2008-06-07 16:34:23

Klaus Töpfer: „Mit Hunger gibt es keinen Frieden“


RealAudioMP3 Das Ergebnis des UNO-Ernährungsgipfels in Rom ist nach Einschätzung der Vatikan-Zeitung „L`Osservatore Romano“ mäßig ausgefallen. Die Abschlusserklärung sei zu vage und mache „noch niemanden satt“.
Der ehemalige Direktor des UNO-Umweltprogramms, Klaus Töpfer, stand uns zu den Ergebnissen des Welternährungsgipfels in Rom Rede und Antwort. Wir fragten den deutschen Politiker zunächst, wie er die Beschlüsse der Konferenz einschätzt.

„Vor dem Hintergrund der riesigen Herausforderung, die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung sicher zu stellen, ist das Ergebnis sicherlich nicht berauschend. Man konnte Besseres erwarten. Aber es sind Schritte gemacht worden, die notwendig waren. Es wird endlich mehr Geld investiert, um überall eine wirklich leistungsfähige Landwirtschaft aufzubauen. Es ist klar geworden, dass die hoch entwickelten Länder nicht fortfahren können, ihre Landwirtschaft so zu subventionieren und abzuschließen, dass die Märkte für die Entwicklungsländer wegfallen. Es kann nicht mehr sein, dass hoch subventionierte Überschussprodukte den Aufbau einer wirklich langfristigen Landwirtschaft in diesen Ländern verhindern. Alles dies ist nicht nur angesprochen, sondern auch mit Lösungsansätzen bedacht worden. Es war aber auch dringend Zeit.“

An was fehlt es am meisten?

„Am allermeisten fehlt die Einsicht, dass wir endlich diese Handelsbegrenzung abschaffen müssen. Wir müssen uns fragen, wie wir effizienter Landwirtschaft betreiben können, wie wir die Ausbildung verbessern können. Es muss auch mehr investiert werden. Ich meine: 6,5 Milliarden sind jetzt verfügbar gemacht worden, das ist mehr, als man am Anfang erwarten konnte, aber noch nicht genug. Bis zu 30 Milliarden braucht man. Und es muss allen klar sein: man kann nicht Biomasse zu Lasten von Nahrungsmitteln erzeugen, um aus dieser Biomasse Energie und Treibstoff zu gewinnen. Dies ist ethisch nicht vertretbar. Es wäre sicherlich eine Katastrophe, wenn das eintreten würde.“

Kann man die Ethanolproduktion einstellen oder einfach so weiter machen?

„Ich glaube, man muss da sehr genau hinsehen. Dort, wo Ethanol oder Biodiesel oder anderes zu Lasten von Ernährung produziert wird, ist es sofort zu stoppen. Aber es gibt natürlich viele Bereiche, wo diese Konkurrenz zur Ernährung oder zu einer intakten Natur überhaupt nicht gegeben ist. Wir werfen außerordentlich viel Biomasse weg: von den Klärschlämmen bis zu Abfällen. Oder wir haben gerade in den hoch entwickelten Ländern viele Flächen stillgelegt, damit wir den Druck auf die Weltagrarmärkte absenken. Überall dort kann man sicherlich die Energieproduktion voranbringen. Nach meiner Meinung aber wesentlich besser für die Wärmeerzeugung als für die Erzeugung von Kraftstoffen.“

Die Politiker haben kein echtes Interesse an einer Lösung. Ist diese These sehr gewagt?

„Das ist eine sehr holzschnittartige Darstellung. Dass es in den Augen vieler Politiker andere Aufgaben im Vordergrund gibt, ist wahr. Aber die Hungerrevolten, die wir erlebt haben, haben aufgerüttelt, haben klar gemacht, dass wir keine stabile, keine friedliche Welt haben können, wenn dies nicht unterbunden wird. Papst Paul VI. hat bereits in seiner Enzyklika „Populorum progressio“ gesagt: Entwicklung ist der neue Name für Frieden. Und das muss anfangen mit der Notwendigkeit der Menschen, genug zu essen zu haben. So lange 850 Millionen Menschen in dieser Welt noch hungern, während gleichzeitig in den hoch entwickelten Teilen dieser Welt die Hauptproblematik das Übergewicht ist, so lange können wir keine friedliche Welt erwarten. Diese Dramatik, diese Notwendigkeit, die sehen viele Politiker so noch nicht.“

(rv 08.06.2008 on)








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