2008-07-27 10:11:21

Italien: Flüchtlings-„Notstand“. Mahnungen aus dem Vatikan


RealAudioMP3 „Stato di emergenza“ – Notstand. Mit dieser drastischen Maßnahme reagiert die neue italienische Regierung unter Silvio Berlusconi auf steigende Zahlen bei illegalen Einwanderern. Obwohl sie in diesen Tagen durchgesetzt hat, dass illegale Einwanderung künftig als Straftatsbestand gilt, hat sich die Zahl von Bootsflüchtlingen, die Italiens Küsten erreichen, verdoppelt. Jedenfalls, wenn man das erste Halbjahr 2008 mit dem ersten Halbjahr 2007 vergleicht. Insgesamt erreichten in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres mehr als 10.000 Bootsflüchtlinge Italien. Der landesweite Notstand soll u.a. dazu beitragen, dass neue Aufnahme-Zentren für Flüchtlinge errichtet werden.

Kritik kommt vor allem aus der Opposition, von der linken „Demokratischen Partei“. Sie warnt vor einem „Polizeistaat“. Im Ton verhaltener ist ein Statement des Päpstlichen Migrantenrats: Sein Sekretär, Erzbischof Agostino Marchetto, mahnt ein „Gleichgewicht zwischen Aufnahme und Sicherheit“ an. Der Begriff „Notstand“ sei „an sich nicht negativ“; wichtig sei allerdings, dass die internationalen Regeln für den Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern eingehalten werden. Der Vatikan fordere „Respekt der Menschenrechte aller Migranten und ihrer Familienmitglieder“ – ausdrücklich auch für Roma und Sinti sowie die Opfer von Menschenhandel.

In den letzten Monaten hatte der Umgang mit den in Italien lebenden Roma die heftige Ausländer- und Sicherheits-Debatte im Land bestimmt. Viele Roma leben in slum-ähnlichen Barackenvierteln an der Peripherie von Großstädten; die Regierung Berlusconi hat angekündigt, eine Art Volkszählung unter den Roma vorzunehmen. Der Plan wurde von der engagierten katholischen Bewegung „Sant`Egidio“ zunächst heftig kritisiert – doch nun schwenkt „Sant`Egidio“ überraschend auf die Regierungslinie ein. Ihr Leiter Marco Impagliazzo sagte uns:

„Unserer Gemeinschaft gefallen die Richtlinien, die das Innenministerium für diese Zählung in den Roma-Lagern aufgestellt hat. Da ist nichts mehr von dem zu finden, was vorher auch im Parlament zu hören war: über das Abnehmen der Fingerabdrücke bei Minderjährigen oder ähnliche Maßnahmen. Die Richtlinien entsprechen den italienischen und europäischen Normen, und wir sind zufrieden, dass man diesen Zensus auf eine andere Grundlage gestellt hat als angekündigt.”

Die Maßnahme könne den Roma sogar zu mehr menschlichen und sozialen Rechten verhelfen, so „Sant`Egidio” – sie würden „endlich einmal behandelt wie andere Bürger auch“. Die Kirche will am Thema Einwanderer und an anderen Themen, die ihr gesellschaftlich auf den Nägeln brennen, „dranbleiben“ – dem dient wohl auch der geplante Papstbesuch beim italienischen Präsidenten Giorgio Napolitano am kommenden 4. Oktober. Dieser Tag ist, wie Professor Agostino Giovagnoli von der römischen „Katholischen Universität“ erklärt, nämlich nicht nur Tag des hl. Franziskus, sondern auch 60. Geburtstag der italienischen Verfassung:

„Die Katholiken hatten eine wichtige Rolle beim Entwurf der Verfassung, und sie haben danach ihre Werte beim Aufbau des Staatswesens deutlich mit eingebracht. Heute allerdings besteht das Risiko, dass wir diesen Sinn für das Zusammenspiel von Katholiken und anderen säkularen Kräften verlieren.“

(rv 27.07.2008 sk)








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