2008-07-26 07:17:05

Betrachtung zum Sonntagsevangelium am 27. Juli 2008 (17. Sonntag im Jahreskreis)
Von Andrea Kober-Weikmann, Würzburg


RealAudioMP3 Es gibt Worte, die üben auch heute noch einen ganz besonderen Zauber aus. Im Evangelium dieses 17. Sonntags im Jahreskreis begegnen uns zwei: Da ist von einem verborgenen Schatz die Rede und von kostbaren Perlen. Begriffe, die im Rahmen des Neuen Testaments nicht so oft auftauchen und die man vermutlich auch sonst nicht sofort mit der frohen Botschaft oder dem Glauben in Verbindung bringt. Für Jesus sind das aber genau die Vergleiche, mit denen er seinen Zuhörern klar machen will, welche Bedeutung das Himmelreich, die Königsherrschaft Gottes für die Menschen hat...

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Und wie es scheint, trifft er damit auch bei heutigen Menschen einen Nerv: Ein verborgener Schatz - da fallen mir unwillkürlich die glänzenden Augen meiner kleinen Nichte ein, wie sie buchstäblich mit angehaltenem Atem und offenem Mund zuhört, wenn man ihr Geschichten erzählt, in denen es um verborgene Schätze geht. Die jüngsten Erfolge von Romanen und Filmen, die sich dieser Themen bedienen, sprechen für sich und zeigen, dass der Stoff durchaus auch bei Jugendlichen und Erwachsenen seinen Reiz nicht verloren hat. Ganz zu schweigen von der ungebrochenen Faszination, die von Schmuck im allgemeinen und Perlen im Besonderen ausgeht. [Da unterscheiden sich die Gesichter Erwachsener beim Schaufensterbummel bisweilen kaum von denen kleiner Kinder, wenn sie ein besonders begehrtes Spielzeug sehen.] Und das beschränkt sich keineswegs allein auf Frauen, sondern so mancher an sich nüchterne Zeitgenosse gerät geradezu ins Schwärmen, wenn das Gespräch auf Uhren, die Zahl ihrer Steine und Komplikationen kommt.
Genau diese Begeisterung reklamiert Jesus für das kommende Gottesreich, das die Menschen so in seinen Bann schlägt, dass sie alles dafür geben. Der Mann, der den verborgenen Schatz findet, hat nichts weiter im Kopf als den Acker, in dem er vergraben liegt, zu erwerben. Er verkauft dafür alles, was er hat. Klar, das würden wir genauso machen. Ein solcher Fund ist eine einmalige Gelegenheit, die lässt man sich nicht entgehen.
Die unwiderstehliche Wirkung, die das Himmelreich auf die Menschen im Gleichnis hat, erfährt in der zweiten Erzählung noch eine besondere Steigerung. Das ist nicht irgend ein Perlenhändler, sondern der Kaufmann, von dem hier die Rede ist, scheint ein echter Spezialist zu sein und ein absoluter Liebhaber. Vermutlich hat er schon eine Sammlung erlesener Exemplare, denn er sucht nur ganz besonders schöne Perlen. Aber für die eine, die er schließlich findet, gibt er seine ganze Kollektion her. Das ist Leidenschaft pur.
Um die Kostbarkeit und Bedeutung des Himmelreichs für die Menschen unmissverständlich klar zu machen, hätte Jesus wohl kaum bessere Vergleiche nennen können.
Aber wie sieht es mit der Reaktion der Menschen aus? Wo erleben wir diese Begeisterung, die buchstäblich jede Faser erfasst hat? Was fasziniert so sehr und erscheint uns so attraktiv, dass unser ganzes Sinnen und Trachten allein darauf ausgerichtet ist? Wenn ich an die Gesichter beim Vater unser denke, in dem wir immer auch um das Kommen des Himmelreiches bitten, fällt es mir zumindest schwer, hinter den bewegungslosen Minen ein solches Feuer zu vermuten. In anderen Lebenszusammenhängen trifft man das eher. Es gibt immer wieder Frauen und Männer, die im guten Sinn in ihrem Beruf aufgehen und sich weit über das erforderliche Maß hinaus engagieren, weil sie von ihrem Tun überzeugt sind.
