Nach dem „Nein“ Irlands
zum Vertrag von Lissabon will die katholische Kirche weiter für den europäischen Einigungsprozess
kämpfen. Bereits 18 EU-Staaten und damit mehr als die Hälfte der Mitgliedsländer hatten
vor der Abstimmung in Irland in ihren nationalen Parlamenten den Reformvertrag bestätigt
der das neue politische Fundament der Staatengemeinschaft ist. Nächste Woche wollen
Europas Regierungschefs darüber sprechen, wie Europa aus der Krise finden kann. Dass
auch die Katholische Kirche als aufmerksame Beobachterin des europäischen Einigungsprozesses
das Reformvorhaben keineswegs aufgibt, sagte uns der scheidende Generalsekretär des
Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), Aldo Giordano.
„Wir
als Kirche sind einerseits am großen Europa interessiert. Die Kirche betrachtet Europa
als Ganzes, nicht nur als Gruppe einzelner Länder. Wir wollen ein Europa der Geschichte,
der Kultur, ein Europa, das sich an der Welt messen kann. Was das politische Projekt
Europa betrifft, so betrachtet die Kirche es mit großem Interesse und ist interessiert
an allem, was zu mehr Stabilität und Einigkeit führen kann, was in Folge auch dem
Rest der Welt zugute kommt.“
Der Vertrag von Lissabon, den die Iren nun
abgelehnt haben, sollte der EU ab 2009 einen Außenminister, einen ständigen Ratsvorsitzenden,
straffere Entscheidungsstrukturen und mehr Mitsprache des EU-Parlaments bringen. In
den politischen Entscheidungsprozessen auf europäischer Ebene wird die Stimme der
Kirche durchaus gehört, sagt Giordano.
„Was die großen Themen der Ethik
betrifft, so nehme ich wahr, dass die Politik von den Kirchen etwas erwartet. Da geht
es um menschliches Leben bis zum Tod, Glück, Schmerz, Wachstum, Bildung, Gerechtigkeit,
friedliches Zusammenleben, Umwelt. Es wäre geradezu arrogant von den einzelnen Staaten,
zu glauben, sie könnten alleine auch auf diese großen moralischen Fragen antworten.
Natürlich gibt es auch einzelne Gruppen, die ihre Stimme gegen die Kirchen erheben.
Aber das sind Minderheiten. Ich denke, wenn wir das Christentum nicht als Fassade
begreifbar machen, sondern als gelebte Wirklichkeit, dann wird Europa diesem Christentum
mehr Raum geben.“
Was die Zusammenarbeit der christlichen Kirchen, aber
auch der Religionen in Europa betrifft, sieht Giordano noch Spielraum.
„Es
gibt eine ökumenische Problematik zwischen den Kirchen. Sie müssen zu einem gemeinsamen
Beitrag finden. Und da Europa multireligiös geworden ist, gibt es die interreligiöse
Frage. Es muss uns gelingen, gemeinsame Beiträge und Visionen zu erarbeiten und zu
vertreten, die alle Religionen teilen können. Je mehr wir als Christen vereint sind,
um so mehr Aufmerksamkeit finden unsere Vorschläge in der Politik, vor allem in ethischen
Fragen.“
Aldo Giordano wird demnächst zwar den Dienstort wechseln, doch
den europäischen Kernthemen treu bleiben. Papst Benedikt ernannte den italienischen
Priester vor wenigen Tagen zum Ständigen Beobachter des Heiligen Stuhls beim Europarat
in Straßburg. (rv 14.06.2008 gs)