Das Paulusjahr, das
Papst Benedikt Ende Juni ausgerufen hat, ist nicht nur eine römische Angelegenheit
– auch in Syrien schlägt es Wellen. Und zwar sozusagen interreligiöse Wellen.
Die
Bekehrung des Paulus fand auf dem Weg nach Damaskus statt, an der „Via Recta“, die
noch heute schnurgerade in die syrische Hauptstadt hineinführt. Syrien ist zu 90 Prozent
islamisch, hat aber eine starke Tradition des Multi-Religiösen. Islamisch-christlichen
Dialog „hat es hier immer gegeben“, sagt der Direktor der Großen Omayyadenmoschee,
Jamal Mustafa Arab. Und der Großmufti von Syrien, Ahmed Badr Al Deem Hassun, lädt
sogar Benedikt XVI. zum Paulusjahr nach Damaskus ein.
„Damaskus ist im Moment
die Hauptstadt der arabischen Kultur und gleichzeitig gewissermaßen die Hauptstadt
des Paulusjahres. Denn Paulus ist ja gerade hier, auf der Straße nach Damaskus, wie
von einem Blitzschlag niedergeworfen und vom Saulus zum Paulus geworden. In diesem
Jahr wird der zweitausendste Geburtstag des heiligen Paulus gefeiert, und da würde
ich mich sehr freuen, wenn der Heilige Vater im Lauf dieses Paulusjahres unsere Einladung
zu einem Besuch in Syrien annehmen würde... oder wenn er zumindest im Vatikan den
Großmufti empfangen würde. Vielleicht auch, um eine solche Reise vorzubereiten? Vielleicht
können wir dadurch ja dazu beitragen, dass die Blume des Friedens im Nahen Osten kräftigere
Wurzeln schlägt.“
Schon jetzt befruchtet das Paulusjahr auf überraschende
Weise das ökumenische und interreligiöse Miteinander in Syrien – das sagt der Nuntius
in Damaskus, Erzbischof Giovanni Battista Morandini.
„Für mich ist es wirklich
ein Zeichen der Zeit, dass Damaskus gerade dieses Jahr zur Hauptstadt der arabischen
Kultur bestimmt worden ist. Das schafft uns viele Möglichkeiten, im Paulusjahr auch
kulturell viel zu tun. Das gilt natürlich schon unter den christlichen Kirchen untereinander
– wir sind sechs katholische Kirchen hier, dazu dann noch die anderen christlichen
Konfessionen, und das Gespräch und Nachdenken über Paulus kann uns untereinander annähern
„auf unserem Weg nach Damaskus“. Vor allem aber ist die syrische Kultur Jahrtausende
alt und lässt sich gut in Dialog mit der christlichen Kultur des Paulus bringen. So
werden auch wir selbst den wahren Paulus noch besser kennen lernen.“
Vor
etwa zweitausend Jahren verließ Paulus die syrische Hauptstadt noch fluchtartig in
einem Korb, abgeseilt von der Stadtmauer, die übrigens heute noch steht. Heute würde
der Völkerapostel wohl im Hof der Omayyadenmoschee predigen – nur ein paar Meter von
der Stelle entfernt, an der Papst Johannes Paul vor acht Jahren einen Kaffee mit dem
Großmufti trank. Vielleicht würde Paulus aber auch in den Vororten der Stadt predigen
– da, wo in kleinen Appartements Abertausende von christlichen Irak-Flüchtlingen mit
ihren Familien provisorisch untergekommen sind. Für sie hat die Straße nach Damaskus
in Basra oder Mossul begonnen, und Damaskus ist ihre Falle, nicht wie bei Paulus nur
ein Fluchtpunkt. Sie sind das „Paulusjahr von unten“ – vielleicht fällt in diesen
Monaten, in denen man den Völkerapostel feiert, auch für sie etwas ab?