Es mag auch Sammler geben, so ähnlich wie im Beispiel des Gleichnisses von der Perle; Menschen, die sich im Laufe der Jahre nicht nur eine ansehnliche Sammlung, sondern auch ein exzellentes Fachwissen erworben haben.
Und was echte Leidenschaft betrifft, kann man vor allem an jugendlichen Fans beobachten, die bisweilen mit einer schier unglaublichen Bewunderung für alle möglichen Stars bis hin zur totalen Identifikation mit ihnen überraschen.
Aber wo findet sich eine solche Begeisterung für das Reich Gottes? Die Gleichniserzählungen und die ganze Verkündigung Jesu lassen keinen Zweifel daran, dass es nichts Wichtigeres geben kann und dass Jesus unsere Begeisterung für dieses kommende Reich wecken möchte. Deshalb ruft er die Menschen immer wieder dazu auf, umzukehren, wie es in der Bibel heißt, und sich auf das Himmelreich einzustellen. Diese Umkehr kann sogar soweit gehen, dass Menschen ihr bisher gewohntes Leben aufgeben und sich völlig neu orientieren. Und das hat seinen Grund, denn wenn dieses Reich erst einmal in seiner ganzen Fülle da sein wird, dann wird diese Welt komplett neu und anders sein. Vor allem das menschliche Miteinander wird sich in dieser neuen Zeit grundlegend verändern. Ausbeutung und Unterdrückung in all ihren Spielarten werden genauso wenig zu diesem ganz anderen Zeitalter passen, wie Selbstgenügsamkeit und phantasieloses Aufgehen in den alltäglichen Geschäften und Geschäftigkeiten.
Wie wir in vielen Erzählungen der Heiligen Schrift nachlesen können, haben das manche sehr gut verstanden. Zumindest wird recht eindrucksvoll erzählt, wie etwa die Jünger alles stehen und liegen ließen und sich Jesus angeschlossen haben oder wie reiche Zöllner in Anbetracht der Botschaft vom nahegekommenen Himmelreich eine völlige Kehrtwendung vollzogen haben und plötzlich die soziale Verantwortung erkannten, zu der sie auf Grund ihrer Position und ihres Reichtums verpflichtet waren. Reich Gottes, das sehen wir an diesen wenigen Beispielen, hat etwas Grundsätzliches und radikal anderes. Es gibt dieses Reich nicht in der Light-Version, so ein bisschen an Sonn- und Feiertagen, sondern es betrifft und fordert den ganzen Menschen und seine gesamte Existenz.
Seit ein paar Jahren ist es fast Mode geworden, vom Verfall der Werte in unserer Gesellschaft zu sprechen und davon wie schwer es heutzutage ist, Kinder so zu erziehen, dass sie über das persönliche Fortkommen und auf rein Materielles beschränkte Interessen hinaus, Feingefühl, Herz und Gemeinsinn entwickeln, Verantwortung wahrnehmen und sich verpflichten lassen. Solcher Sinn für höhere Werte lässt sich allerdings wirklich umso schwerer wecken und fördern, als die herrschenden Verhältnisse diesen Ansprüchen eben anscheinend längst nicht mehr in überzeugender Weise gerecht werden können. Jugendliche haben ein feines Gespür für Wahrhaftigkeit. Fragt man sie nämlich, warum sie mitunter so wenig Respekt vor klassischen Autoritäten zeigen, dann bekommt man unverhohlen zur Antwort, dass es dafür keinen Grund gebe, denn die Erwachsenen, die eigentlich Vorbilder sein müssten, hielten sich selbst nicht an die Regeln, Gesetze oder auch Gebote, die sie predigten. Sobald man das Verhalten genauer unter die Lupe nehme, sei der Lack ziemlich schnell ab: Doppelmoral, rücksichtsloses Wirtschaften in die eigene Tasche, Verantwortungslosigkeit gegenüber den Schwachen in allen Gesellschaften, Ignoranz, was die langfristigen Folgen aktueller wirtschaftlicher oder auch politischer Entscheidungen angeht, egal, wo man hinleuchtet, im kleinen und großen Stil, überall Tricks und Winkelzüge, um sich möglichst billig Durchzulavieren und für sich das Beste und Bequemste herauszuholen. Solche Aufzählungen, die zum Teil sehr konkret werden und auch vor dem Verhalten der eigenen Eltern nicht halt machen, sind mehr als beschämend und müssen uns erst recht im Blick auf die Umkehrbotschaft Jesu sehr nachdenklich stimmen.
