Die Kunsthistorikerin
Elisabeth Kieven ist frischgebackenes Mitglied im Päpstlichen Komitee für Geschichtswissenschaften.
Sie lehrte Architekturgeschichte an der Universität Tübingen, doch besser als Tübingen
– wo früher auch ein gewisser Professor Joseph Ratzinger lehrte - kennt sie Rom. Denn
hier leitet Elisabeth Kieven als Geschäftsführende Direktorin die Bibliotheca Hertziana
- Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte. Die Berufung ins Päpstliche Historikerkomitee
bedeutet für sie „eine große Ehre“, doch was sie dort erwartet, weiß Elisabeth Kieven
selbst nicht noch so genau.
„Ich habe ja nach meiner Rückkehr aus den Ferien
erst von dieser Ernennnung erfahren und bis jetzt mal sehr gespannt!“
In
welche Richtung ihre Beratungstätigkeit für den Vatikan gehen kann, darüber hat sich
die 61-jährige Geisteswissenschaftlerin freilich schon ihre Gedanken gemacht.
„Ich
bin Kunsthistorikerin, aber die Kunstgeschichte ist ein Bereich, in dem die Päpste
ein unendliches Mäzenatentum ausgeübt haben, über Jahrhunderte, mit der Kunst, die
sie gefördert haben und natürlich auch zur ihrer Selbstdarstellung genutzt haben.
Sie haben europäische Maßstäbe gesetzt und Rom zu einem künstlerischen Zentrum gemacht.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Geschichte der Überlieferung und der Wirkung des
Papsttums in diesem Bereichen sich einfügen könnte in die Forschungstätigkeit dieses
Komitees.“
Kievens Forschungsschwerpunkt ist die Architekturgeschichte
Roms des 17. und 18. Jahrhunderts. Wobei das 17. Jahrhundert mit Arbeiten zu herausragenden
Künstlern wie Bernini und Borromini bisher sehr viel besser abgedeckt ist als das
18. Jahrhundert.
„Ich habe hier einen Schwerpunkt für die Pontifikate Clemens
XII., also 1730 bis 1740, und Benedikts XIV., also 1740 bis 1758. Unter dem Pontifikat
Clemens XII. entsteht die Fontana di Trevi, zum Beispiel. Ein Bau von ungeheurer Wirkung.
Die Päpste des 18. Jahrhunderts sind bisher generell viel schlechter bearbeitet worden.
Hier liegt noch ein schönes Forschungsgebiet, das übrigens auch die Modernität einiger
dieser Päpste zeigt, etwas, was man ihnen doch bislang in der Forschung eher abgesprochen
hat.“
Rom ist ein international leuchtender Anziehungspunkt kunstgeschichtlicher
Forschung. Viele Länder haben in der Papststadt eigene Niederlassungen für Kunsthistoriker
– Franzosen, Amerikaner und eben auch die Deutschen mit der Bibliotheca Hertziana,
die – wie Elisabeth Kieven hervorhebt – nicht bloß eine Bibliothek, sondern eben eine
Forschungseinrichtung ist. Die Hertziana allein beschäftigt 40 Kunsthistoriker. Es
waren in der Neuzeit die Päpste, die aus dieser Stadt das Herz und den kulturellen
Bezugspunkt Europas schlechthin machten.
„Die Päpste waren ja nicht nur
Vicari Cristi, sondern auch Heerscher, und diese Kombination von weltlichem Herrscher
und geistlichem Oberhaupt ist heute oft schwer zu vermitteln. Für die frühere Zeit,
als Monarchien selbstverständlich waren, war diese Einheit immer etwas, was man anstandslos
hingenommen hat.“
Wegen dieser Einheit aus weltlicher und geistlicher Führerschaft
ist es heute nicht möglich, in der kunstgeschichtlichen Rom-Forschung bis 1870 ein
Thema zu beackern, das nichts mit den Päpsten zu tun hätte, sagt Elisabeth Kieven.
„Denn
auch die römische Aristokratie war ausgerichtet auf den päpstlichen Hof. Das
Aufstiegsschema der Kurie war besonders interessant, weil es weniger von der Geburt
abhing, sondern eher eine Art Meritokratie darstellte; und in diesem Schema spielte
die Kunst als Mittel gesellschaftlichen Aufstiegs eine bedeutende Rolle."
Elisabeth
Kieven ist übrigens auch gerade so etwas wie „Bauherrin“. An der Hertziana gleich
bei der Spanischen Treppe entsteht ein Bibliotheksneubau. Die Bestände der Bibliothek
sind allerdings für die Forscher sämtlich einsehbar. Anders an der Vatikanbibliothek.
„Es ist natürlich ein Drama, dass die Biblioteca Vaticana für mehrere Jahre
geschlossen ist. Das wird sich übrigens auf die Forschung auswirken. Denn der Bestand
an Manuskripten der Vaticana, fast 100.000, ist durch nichts zu ersetzen. Bücher können
Sie eventuell noch woanders finden. Und wir haben heute auch über Internet Möglichkeiten,
auf Texte zurückzugreifen. Aber die Manuskripte sind einzigartig. Wenn die jetzt für
Jahre gesperrt sind, bricht in einigen Forschungsbereichen der Geisteswissenschaft
wie Religionsgeschichte, Geschichte, Kunstgeschichte die Forschung fast zusammen."
Kieven
äußerte Verständnis für die Renovierung der Vaticana.
„Wir haben alle die
gleichen Probleme. Die Masse der Bücher wächst, dann gibt es statische Probleme. Die
neuen Brandschutz- und Arbeitsschutzgesetze erfordern sehr umfangreiche Baumaßnahmen.
Wir müssen diese Maßnahmen alle durchführen, auch die Vaticana.“
Aber:
„Es wäre schön gewesen, wenn man zumindest die Manuskripte konsultieren
könnte. Denn ist ein Riesenproblem, weil Sie bestimmte Doktorarbeiten gar nicht schreiben
können, wenn die Manuskriptabteilung zu ist. Wahrscheinlich war das nicht zu realisieren.
Ich drücke sehr die Daumen, dass die Bauzeit von drei Jahren einzuhalten ist!“