Porträt: Navi Pillay, UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte
Die UNO hat – ab dem
1. September - eine neue Hohe Kommissarin für Menschenrechte: Sie heißt Navanethem
Pillay und ist eine interessante Frau. Südafrikanerin, Tochter eines aus Indien eingewanderten
Busfahrers, aufgewachsen in einem Armenviertel in der Nähe von Durban. Studieren konnte
sie, weil sie mit einem Schulaufsatz – übrigens zum Thema Menschenrechte – ein Stipendium
ergatterte. Aber eine Arbeit fand sie im Südafrika der Apartheid nicht... weshalb
sie dann kurzerhand eine eigene Anwaltskanzlei eröffnete. Als erste farbige Frau überhaupt.
„Ich glaube, ich habe eine wirkliche Vorstellung davon, was es bedeutet, wenn
einem die Menschenrechte verletzt werden, und zwar über längere Zeit hinweg und ohne
jede Aussicht auf Gerechtigkeit. Das hat mich der Kampf gegen die Apartheid gelehrt.
Ich war nie davon ausgegangen, dass ich noch zu meinen Lebzeiten da eine Wende erleben
könnte...“ Richterin konnte sie nicht werden – nichtweißen Anwälten war sogar
das Betreten von Richterzimmern verboten. Bekannt wurde Pillay durch ihre Verteidigung
zahlreicher politischer Häftlinge, darunter ihres eigenen Mannes, der fünf Monate
in Isolationshaft saß. Spätere Stationen von „Navi“ Pillay waren: Richterin am Internationalen
Strafgerichtshof in Tansania, der sich mit dem Völkermord in Ruanda beschäftigte,
und am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Dort wurden bislang nur afrikanische
Fälle behandelt. Zu ihrer Ernennung zur obersten Menschenrechts-Wächterin der UNO
sagt sie: „Ich bin völlig überwältigt, auch weil ich sehe, dass diese Ernennung
den Menschen hier in Afrika sehr viel bedeutet. Ich hatte unzählige Anfragen von Radio-
und Fernsehstationen, und immer wieder werde ich gefragt: Wir haben so viele Probleme,
wie werden Sie uns da helfen?“ Frau Pillay war an vielen Urteilen und Entscheidungen
beteiligt, die als bahnbrechend gelten für das Völkerrecht. So war ein Bürgermeister
aus Ruanda, den sie und ihre Richterkollegen wegen Völkermords ins Gefängnis schickten,
die erste Person, die jemals von einem Strafgerichtshof der Völkergemeinschaft verurteilt
wurde. „Jetzt stelle ich im UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte wie beim
neuen Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen fest, wie dramatisch sich die Herangehensweise
an das Thema Menschenrechte ändert, im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten. Früher
gab es Berichte über Menschenrechtsverletzungen in einzelnen Staaten, und man hoffte,
dass ein Land seine Menschenrechts-Bilanz verbessern würde, wenn man ihm nur eindringlich
genug ins Gewissen redete. Mittlerweile geht die Entwicklung dahin, dass Staaten zur
Verantwortung gezogen werden und ihr Handeln überwacht wird. Diese Vision würde ich
gerne weiterentwickeln – im Geiste von Louise Arbour.“ Louise Arbour – die
Kanadierin war bis zum Jahresbeginn Pillays Vorgängerin im (noch relativ jungen) Amt
der UNO-Kommissarin für Menschenrechte. „Ich glaube, die Staaten nehmen das
Thema Menschenrechte mittlerweile ernst – das ist meine Erfahrung als Richterin an
einem Internationalen Gerichtshof. Jetzt weiß jeder, dass politische Führer zur Verantwortung
gezogen werden wegen ihrer Verwicklung in sehr große Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen
gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen.“ Die Afrikaner in den Vereinten
Nationen sind stolz über die Berufung von Frau Pillay. Sie bedeutet zumindest ein
Trostpflaster dafür, dass der UNO-Generalsekretär jetzt nicht mehr von Afrika gestellt
wird. Äthiopiens UNO-Botschafter sagt: „Die UNO kann ihrer Verantwortung für
die Erhaltung von Gerechtigkeit und Frieden oder für Entwicklung nicht nachkommen,
wenn sie das Thema Menschenrechte ausspart. Darum ist es passend, die Richterin Pillay
zu ernennen, deren Einsatz für die Menschenrechte, Integrität und Persönlichkeit international
anerkannt ist.“ Trotz Pillays interessanter Biografie gab es aber durchaus
Bedenken gegen ihre Ernennung. Die USA, aber auch die katholische Kirche haben besorgt
registriert, dass die Südafrikanerin offenbar für ein Recht auf Abtreibung eintritt.
Nichtregierungsorganisationen fürchten, dass eine Afrikanerin zu nachgiebig gegenüber
dem Regime in Simbabwe sein könnte. Pillay hält dem entgegen: „Afrika wird bei
mir immer besondere Aufmerksamkeit bekommen, weil der Kontinent es auch besonders
nötig hat. Das haben auch meine Vorgänger so gesehen.“ UNO-Generalsekretär
Ban ki-Moon setzt große Hoffnungen auf Pillay, wie seine Sprecherin sagt: „Er
erwartet, dass die neue Menschenrechts-Kommissarin die Unabhängigkeit ihres Büros
wahrt und gute Arbeitsbeziehungen zur Generalversammlung unterhält, zum Menschenrechtsrat
und zur internationalen Gemeinschaft überhaupt. Generalsekretär Ban ki-Moon betont,
dass Menschenrechte für die Vereinten Nationen prioritär bleiben.“