2008-07-02 09:05:32

2. Juli: Fest Mariä Heimsuchung


RealAudioMP3 An diesem 2. Juli feiert die Kirche das Fest Mariä Heimsuchung. Es ist keineswegs das größte unter den Festen – und dennoch besonders wertvoll. Zum einen, weil es eines der wenigen Marienfeste ist, die wir mit unseren protestantischen Nachbarn gemeinsam feiern. Zum zweiten, weil es keine große Stunde der Heilsgeschichte feiert, sondern einen eher intimen Moment: Die schwangere Maria besucht ihre gleichfalls schwangere Kusine Elisabeth, um ihr im Haushalt zu helfen. Vor allem aber, weil es der Geburtstag eines der schönsten biblischen Texte ist, nämlich des „Magnificat“.

„Hoch preist meine Seele den Herrn“, sagt Maria zu Elisabeth – was folgt, ist Marias längste Rede in der Bibel überhaupt; die Frau des „Fiat“ kommt an den anderen Stellen nicht über ein, zwei knappe Sätze hinaus. Interessant: Bei näherem Hinsehen ist Marias einzige längere Ansprache im ganzen Neuen Testament aus lauter Bibel-Zitaten zusammengesetzt. „Und so sehen wir, dass Maria sozusagen im Wort Gottes »zu Hause« war, vom Wort Gottes lebte und vom Wort Gottes durchdrungen war“, sagt dazu Papst Benedikt. „In dem Maß, in dem sie mit den Worten Gottes sprach, mit ihnen dachte, waren ihre Gedanken die Gedanken Gottes, waren ihre Worte die Worte Gottes.“ Das „Magnificat“ sei ein heimliches Selbstporträt Mariens, in dem wir sie „so sehen können, wie sie ist“. Und die Formulierung „Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ nehme sogar die Marienverehrung der Zukunft vorweg: „Mit dem Lobpreis Marias hat die Kirche nichts erfunden, was »neben« der Schrift steht, sondern vielmehr jene Prophezeiung erfüllt, die Maria in jenem Augenblick der Gnade ausgesprochen hat.“

Mariä Heimsuchung – ein kleineres Fest mit etwas sperrigem Namen, aber ein sehr liebevoller Moment im Kirchenjahr.

Im folgenden finden Sie ein kleines Dossier mit Überlegungen von Papst Benedikt XVI. zum Magnificat. Zusammengestellt wurde es von Stefan Kempis.

Marias längste Ansprache






























Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn, /
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. / Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
Denn der Mächtige hat Großes an mir getan / und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht / über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: / Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
er stürzt die Mächtigen vom Thron / und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben / und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an / und denkt an sein Erbarmen,
das er unsern Vätern verheißen hat, / Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.


(Lukas 1, 46-55)

Das Magnificat – ein Selbstporträt Mariens

Im Evangelium haben wir das Magnificat gehört, diese großartige Dichtung, die aus dem Munde, ja aus dem Herzen Marias kam und vom Heiligen Geist inspiriert war. In diesem wundervollen Lied spiegelt sich die ganze Seele Marias wider, ihre ganze Persönlichkeit. Wir können sagen, dass dieser Gesang ein Porträt, eine wahre Ikone Marias ist, in der wir sie so sehen können, wie sie ist.

(in Castel Gandolfo, am 15.8.05)

Betrachtungen des Papstes zu einzelnen Versen des Magnificat

 
Meine Seele preist die Größe des Herrn

Dieser großartige Gesang ... beginnt mit dem Wort »Magnificat«: Meine Seele »macht den Herrn groß«, das heißt sie »preist die Größe des Herrn«. Maria möchte, dass der Herr in der Welt, in ihrem Leben groß ist, dass er unter uns allen gegenwärtig ist. Sie hat keine Angst, dass der Herr ein »Konkurrent« in unserem Leben sein könnte, dass er uns durch seine Größe etwas von unserer Freiheit, unserem Lebensraum nehmen könnte. Sie weiß, dass wenn Gott groß ist, auch wir groß sind. Unser Leben wird nicht unterdrückt, sondern es wird erhöht und weitet sich: gerade dann wird es groß im Glanz Gottes.

