2008-08-11 15:02:30

Georgien: Konflikt hat auch religiöse Dimension


RealAudioMP3 Während der Konflikt zwischen Georgien und Russland um Südossetien bereits mehr als Tausend Todesopfer gefordert hat, appelliert ein gewichtiges Kirchenoberhaupt an die Vernunft der Verantwortlichen: der Moskauer Patriarch Alexij II. hat alle Beteiligten dazu aufgefordert, „Weisheit zu zeigen und sich an den Verhandlungstisch zu setzen“. Ein sofortiger Waffenstillstand und die Wiederaufnahme des Dialogs seien notwendig, so der Patriarch in einer aktuellen Stellungnahme. Alexij schloss sich damit einem Friedensappell des georgisch-orthodoxen Katholikos-Patriarchen Elias II. an. Dass die orthodoxen Kirchen sich in dem neu aufgeflammten Konflikt verantwortungsvoll verhalten, würdigt auch der anerkannte Moskauer Religionssoziologie Sergej Filatov. Alexij II. setze auf Kooperation und nicht auf Einmischung gegenüber der georgisch-orthodoxen Kirche:

"Er war sehr korrekt in dieser Situation und hat keinen Versuch unternommen, seine Vorstellungen in Südossetien durchzusetzen. Alexij versucht, jede denkbare Kooperation mit der georgischen orthodoxen Kirche zu pflegen. In jedem Fall kann die Religion eine der Kräfte für eine friedliche Lösung der Situation sein."

Hinter den blutigen Kämpfen in Georgien stecken Jahrzehnte alte religiöse und ethnische Gründe. Das betont der Russlandkenner und frühere Berichterstatter des Europarats für die Russische Föderation Rudolf Bindig im Gespräch mit Radio Vatikan. Die lange schwelenden Konflikte sind nun eskaliert, meint Rudolf Bindig:

"Da mischen sich wohl religiöse Gründe als auch ethnische Gründe. Verschiedene Volksstämme leben da im Kaukasus. Wenn man das vom Osten nach Westen nimmt, beginnt das mit den Dagestanern, dann die Tschetschenen, die Inguschen. Die sind alle islamisch. Dann kommen die Osseten, die größtenteils auch christlich sind. Dann kommen Kabardiner, Balkarier und Tscherkassen. Und in Georgien sind die Georgier eben christlich. Unter der Stalinzeit ist es so gewesen, dass die Grenzen willkürlich zwischen den verschiedenen Volksgruppen gezogen worden sind nach dem Motto „teile und herrsche.“ Und jetzt kommen diese unterdrückten Gefühle wieder hoch und entladen sich. Die Russen versuchen dies allerdings auch bewusst zu schüren, insbesondere gegenüber Georgien."

Bindig spricht von einer Politik der „Russifizierung“ im zu Georgien gehörenden Südossetien. Moskau habe dort großzügig russische Pässe verteilt und sehe sich jetzt aufgefordert, den dort lebenden Russen beizustehen. Religionssoziologie Filatov bestätigt, dass es im Kaukasuskonflikt auch um ethnische und religiöse Minderheiten geht.

"Die ursprüngliche religiöse Tradition der Osseten wurde unterdrückt durch die Georgier und die Russen. Und nun versuchen sie, in beiden Republiken, im Norden und im Süden, ihrer religiöse Traditionen wiederzubeleben."

Georgien sei bestrebt, einen säkularen Nationalstaat zu formen und nehme wenig Rücksicht auf religiöse und ethnische Gefühlslagen:

"Heutzutage haben wir in Russland bessere Möglichkeiten, unsere religiösen Traditionen wiederzubeleben als in Georgien, wo der georgische Staat und die öffentliche Meinung versuchen, die Bevölkerung im Sinn einer einheitlichen georgischen Nation zu beeinflussen."

(rv 11.08.2009 mch)
 
Hinweis: In unserem Audio-Beitrag hören Sie außer den hier aufgeführten Interview-Aussagen auch den Friedensappell, den Papst Benedikt XVI. am Sonntag von Brixen aus an die streitenden Parteien im Südossetien-Konflikt gerichtet hat.
 







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