Libanon hat einen
neuen Präsidenten. Nach 18 Monaten Streit und Gewalt zwischen Konfessionsgruppen und
Parteien hat das Parlament am Sonntag den christlichen Armeechef Michel Suleiman zum
neuen Staatsoberhaupt gewählt. In der Hauptstadt Beirut herrscht große Freude; noch
Mitte Mai waren bei Kämpfen zwischen Schiiten und Sunniten 65 Menschen getötet worden.
Wir haben mit dem maronitischen Bischof von Byblos (Jbeil), Bechara Rai, gesprochen.
„Das
libanesische Volk hat seine Freude euphorisch zum Ausdruck gebracht, weil das Land
nicht ohne Staatsoberhaupt weitermachen konnte. Alles war gelähmt. Zweitens freuen
sich die Menschen, weil der Präsident sehr geschätzt wird - im Libanon wie auch außerhalb.“
Eine
Menge Probleme warten auf das neue Staatsoberhaupt. Suleiman muss einen Ministerpräsidenten
ernennen, der dann ein Kabinett zusammenstellt. Der seit 2005 amtierende Ministerpräsident
Fuad Siniora gilt als amtsmüde.
„Das Problem Parlamentsmehrheit und Opposition
ist noch nicht gelöst, also der bekannte Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten –
ein Problem des ganzen Nahen Ostens, das sich auch auf das Leben im Libanon auswirkt.
Daher müssen die arabischen Staaten noch viel tun, um das politische Problem im Libanon
zu lösen. Das zweite Problem sind die Waffen der Hisbollah. Drittens das Problem der
Regierungsbildung, dann die riesigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes:
Die Schulden, unter denen der Libanon zusammenzubrechen droht. Dann gibt es das Problem
des Ausblutens des Libanon, denn immer mehr junge Leute verlassen das Land… Das sind
alles sehr ernste und dringende Aufgaben für den neuen Präsidenten.“
Suleiman
warnte die Konfliktparteien davor, ihre Ziele mit Gewalt durchsetzen zu wollen. „Sicherheit
kann nie mit Gewalt erreicht werden, sondern nur durch politischen Willen. Eine einzige
Partei kann das Land nicht aufbauen“, sagte er. Die Zerrissenheit des Landes geht
dabei zum Teil sogar quer durch die 18 anerkannten Konfessionsgruppen, von denen zwölf
christlich sind. So schloss sich der Christengeneral Michel Aoun im Parlament mit
der pro-syrischen, schiitischen Hisbollah zusammen. Dazu Bischof Rai:
„Auch
die Kirche muss noch vieles tun in Sachen politischer Versöhnung im Libanon, damit
der Libanon wieder erstarkt und seine Rolle wieder wahrnehmen kann.“
Der
maronitische Patriarch von Antiochien, Kardinal Nasrallah Boutros Sfeir, beglückwünschte
den neuen libanesischen Staatspräsidenten zu dessen Wahl. Sfeir, der sich im Zug einer
weltweiten Pastoralreise zum Zeitpunkt der Präsidentenwahl in Spanien aufhielt, unterstrich
am Montag in Madrid, er wünsche seinen libanesischen Landsleuten, dass sie nunmehr
in den Genuss von Stabilität, Frieden und Wohlstand kommen. Er hoffe, dass die Amtszeit
Suleimans zu einer „segensreichen Periode“ für den Libanon werden möge. General
Suleiman gehört der maronitischen Kirche an. Die mit Rom unierte maronitische Kirche
bildet die größte christliche Gemeinschaft im Libanon; auf Grund des "Pacte national"
von 1943 muss der libanesische Staatspräsident immer ein Maronit sein. Wegen der
Emigrationsbewegung, die seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts andauert, ist
die maronitische Kirche heute weltweit präsent. Dieser weltweiten Diaspora galt die
Pastoralreise von Kardinal Sfeir. Im Zug dieser Pastoralreise traf der Kardinal-Patriarch
u.a. den UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon und den US-amerikanischen Präsidenten George
W. Bush.