Der demokratische Senator Barack Obama hat nach jetzigem Stand größere Chancen, die
Präsidentschaftswahl am 4. November zu gewinnen, als Senator John McCain von den Republikanern.
Das glauben evangelikale Meinungsforscher und Politikbeobachter in den USA. Sie stellen
einen Linksruck unter den rund 60 Millionen Evangelikalen fest, denen Präsident George
W. Bush einen Großteil seiner beiden Wahlerfolge verdankte. McCain tue zu wenig, um
die Evangelikalen geschlossen hinter sich zu scharen. Außerdem habe die Religiöse
Rechte ihre Vorherrschaft verloren. In zunehmendem Maße öffneten sich Evangelikale
für Themen wie Frieden, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz. Der prominente Evangelikale
Mark DeMoss hält es für möglich, dass Obama bis zu 40 Prozent der theologisch konservativen
Protestanten gewinnen kann. McCain habe bisher keine besondere Begeisterung in evangelikalen
Kreisen entfacht. Auch der evangelikale Meinungsforscher George Barna aus Kalifornien
hält aufgrund jüngster Umfragen einen Sieg Obamas für wahrscheinlich, sofern der 46-Jährige
keinen „politischen Selbstmord“ durch schwere Fehler im Wahlkampf begehe. Für
John Green - politischer Analyst des Washingtoner „Pew-Forschungszentrums“ - spielt
die Religiöse Linke eine immer größere Rolle. Die Religiöse Rechte habe ihre Vorherrschaft
verloren, sei aber noch längst nicht „tot“, sagte Green am 5. Juni. Die Linke sei
eine unterschiedlich zusammengesetzte und schwer zu definierende Strömung. Meist handele
es sich um Menschen mit „liberalen“ Ansichten in Politik und Theologie. Vereint stehe
die Religiöse Linke gegen den Irak-Krieg sowie für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz.
Unterschiedlicher Meinung seien ihre Anhänger im Blick auf Themen wie Abtreibung und
Homosexualität. Green rechnet etwa jeden vierten erwachsenen US-Bürger der Religiösen
Linken zu.