Bosnien-Herzegowina: Nach Karadzic-Festnahme – Kirche fordert Aufarbeitung der Vergangenheit
Nach fast 13 Jahren
auf der Flucht ist der Serbenführer Radovan Karadzic in Belgrad verhaftet worden.
Dem 63-Jährigen werden vom UNO-Kriegsverbrechertribunal „Völkermord und Verbrechen
gegen die Menschlichkeit“ vorgeworfen. Die Bischöfe Bosnien-Herzegowinas haben die
Festnahme Karadzics begrüßt und fordern nun eine Aufarbeitung der Kriegsauseinandersetzungen
in den 90er Jahren. Nach Ansicht des Generalsekretärs der bosnischen Bischofskonferenz,
Ivo Tomasevic, war Karadzic eine Symbolfigur.
„Für uns bosnischen Katholiken
ist er trotz allem auch eine Person, für dessen Seelenheil man beten sollte. Doch
in den vergangenen Jahren wurde er zu einem Symbol des Krieges hochstilisiert. Er
ist ein Sinnbild für die Verbrechen und Ungerechtigkeiten in Bosnien-Herzegowina.
Auch die katholische Kirche hat viel gelitten sowie andere Religionsgemeinschaften
hier. Wir sollten diese Gelegenheit nutzen, um die Wahrheit auszusprechen. Denn die
Wahrheit ist: In Bosnien-Herzegowina herrscht durch die Verträge von Dayton ein ungerechter
Friede. Das Land ist zweigeteilt. Die Infrastrukturen funktionieren nicht. Es herrscht
noch Ungerechtigkeit und das ist nicht gut.“
Nun breche eine „neue Zeit“
für sein Land an, so Tomasevic weiter.
„Die katholische Kirche hat eine
wichtige Rolle im Friedensprozess. Das galt schon vor, während und nach dem Krieg.
Die Festnahme Karadzics bietet eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, welche
Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden. Vor allem müssen auch die Fehler bei den
Friedensverträgen 1995 angeschaut werden, damit Verbesserungen vorgenommen werden
können. Ziel sollte ein gerechter Friede für alle sein – ob katholisch oder Mitglied
einer anderen Religionsgemeinschaft – damit wir mit voller Hoffnung in die Zukunft
blicken können.“
Karadzic war seit Mitte der 90er Jahre auf der Flucht.
1996 war er zum letzten Mal in Bosnien gesehen worden. Nach Darstellung des UNO-Tribunals
war er – wie auch sein Militärkommandant Ratko Mladic – von Helfershelfern in der
serbischen Armee, Politik und im Geheimdienst gedeckt worden. Die USA hatten 1998
eine Belohnung von fünf Millionen US-Dollar für die Ergreifung des meistgesuchten
Serben ausgesetzt. Die in diesem Jahr gestürzte Regierung des nationalkonservativen
Vojislav Kostunica soll nach Mutmaßungen des UNO-Tribunals die Verhaftung von Karadzic
verhindert haben. Karadzic wird von großen Teilen der serbischen Bevölkerung immer
noch als Volksheld angesehen.