2008-08-01 17:01:36

Schweiz: Verbotene Türme


RealAudioMP3 In der Schweiz ist die Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“ formell zu Stande gekommen. Damit kommt die umstrittene Abstimmung voraussichtlich vors Volk. Ziel und Zweck dieser Initiative ist es, dass der Satz „Der Bau von Minaretten ist verboten“ in der Bundesverfassung verankert werden soll.
Die Schweizer Bischöfe haben bereits ihr negatives Urteil über diese Initiative bekundet.
Mario Galgano berichtet.

Muezzingebet statt Jodelgesang: In der Schweiz hat sich die Religionsgemeinschaft der Muslime in den letzten 30 Jahren kontinuierlich zu der stärksten nichtchristlichen Religionsgemeinschaft entwickelt. Folglich möchten die heute rund 300.000 Muslime in der Schweiz neue Moscheen bauen und dazu gehören auch islamische Symbole und Bauten wie Minarette. Nicht alle Schweizer sind damit einverstanden. Seit Frühling 2007 haben nämlich Politiker der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der christlich orientierten Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) Unterschriften für eine Anti-Minarett-Initiative gesammelt. Dieses politische Vorhaben hat verschiedene Reaktionen im In- und Ausland ausgelöst und die Frage in den Raum gestellt, ob den Schweizer eigentlich Angst vor dem Islam haben. Dazu meint der Religionswissenschaftler und Professor an der Schweizer Universität Fribourg, Oliver Krueger:

„Ich denke, es ist unsinnig anzunehmen, dass die Schweizer insgesamt als islamophob gelten könnten. Nach meinen Erfahrungen sind die Schweizer – jedenfalls die meisten Schweizer – sehr weltoffen, sehr tolerant und auch neugierig auf die Welt um sie herum. Aufgrund der sehr speziellen Religionsgeschichte – das Land war ja eines der wenigen Länder, das immer sehr heterogen und gemischtkonfessionell war – ist die Schweiz eigentlich das vorurteilsfreiste Land schlechthin, was die Geschichte der Toleranz aufweisen kann.“

Die religiös-kultischen Bedürfnisse der Muslime in der Schweiz waren noch vor wenigen Jahrzehnten, sofern sie vorhanden waren, auf ein Minimum reduziert. Aus diesem Grund wurden bereits in den 1970er Jahren in den Privatwohnungen oder leer stehenden Garagen einfache Räume eingerichtet zwecks Verrichtung gemeinsamer Gebete. Diese Situation änderte sich, als immer mehr Muslime im Alpenland von einem vorübergehenden Arbeitsaufenthalt zu einem Daueraufenthalt wechselten.

„Schon vor über 40 Jahren – also 1966 – wurde in Zürich von der Ahmadiyya-Gemeinschaft die Mahmoud-Moschee gebaut. Damals hatte der Bau ein 18-Meter hohes Minarett. Zur Eröffnung kam der Stadtpräsident und betonte damals, dass dieser Moscheebau mit dem Minarett ein Zeichen der Internationalität der Weltoffenheit der Weltstadt Zürich sei. Ähnliches wiederholte sich dann 12 Jahre später als in Genf eine weitere Moschee gebaut wurde. Dort gab es sogar eine über 22 Meter hohes Minarett.“

Der Sekretär der bischöflichen Arbeitsgruppe „Islam“, Erwin Tanner, bedauert, dass die Anti-Minarett-Initiative zustande gekommen sei. Auch das Selbstverständnis der Christen sei in dieser Frage tangiert, so Tanner.

„Entscheidend ist nämlich die Klärung der Frage, wie stark die christlichen Kirchen dem Islam in Glaubensfragen Paroli bieten können. Es geht um die Fragestellung, inwiefern das Christentum ihr Wertesystem an die Leute anbieten kann und den Menschen plausibel machen kann, dass man mit den christlichen Werten, die aktuellen Lebensfragen bewältigen kann und jegliche Alltagsprobleme damit lösen kann.“

Um ein friedliches Zusammenleben verschiedener Glaubensgemeinschaften zu ermöglichen, müsse europaweit daran gearbeitet werden, so Erwin Tanner, Sekretär der Arbeitsgruppe „Islam“ der Schweizer Bischofskonferenz.

„Eine friedliche Koexistenz unter den Religionen ist meines Erachtens nur dann möglich, wenn verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind. Einerseits müssen die Angehörigen aufeinander zukommen, d.h. sie müssen einander in ihrer Eigenart respektieren. Zweitens müssen sie versuchen, auch den Anderen zu akzeptieren und bereit sein, auf das Gute im Anderen zu reagieren und allenfalls für sich ebenfalls zu gewinnen. Denn es ist eine christliche bzw. sogar katholische Lehre, dass sich auch in anderen Religionen Wahrheiten befinden können, die wir dann für uns wiederum fruchtbar machen können, um unsere eigene Entwicklung des Glaubens zu fördern.“

In dieser Hinsicht ist es aufschlussreich, dass die überwiegende Zahl muslimischer Migranten in der Schweiz aus dem europäischen Raum stammt. Dazu der Religionswissenschaftler Oliver Krueger:

„Zum anderen muss man auch berücksichtigen, dass Europa niemals ein einheitlicher christlicher Korpus war. Wir haben ja auch jetzt – und in der Geschichte sowieso – Staaten in Europa, die viel stärker islamisch geprägt sind. Dazu zählen Länder in Südosteuropa wie Bosnien-Herzegowina, Albanien usw. oder in der Geschichte war ja Spanien beispielsweise jahrhundertelang islamisch geprägt.“

(rv 01.08.2008 mg)







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