Vor 40 Jahren veröffentliche
Papst Paul VI. seine letzte und bis heute bekannteste Enzyklika: „Humanae Vitae“.
Mit ihr legte die Katholische Kirche zum ersten Mal ihr „Nein“ zur künstlichen Empfängnisregelung
fest. Das Schreiben löste einerseits Unverständnis aus, selbst innerhalb der Kirche.
Viele sehen in „Humanae Vitae“ aber auch einen prophetischen Text, ein Bollwerk, mit
dem sich der Papst gegen die Verdinglichung der menschlichen Sexualität und ihre Umdeutung
zum reinen Trieb-Befriedigungsmittel stemmte. 40 Jahre nach der Veröffentlichung
von „Humanae Vitae“ zeigt sich aus der Sicht vieler Beobachter: Mit seinem Pessimismus
hatte Paul VI. recht. Sein Nachfolger Benedikt XVI. findet deshalb, dass die Inhalte
des Lehrschreibens heute wichtiger denn je sind. „Im Gegenteil, gerade im Licht
neuer wissenschaftlicher Entdeckungen ist ihre Lehre aktueller denn je und provoziert
eine Reflexion über die ihr innewohnenden Werte. Das Schlüsselwort, um angemessen
ihre Inhalte zu verstehen, bleibt die Liebe. In einer Kultur, in der das Haben über
das Sein dominiert, droht das menschliche Leben seinen Wert zu verlieren. Wenn die
Ausübung der Sexualität sich in eine Droge verwandelt, die den Partner den eigenen
Sehnsüchten und Interessen unterwirft, ohne die Zeiten der geliebten Person zu respektieren,
dann geht es nicht mehr nur darum, das wahre Verständnis von Liebe zu verteidigen,
sondern zuallererst um die Würde der Person überhaupt. Als Gläubige können wir niemals
zulassen, dass die Vorherrschaft der Technologie den Wert der Liebe und die Heiligkeit
des Lebens zerstört.“ Das sagte Benedikt im Mai diesen Jahres vor Teilnehmern
einer vatikanischen Tagung über „Humanae Vitae“. Das Dokument, vom Papst unterzeichnet
am 25. Juli 1968, sollte so etwas sein wie die theologische Antwort auf die Pille.
Seit acht Jahren war die hormonelle Verhütung damals verfügbar. In der Zwischenzeit
war sie zum Symbol der so genannten „sexuellen Befreiung“ geworden. Ihre möglichen
medizinischen Nebenwirkungen und ihre soziologischen Auswirkungen auf Verhaltensweisen
ganzer Generationen waren damals noch nicht bekannt. Viele Paare empfanden die Pille,
also eine unaufwendige und sichere Form der Verhütung, einfach als großen Fortschritt.
In dieser Lage wollte Paul VI. die Auffassung der Kirche über die menschliche
Fortpflanzung darlegen. Eine Kommission aus Bischöfen und Moraltheologen hatte Vorschläge
unterbreitet, wie der Vatikan die neuen pharmazeutischen Möglichkeiten unter ethischen
Gesichtspunkten bewerten könnte. Heute überraschend: die Mehrheit der päpstlichen
Ratgeber sprach sich GEGEN ein ausdrückliches Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung
aus. Paul VI. entschied anders. Mit seiner Enzyklika legte er fest, dass die Kirche
die Entscheidung von Eltern ernst nimmt, „aus guten Gründen auf weitere Kinder zu
verzichten“ - Stichwort „verantwortungsbewusste Elternschaft“. Doch dafür sei nicht
der Gebrauch von Verhütungsmitteln zulässig, sondern allein die natürliche Empfängnisregelung.
Im Hintergrund dieser Differenzierung steht die christliche Auffassung von ganzheitlicher
Liebe. Papst Benedikt XVI. im Mai 2008: „Vierzig Jahre nach der Veröffentlichung
der Enzyklika ist nicht nur ihr Lehrinhalt unverändert wahr, es zeigt sich auch die
Weitsicht, mit der das Problem behandelt worden ist. Die eheliche Liebe wird nämlich
als ein ganzheitlicher Prozess beschrieben und bleibt nicht bei einer Trennung von
Leib und Seele stehen; auch ist diese Liebe nicht allein Gefühlen unterworfen, die
oft flüchtig und fragwürdig sind, sondern sie nimmt die Einheit der Person ernst und
die Tatsache, dass die Eheleute alles miteinander teilen, wenn sie sich gegenseitig
schenken im Versprechen einer treuen und exklusiven Liebe, die Frucht einer wirklich
freien Wahl ist. Das werdende Leben ist immer eine unschätzbare Gabe – Immer wenn
wir sein Entstehen erleben, sehen wir die schöpferische Kraft Gottes am Werk, der
dem Mensch vertraut und der ihn so dazu beruft, die Zukunft mitzugestalten in der
Kraft der Hoffnung.“ Dass das Nein der Kirche zur Pille und zu jeder anderen
künstlichen Form der Empfängnisverhütung bei den Katholiken auf der ganzen Welt heute
schwere Akzeptanzprobleme hat, stellen Soziologen und auch katholische Moraltheologen
umstandslos fest. Vereinzelt sei zwar eine Rückkehr zur vorehelichen Enthaltsamkeit
und zur natürlichen Familienplanung beobachtbar, doch im Allgemeinen sei die Distanz
zur kirchlichen Sexualethik in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen, sagt etwa der
Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff. Gerade Jugendliche sehen Sexualität
heute als Privatsache, in der kirchliche Verbote keinen Raum hätten. Welche Antwort
gibt Papst Benedikt XVI.? Dass persönliche Verantwortung zu einer demokratischen Gesellschaft
gehört, etwa. „Ich hoffe wirklich sehr, dass man sich ganz besonders der Jugendlichen
annimmt, damit sie den wahren Sinn der Liebe lernen und sich durch eine angemessene
Erziehung auf die Sexualität vorbereiten, ohne sich von flüchtigen Botschaften abbringen
zu lassen, die das Erreichen des Wesens der Wahrheit behindern, um die es hier geht.
Sich falsche Vorstellungen über die Liebe zu machen oder sich Illusionen hinzugeben,
was die ursprüngliche Verantwortung angeht, die wahrzunehmen man aufgerufen ist, wenn
man seine Sexualität ausübt, gereicht einer Gesellschaft nicht zu Ehre, die für sich
die Prinzipien von Freiheit und Demokratie in Anspruch nimmt. Die Freiheit muss sich
mit der Wahrheit verbinden und die Verantwortung mit der Kraft zur Hingabe an den
anderen, die auch Opfer einschließt; ohne diese Elemente kann die Gemeinschaft der
Menschen nicht wachsen, und ständig lauert die Gefahr, sich in einem Zirkel erstickenden
Egoismus’ einzuschließen.“ (rv/kipa 24.07.2008 gs)