In der Schweiz ist
die Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“ formell zu Stande gekommen. Damit
kommt die umstrittene Abstimmung voraussichtlich vors Volk. Ziel und Zweck dieser
Initiative ist es, dass der Satz „Der Bau von Minaretten ist verboten“ in der Bundesverfassung
verankert werden soll. Die Schweizer Bischöfe haben bereits ihr negatives Urteil
über diese Initiative bekundet. Mario Galgano berichtet.
Muezzingebet statt
Jodelgesang: In der Schweiz hat sich die Religionsgemeinschaft der Muslime in den
letzten 30 Jahren kontinuierlich zu der stärksten nichtchristlichen Religionsgemeinschaft
entwickelt. Folglich möchten die heute rund 300.000 Muslime in der Schweiz neue Moscheen
bauen und dazu gehören auch islamische Symbole und Bauten wie Minarette. Nicht alle
Schweizer sind damit einverstanden. Seit Frühling 2007 haben nämlich Politiker der
rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der christlich orientierten
Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) Unterschriften für eine Anti-Minarett-Initiative
gesammelt. Dieses politische Vorhaben hat verschiedene Reaktionen im In- und Ausland
ausgelöst und die Frage in den Raum gestellt, ob den Schweizer eigentlich Angst vor
dem Islam haben. Dazu meint der Religionswissenschaftler und Professor an der Schweizer
Universität Fribourg, Oliver Krueger:
„Ich denke, es ist unsinnig anzunehmen,
dass die Schweizer insgesamt als islamophob gelten könnten. Nach meinen Erfahrungen
sind die Schweizer – jedenfalls die meisten Schweizer – sehr weltoffen, sehr tolerant
und auch neugierig auf die Welt um sie herum. Aufgrund der sehr speziellen Religionsgeschichte
– das Land war ja eines der wenigen Länder, das immer sehr heterogen und gemischtkonfessionell
war – ist die Schweiz eigentlich das vorurteilsfreiste Land schlechthin, was die Geschichte
der Toleranz aufweisen kann.“
Die religiös-kultischen Bedürfnisse der Muslime
in der Schweiz waren noch vor wenigen Jahrzehnten, sofern sie vorhanden waren, auf
ein Minimum reduziert. Aus diesem Grund wurden bereits in den 1970er Jahren in den
Privatwohnungen oder leer stehenden Garagen einfache Räume eingerichtet zwecks Verrichtung
gemeinsamer Gebete. Diese Situation änderte sich, als immer mehr Muslime im Alpenland
von einem vorübergehenden Arbeitsaufenthalt zu einem Daueraufenthalt wechselten.
„Schon
vor über 40 Jahren – also 1966 – wurde in Zürich von der Ahmadiyya-Gemeinschaft die
Mahmoud-Moschee gebaut. Damals hatte der Bau ein 18-Meter hohes Minarett. Zur Eröffnung
kam der Stadtpräsident und betonte damals, dass dieser Moscheebau mit dem Minarett
ein Zeichen der Internationalität der Weltoffenheit der Weltstadt Zürich sei. Ähnliches
wiederholte sich dann 12 Jahre später als in Genf eine weitere Moschee gebaut wurde.
Dort gab es sogar eine über 22 Meter hohes Minarett.“
Der Sekretär der
bischöflichen Arbeitsgruppe „Islam“, Erwin Tanner, bedauert, dass die Anti-Minarett-Initiative
zustande gekommen sei. Auch das Selbstverständnis der Christen sei in dieser Frage
tangiert, so Tanner.
„Entscheidend ist nämlich die Klärung der Frage, wie
stark die christlichen Kirchen dem Islam in Glaubensfragen Paroli bieten können. Es
geht um die Fragestellung, inwiefern das Christentum ihr Wertesystem an die Leute
anbieten kann und den Menschen plausibel machen kann, dass man mit den christlichen
Werten, die aktuellen Lebensfragen bewältigen kann und jegliche Alltagsprobleme damit
lösen kann.“
Um ein friedliches Zusammenleben verschiedener Glaubensgemeinschaften
zu ermöglichen, müsse europaweit daran gearbeitet werden, so Erwin Tanner, Sekretär
der Arbeitsgruppe „Islam“ der Schweizer Bischofskonferenz.
„Eine friedliche
Koexistenz unter den Religionen ist meines Erachtens nur dann möglich, wenn verschiedene
Voraussetzungen erfüllt sind. Einerseits müssen die Angehörigen aufeinander zukommen,
d.h. sie müssen einander in ihrer Eigenart respektieren. Zweitens müssen sie versuchen,
auch den Anderen zu akzeptieren und bereit sein, auf das Gute im Anderen zu reagieren
und allenfalls für sich ebenfalls zu gewinnen. Denn es ist eine christliche bzw. sogar
katholische Lehre, dass sich auch in anderen Religionen Wahrheiten befinden können,
die wir dann für uns wiederum fruchtbar machen können, um unsere eigene Entwicklung
des Glaubens zu fördern.“
In dieser Hinsicht ist es aufschlussreich, dass
die überwiegende Zahl muslimischer Migranten in der Schweiz aus dem europäischen Raum
stammt. Dazu der Religionswissenschaftler Oliver Krueger:
„Zum anderen muss
man auch berücksichtigen, dass Europa niemals ein einheitlicher christlicher Korpus
war. Wir haben ja auch jetzt – und in der Geschichte sowieso – Staaten in Europa,
die viel stärker islamisch geprägt sind. Dazu zählen Länder in Südosteuropa wie Bosnien-Herzegowina,
Albanien usw. oder in der Geschichte war ja Spanien beispielsweise jahrhundertelang
islamisch geprägt.“