Die Tatsache, dass unsere Stammeltern das Gegenteil dachten, war der Kern der Erbsünde. Sie fürchteten, dass wenn Gott zu groß wäre, er ihnen etwas von ihrem Leben nehmen würde. Sie dachten, sie müssten Gott zurücksetzen, um Freiraum für sich selbst zu haben. Das war auch die große Versuchung der Moderne, der letzten drei bis vier Jahrhunderte. Immer häufiger hat man gedacht und auch gesagt: »Aber dieser Gott lässt uns nicht unsere Freiheit, mit all seinen Geboten engt er unseren Lebensraum ein. Gott muss also verschwinden; wir wollen autonom sein, unabhängig. Ohne diesen Gott werden wir selbst Götter sein und das tun, was wir wollen.« Dies waren auch die Gedanken des verlorenen Sohnes, der nicht verstanden hat, dass er gerade dadurch, dass er im Haus des Vaters war, »frei« war. Er ging weit weg in fremde Länder und verschleuderte sein Vermögen. Letztendlich sah er ein, dass er – gerade weil er sich vom Vater entfernt hatte – anstatt frei zu werden, ein Sklave geworden war. Er erkannte, dass er nur durch die Rückkehr in das Haus des Vaters wirklich frei sein würde, in der ganzen Schönheit des Lebens. So ist es auch in der Moderne. Zuerst dachten und glaubten wir, wir würden, wenn wir Gott beiseite ließen und autonom würden und nur unseren Ideen, unserem Willen folgten, wirklich frei, weil wir alles tun könnten, was wir wollten, ohne dass uns irgend jemand irgendwelche Befehle geben könne. Aber wo Gott verschwindet, wird der Mensch nicht größer. Im Gegenteil: Er verliert seine göttliche Würde, er verliert den göttlichen Glanz auf seinem Angesicht. Schließlich erweist er sich nur als das Produkt einer blinden Evolution und als solches kann er gebraucht und missbraucht werden. Gerade das hat die Erfahrung dieser unserer Zeit bestätigt.

Nur wenn Gott groß ist, ist auch der Mensch groß. Mit Maria sollen wir beginnen zu verstehen, dass dies so ist. Wir dürfen uns nicht von Gott entfernen, sondern wir müssen Gott gegenwärtig werden lassen. Wir sollen Ihn in unserem Leben groß sein lassen, dann werden auch wir göttlich werden, und all der Glanz der göttlichen Würde wird dann auch uns zuteil. Es ist wichtig, dass Gott unter uns groß ist, im öffentlichen und privaten Leben. Im öffentlichen Leben ist es wichtig, dass Gott zum Beispiel durch das Zeichen des Kreuzes in den öffentlichen Gebäuden gegenwärtig ist und dass er in unserem gemeinschaftlichen Leben gegenwärtig ist, denn nur wenn Gott gegenwärtig ist, haben wir eine Orientierung, einen gemeinsamen Weg. Andernfalls werden die Gegensätze unversöhnlich, weil die Anerkennung einer gemeinsamen Würde fehlt. Lassen wir Gott groß sein im öffentlichen und privaten Leben. Das bedeutet auch, dass wir Gott jeden Tag im persönlichen Leben Raum geben, angefangen beim morgendlichen Gebet, und dass wir Gott Zeit geben, indem wir den Sonntag Gott schenken. Wir verlieren unsere freie Zeit nicht, wenn wir sie Gott schenken. Wenn Gott in unsere Zeit eintritt, wird die ganze Zeit größer, weiter, reicher.

(In Castel Gandolfo, 15.8.05)

Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter

Im Magnifikat … treffen wir auf überraschende Worte. Maria sagt: »Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. « Die Mutter des Herrn prophezeit das für alle Zukunft bestehende Marienlob der Kirche, die Marienverehrung des Gottesvolkes bis an das Ende der Zeiten. Mit dem Lobpreis Marias hat die Kirche nichts erfunden, was »neben« der Schrift steht, sondern vielmehr jene Prophezeiung erfüllt, die Maria in jenem Augenblick der Gnade ausgesprochen hat.

Diese Worte Marias waren nicht nur persönliche, vielleicht eigenmächtige Worte. Wie Lukas berichtet, hatte Elisabeth, vom Heiligen Geist erfüllt, ausgerufen: »Selig ist die, die geglaubt hat«. Und Maria setzt, ebenfalls vom Heiligen Geist erfüllt, die Worte Elisabeths fort und vervollständigt sie, indem sie sagt: »Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.« Das ist eine wahre vom Heiligen Geist inspirierte Prophezeiung, in der Verehrung Marias entspricht die Kirche einem Gebot des Heiligen Geistes und tut, was sie tun muss. Wir loben Gott nicht genug, wenn wir über seine Heiligen schweigen, insbesondere über »die Heilige«, Maria, die seine Wohnung auf Erden geworden ist. Das einfache und facettenreiche Licht Gottes erscheint uns in seiner Vielfalt und in seinem Reichtum allein auf dem Antlitz der Heiligen, die der wahre Spiegel seines Lichtes sind. Und vor allem im Antlitz Marias können wir die Schönheit Gottes, seine Güte und Barmherzigkeit mehr erkennen als auf andere Art und Weise. Auf ihrem Antlitz können wir das göttliche Licht wirklich wahrnehmen.

»Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.« Wir können Maria preisen, sie verehren, weil sie »selig« ist, selig ist für immer. … Sie ist selig, weil sie mit Gott verbunden ist, mit ihm und in ihm lebt. Am Vorabend seines Leidens sagte der Herr, von den Seinen Abschied nehmend: »Ich gehe, um im großen Haus des Vaters einen Platz für euch vorzubereiten. Im Haus des Vaters gibt es viele Wohnungen.« Und indem sie sagt: »Ich bin deine Magd, dein Wille geschehe«, hat Maria die Wohnung Gottes hier auf Erden vorbereitet; mit Leib und Seele ist sie seine Wohnstatt geworden und hat so die Erde dem Himmel geöffnet…

Hören wir nochmals die Worte Elisabeths, die im Magnifikat Marias ergänzt werden: »Selig ist die, die geglaubt hat«. Der erste und grundlegende Schritt, um Wohnstätte Gottes zu werden und so die endgültige Glückseligkeit zu finden, ist zu glauben, ist der Glaube, der Glaube an Gott, an jenen Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat und sich im göttlichen Wort der Heiligen Schrift an uns wendet. … Glauben bedeutet, dem vom Wort Gottes vorgegebenen Weg folgen.

(In Castelgandolfo, am 15.8.06)
 
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten

Diesem fundamentalen Akt des Glaubens, der ein existentieller Akt, eine Stellungnahme für das ganze Leben ist, fügt Maria ein weiteres Wort hinzu: »Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.« Mit der ganzen Heiligen Schrift spricht sie von »Gottesfurcht «, ein Wort, das wir vielleicht nicht so recht kennen oder lieben. Aber »Gottesfurcht« ist keine Angst, sondern etwas ganz anderes. Als Kinder haben wir keine Angst vor dem Vater, wohl aber Ehrfurcht vor Gott, die Sorge, jene Liebe zu zerstören, auf die unser Leben gegründet ist. Gottesfurcht ist jenes Bewusstsein für die Verantwortung, das wir haben müssen, Verantwortung für den Teil der Welt, der uns im Leben anvertraut ist. Verantwortung, diesen Teil der Welt und der Geschichte, der wir sind, gut zu verwalten und so dem rechten Aufbau der Welt, dem Sieg des Guten und des Friedens zu dienen.

»Von nun an preisen dich selig alle Geschlechter«: Das bedeutet, dass die Zukunft, das, was vor uns liegt, Gott gehört, in seinen Händen liegt, dass Gott siegen wird. … Bitten wir Maria, Königin des Friedens, um ihre Hilfe, damit der Frieden siegt, heute: »Königin des Friedens, bitte für uns.« Amen!

(In Castelgandolfo, am 15.8.06)

Kurz gesagt

Dies ist ein Gebet des Dankes, der Freude an Gott, der Lobpreisung für seine großen Taten. Der Grundton dieses Liedes ist gleich im ersten Wort angegeben: Meine Seele macht den Herrn groß. Gott groß machen, das heißt ihm Raum geben in der Welt, im eigenen Leben, ihn einlassen in unsere Zeit und in unser Tun – dies ist das tiefste Wesen des rechten Betens. Wo Gott groß wird, wird der Mensch nicht klein: Da wird auch der Mensch groß, und die Welt wird hell.

(Im bayerischen Marienwallfahrtsort Altötting, am 11.9.06)

 
Zum Nachdenken und Beten: Maria, zuhause im Wort Gottes

Dieses Gedicht Marias – das Magnificat – ist vollkommen neuartig; dennoch ist es zugleich ein »Gewebe«, das ganz aus »Fäden« des Alten Testaments besteht, aus dem Wort Gottes. Und so sehen wir, dass Maria sozusagen im Wort Gottes »zu Hause« war, vom Wort Gottes lebte und vom Wort Gottes durchdrungen war. In dem Maß, in dem sie mit den Worten Gottes sprach, mit ihnen dachte, waren ihre Gedanken die Gedanken Gottes, waren ihre Worte die Worte Gottes. Sie war vom göttlichen Licht durchdrungen und deshalb war sie so leuchtend, so gütig, so strahlend vor Liebe und Güte. Maria lebt vom Wort Gottes, sie ist vom Wort Gottes durchdrungen. Und dieses Eingetaucht- Sein in das Wort Gottes, diese vollständige Vertrautheit mit ihm schenkt ihr auch das innere Licht der Weisheit. Wer mit Gott denkt, denkt gut, und wer mit Gott spricht, spricht gut. Er hat Urteilskriterien, die für alle Dinge dieser Welt gelten. Er wird klug, weise und gleichzeitig gut; er wird auch stark und mutig mit der Kraft Gottes, die dem Bösen widersteht und das Gute in der Welt fördert.

Und so spricht Maria mit uns, sie spricht zu uns und lädt uns ein, das Wort Gottes kennenzulernen, das Wort Gottes zu lieben, mit dem Wort Gottes zu leben, mit dem Wort Gottes zu denken. Dies können wir auf ganz verschiedene Weise tun: indem wir die Heilige Schrift lesen, und vor allem indem wir an der Liturgie teilnehmen, in der die heilige Kirche im Lauf des Jahres vor uns das Buch der Heiligen Schrift öffnet.

(In Castel Gandolfo, am 15.8.05)









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