Noch einmal zurück zu den Bilder der beiden Gleichnisse: Es geht nicht um irgendetwas, was eventuell wichtig sein könnte und darum unsere Beachtung finden sollte, sondern es geht um das Wichtigste überhaupt. Das Matthäusevangelium lässt keinen Zweifel aufkommen, dass es für keinen Menschen etwas geben könnte, was für sein Leben und den Sinn seines Daseins größere Bedeutung haben könnte als Gott und sein Reich. Und deshalb gibt es keine Alternative, als für dieses Reich Gottes alles zu tun, was irgend möglich ist.
Um der Botschaft dieser beiden Gleichniserzählungen für uns wirklich gerecht zu werden, müssen wir im Grunde noch ein Stück vorher ansetzen, denn die Reaktion auf den Schatz und die schöne Perle, ist ja bereits die Konsequenz eines vorausgehenden Geschehens, das sich im Menschen abspielt. Das Finden löst das Verhalten aus. Ganz konkret: Die einmalige Chance, was den unverhofften Schatzfund angeht, macht uns klar, dass es hier um eine sehr ernsthafte Frage geht, die wir uns nur selbst beantworten können. Das Reich Gottes ist wie ein unverhoffter Schatzfund, eine einmalige Gelegenheit, greifen wir zu?
Auch der Glücksgriff des Perlensammlers, mit einem Prachtexemplar, das alles übertrifft, was er bisher gesehen hat, ist eine Chance, die sich nur einmal bietet. Der Kaufmann im Gleichnis geht aufs Ganze – und wir?
Um die Antwort kommen wir nicht herum. Wir müssen uns entscheiden, das machen uns die beiden Gleichnisse klar.
Vielleicht hilft es ja, wenn wir uns den Händler aus dem zweiten Gleichnis zum Vorbild nehmen. Seine Suche nach ausgewählten Perlen, scheint gut mit unserem Suchen und der Sehnsucht nach einem gelingenden Leben vergleichbar zu sein. Der Mann im Gleichnis ist voller Leidenschaft für schöne Perlen
Was ist meine Leidenschaft? Wofür brenne ich?
Was ersehne ich überhaupt vom Leben und was ist mir diese Sehnsucht wert?
Fragen, die wir uns immer wieder einmal stellen sollten. Es lohnt sich bestimmt. Und wenn uns die Antworten gar zu schnell über die Lippen kommen wollen, dann sollten wir kritisch sein und genau nachfragen: Was heißt das denn konkret? Was ist es denn wirklich, was mich letztlich treibt, begeistert, am Leben hält und erfüllt?
Und natürlich kommen wir dabei auch nicht an der Frage vorbei, welche Rolle Gott bei all dem spielt. Ob er überhaupt in unseren Plänen auftaucht und was wir uns von ihm erhoffen.
Sein Angebot an uns ist sehr eindeutig: Eine einmalige Chance, eine kostbare Perle, ein Schatz.
Es liegt an uns, bereit zu sein und entschlossen zuzugreifen.
(rv 26.07.2008 mc)








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