2008-07-27 10:11:56

40 Jahre „Humanae Vitae“


RealAudioMP3 Eher offensiv erinnert die Kirchenführung in diesen Tagen an ein heikles Jubiläum: Vor vierzig Jahren wurde „Humanae Vitae“ veröffentlicht, die Enzyklika zum Thema Familienplanung, die dem damaligen Papst Paul VI. viel Häme und Widerspruch eintrug. In dem Text bekräftigte der Papst die kirchliche Tradition im Bereich Ehe und Familie und wandte sich gegen künstliche Verhütungsmittel. Maria Luisa Di Pietro unterrichtet Bioethik an Roms Katholischer Universität; sie sagt:

„Paul VI. hat in diesem Text vor dem Risiko einer tiefgehenden Banalisierung der Sexualität gewarnt. Gerade was diesen Punkt betrifft, ist seine Enzyklika heute sehr aktuell... Die schärfsten Angriffe richteten sich u.a. auf die Umsetzbarkeit der Lehre von „Humanae Vitae“; noch heute denken viele, das sei gar nicht machbar... Paul VI. hat die Aufmerksamkeit neu auf die Begriffe Körperlichkeit, Sexualität, Zusammenleben und verantwortliche Elternschaft gelenkt. Er sieht die Person als Ganzheit, im Respekt vor dem Paar und vor der Frau. Das ist eine Botschaft voller Hoffnung – ein großes Erbe, das er uns hinterlassen hat.“

„Authentisches Zeichen des Widerspruchs“ – so hat die Vatikanzeitung „L`Osservatore Romano“ die Enzyklika vor zwei Tagen in einem Leitartikel genannt. Ihr Direktor Giovanni Maria Vian bekräftigt, die Kirche habe ein Recht, sich beim Thema Sexualität zu Wort zu melden:

„Paul VI. selbst hat zwei Tage nach Veröffentlichung der Enzyklika auf diesen Einwand geantwortet. Die Kirche äußert sich nach seinen Worten „als Expertin in Sachen Humanität“. Natürlich richtet sich die Enzyklika zunächst einmal an die Katholiken – aber sie wertet die Ehe als natürliches Gut und spricht damit eine allgemeine Wahrheit über den Menschen aus.“

Außerhalb des Vatikans sind in den letzten vierzigen Jahren die kritischen Stimmen nicht verstummt, die dem Lehrschreiben vorwerfen, lebensfremd zu sein und den Eheleuten unnötige Vorschriften für ihr Sexualleben zu machen. Auch innerhalb der katholischen Kirche sind diese Klagen nicht verstummt, bestätigt der Tübinger Moraltheologe Dietmar Mieth:

„Es ist wohl mehr so, dass es bei der Frage der künstlichen Verhütung eben um ein Begründungsdefizit geht, das eben auch dazu geführt hat, dass diese Norm in der Kirche nicht so rezipiert worden ist, wie man das in der Kirche wohl erwartet hat. Das Begründungsdefizit lag erst einmal darin, dass man sich auf die naturrechtliche Basis begeben hat und den Zweck der ehelichen Vereinigung über die Nachkommenschaft über den Sinn der Liebe gestellt hat, was im Prinzip in der Enzyklika Humanae Vitae umgekehrt anvisiert ist.“
Humanae Vitae unterscheide zwischen dem Sinn der Liebe und dem Zweck von Fruchtbarkeit, so Mieth. Das habe ja erst ermöglicht, dass es so etwas wie eine Zeitplanung in der Empfängnisregelung gibt. Das Problem ist nach Meinung des Moraltheologen:

„Dass man das nicht durchgeführt hat mit Blick auf die künstlichen Mittel, das ist naturrechtlich schwach begründet, sagen die Moraltheologen. Und die Begründung, die in Familiaris Consortio 1981 nachgeschoben worden ist unter Johannes Paul II., nämlich dass man auch die Potenzialität, Vater und Mutter zu werden anerkennen müsse im ehelichen Akt, scheint relativ weit hergeholt zu sein. Es gibt da einen Begründungsdefizit, und ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der Papst das auch einsieht und etwas vorsichtig damit umgeht, und dass er auch sieht, dass weltweit in der katholischen Kirche diese Norm der Enpfängnisregelung nicht rezipiert worden ist. Und die Rezeption gehört eigentlich dazu, dass eine Norm nicht nur gültig ausgesprochen worden ist, sondern auch in Geltung ist.“

Positiv ist nach Meinung von Mieth zu bewerten, dass die Enzyklika manche Entwicklung in der Reproduktionsmedizin gleichsam „prophetisch“ vorhergesehen habe – Stichwort In-Vitro-Fertilisation, Klonen und andere Biotechnologien. Aber ob das letzte Wort in der Frage der künstlichen Verhütung gesprochen ist, zieht Mieth in Zweifel.

„Ich denke ein anderer Weg wäre sicherlich, das Thema noch einmal tiefer zu behandeln und dabei nicht nur diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die diese Norm bestätigen, sondern dass man auch eine freiere Form findet, mit der man einen Diskurs in der Kirche zustande bringt, der vielleicht eine Lösung anvisieren kann.“

(rv 27.07.2008 sk/mc)







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