Vor einem Jahr erlaubte
Papst Benedikt XVI. mit einem Motu Proprio den großzügigeren Gebrauch des alten Usus
der römischen Liturgie in den Diözesen der Weltkirche. In den Ländern deutscher Sprache
ist seither die Nachfrage nach der alten Messe insgesamt kaum gestiegen, ergab eine
Nachforschung der Katholischen Nachrichtenagentur. Dagegen melden interessierte Gruppen
immer neue Orte, an denen die Messe in der „außerordentlichen Form“ des Ritus gefeiert
werde.
Die Deutsche Bischofskonferenz führt nach eigenen Angaben keine Statistik
zu diesem Thema. Dagegen stellen die Gruppen „Pro Sancta Ecclesia“ und „Pro Missa
Tridentina“ Listen mit allen Kirchen ins Internet, in denen Messen im alten Ritus
zelebriert werden. Für Deutschland kommen sie auf 125 Kirchen in 106 Städten; im Jahr
2006 hatten sie 36 Orte angegeben, an denen die alte Messe mit Einverständnis des
jeweiligen Ortsbischofs gefeiert werden durfte. Hinzu kommen unverändert rund 50 Niederlassungen
der schismatischen „Priesterbruderschaft St. Pius X.“. In Österreich sind 15 Städte
aufgelistet, in der Schweiz 25. In beiden Ländern heißt es, sei diese Zahl relativ
stabil.
Betrachtet man die Zahlen in Deutschland, kommt man je nach Perspektive
auf ein deutliches prozentuales Wachstum (bezogen auf die kleinere Ausgangszahl) oder
auf eine kaum wahrnehmbare Veränderung (bezogen auf die Gesamtzahl der katholischen
Gemeinden und Gottesdienstorte). Bischof Gebhard Fürst von Rottenburg-Stuttgart sprach
im KNA-Interview von „Einzelpersonen oder kleinen Gruppen“, die auf die Wiedereinführung
von Messen in der alten Form drängten. Diese fielen jedoch zahlenmäßig nicht so ins
Gewicht, dass Konsequenzen gezogen werden müssten. Von Konflikten in den Gemeinden
im Zusammenhang mit dem Motu Proprio sei ihm nichts bekannt. Auch der Bonner Liturgiewissenschaftler
Albert Gerhards betont, dass ihm von „direkten Spaltungen“ nichts bekannt sei; allerdings
sei es wohl in einzelnen Gemeinden zu Auseinandersetzungen gekommen und man habe versucht,
einzelne Pfarrer unter Druck zu setzen.
Als positive Folge des Motu Proprio
nennt Gerhards die Zunahme lateinischer Hochämter in der nachkonziliaren Form des
Ritus, vor allem in zentralen Kirchen. In manchen Gemeinden gebe es wohl auch „eine
neue Nachdenklichkeit hinsichtlich ihrer liturgischen Praxis“, in einigen Diözesen
mache man sich Gedanken über die Intensivierung der liturgischen Bildung. Allerdings
macht Gerhards auch eine „sich anbahnende Klimaänderung“ aus. Dazu gehöre, dass Errungenschaften
der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils - wie die Zelebrationsrichtung
zur Gemeinde hin, die muttersprachliche Liturgie, die Handkommunion oder Messdienerinnen
- zunehmend als “Verflachung des eigentlich Katholischen“ dargestellt würden.
Den
größten Konflikt löste die von Papst Benedikt XVI. neu formulierte Fürbitte für die
Juden in der alten Karfreitagsliturgie aus - ungeachtet der Tatsache, dass diese ohnehin
nur für wenige Konvente gilt. In Deutschland hat sich die Diskussion nach dem Katholikentag
in Osnabrück zwar entspannt, insgesamt ist sie aber noch nicht abgeschlossen. Das
Ziel der Aussöhnung mit den Traditionalisten der von dem französischen Erzbischof
Marcel Lefebvre (1905-91) gegründeten „Priesterbruderschaft St. Pius X.“ ist durch
die päpstliche Initiative noch nicht erreicht worden. Erst vor wenigen Tagen hatte
die Bruderschaft klargestellt, sie werde nicht von ihren Positionen abweichen. (kna
07.07.2008 gs)