren Monaten der Erwägung gab der Heilige Stuhl der Bitte nach.
„Ich
kann sagen, dass 90 Prozent der Priester und 100 Prozent der Ordensleute voll hinter
Lugo stehen und ihn unterstützt haben. Das hat mit zum Wahlergebnis beigetragen, weil
viele Menschen sich orientieren an den Wahlempfehlungen ihrer Hirten. Der Rückhalt
für Lugo ist enorm stark.“
Das zeigte sich bereits im Wahlkampf. Pater
Fritz ortet seit Monaten einen Geist des Umbruchs, einen echten Umschwung in den Köpfen.
„Es ist eine große Bereitschaft da, Verantwortung zu übernehmen. Bisher
war die Einstellung da, alles von oben zu erwarten. Das Interessante ist, dass die
Wahlkampagne von Lugo nicht finanziert wurde. Er ist zu den Leuten gegangen, und die
Leute haben ihm zu essen besorgt, die haben dafür gesorgt, dass er ins nächste Dorf
kommen konnte, sie haben eine Baumwollernte gespendet, damit er auch zu ihnen kommen
konnte. Er hat keine Schenkungen gemacht, wie andere Politiker es immer gemacht haben.
Das zeigt, dass die Leute jetzt gelernt haben: wir können – und wir müssen.“
Der
neue Präsident will in seiner Politik nationale Interessen in den Vordergrund stellen.
Für die internationale Geschäftswelt, die seit jeher an Paraguay Rohstoffen interessiert
war, macht ihn das eher verdächtig. Einige fürchten, Lugo werde, kaum im Amt, den
sozialistischen Kurs eines Hugo Chavez oder eines Evo Morales einschlagen. Pater Fritz
meint, Lugo ist vernünftiger. Es entspreche dem Stil des früheren Steyler Missionars,
sich von Experten beraten zu lassen, gleichzeitig aber das Gespräch mit einfachen
Leuten zu suchen. Und: die moralischen Vorgaben der Kirche zählen für Lugo auch als
Laie.
„Er ist jeden Sonntag in der Messe und hat immer Priester, teils
aus seiner früheren Ordensgemeinschaft, mit denen er sich berät.“
Auf der
Agenda des einstigen Bischofs von San Pedro steht eine ganze Reihe von politischen
Reformen, mit denen er vor allem den Armen und Benachteiligten helfen will. Eine schnelle
Lösung der Energiekrise und der Kampf gegen die Lebensmittelknappheit gehören dazu
ebenso wie eine Agrarreform und der Umbau des Justizapparates. Die Armen seien "sein
Lebensinhalt", hat Lugo mehrmals betont. Dass er das mit Überzeugung sagt, macht ihn
vorab zu einer nationalen Größe. Weniger zählt da für die Menschen, dass ihr neuer
Präsident früher Bischof war.
„Es ist bei vielen Leuten eine ziemliche
Unkenntnis da, ist er jetzt noch Bischof oder nicht, und was bedeutet das. Dei Leute
versuchen nicht mehr Monsignore zu sagen, was ihnen früher immer herausgerutscht ist,
aber es spielt für sie nicht die große Rolle. Das ist einfach dieser Fernando, dieser
Lugo – und dem vertrauen die Leute.“