Zur aktiven Teilnahme
am gesellschaftlichen und politischen Geschehen hat Papst Benedikt XVI. die deutschen
Katholiken aufgerufen. „Wagt die Mitgestaltung der Zukunft“, heißt es in dem Grußwort,
das der Apostolische Nuntius, Erzbischof Jean-Claude Périsset, am Mittwochabend bei
der Eröffnung des 97. Deutschen Katholikentages vor 12.000 Menschen auf dem Platz
vor dem Osnabrücker Dom verlas. „Es lohnt sich, Christ zu sein“ – mit diesem Gefühl
sollen die Jugendlichen am Sonntag wieder nach Hause fahren, so der Osnabrücker Gastgeber,
Bischof Franz-Josef Bode, im Interview mit dem Kölner Domradio. Neben 35.000 Dauerteilnehmern
rechnen die Veranstalter in Osnabrück bis zum Wochenende mit täglich rund 20.000 Tagesgästen.
Im Mittelpunkt des Treffens stehen die Themen Jugend, Umwelt und sozialer Friede.
Das Motto des Katholikentages stammt aus der Bibel. Es heißt: „Du führst uns hinaus
ins Weite“. Diese Weite besteht nach der Lesart von Bischof Bode darin,... „dass
wir die Generationen hier alle zusammen haben, dass wir in die Zukunft schauen. Das
ist ein wichtiger Hintergrund. Wir haben hier in der Umgebung noch die kinderreichste
Gegend in Deutschland. Die Familie steht sehr stark im Vordergrund - und natürlich
auch die Überlegungen um die Zukunft der Gesellschaft, der Kirche und der Welt. Sich
einfach zu fragen: Was brauchen wir, um weiter zu kommen? Nicht das Weite zu suchen
vor den Problemen der Welt, sondern sich damit auseinanderzusetzen. Politisch beispielsweise
mit dem Klimaschutz, kirchlich mit der Frage, wie man mit der neuen Wachheit für die
Religion umgeht, die aber nicht unbedingt in der Kirche stattfindet - dass wir da
eine Brücke zu den Menschen finden, auch vor dem Hintergrund der pastoralen Großeinheiten,
die nun gebildet werden.“
Bischof Bode hat auch ein Thema, das ihn besonders
am Herzen liegt: „Weil ich Jugendbischof bin, ist es mir natürlich
wichtig, wenn es um Zukunft geht, dass junge Leute sich auch in Zukunft für die Kirche
engagieren, sich einbringen und vom Glauben geprägt werden. Wir wissen, dass das heute
bei den unglaublich vielen Angeboten nicht leicht zu erreichen ist. Mir ist einfach
wichtig, dass auch morgen noch junge Leute glauben, die Gesellschaft mitprägen und
wir dann auch wieder Leute haben, die in kirchlichen Berufen dabei sind.“
(domradio/rv
22.05.2008 mg)
Hier lesen Sie die Botschaft des Papstes an die Teilnehmer
des 97. Katholikentags in Osnabrück. Meinem verehrten Bruder Bischof
Franz-Josef Bode, Bischof von Osnabrück, den Bischöfen, Priestern, Diakonen
und Ordensleuten sowie allen Katholikentagsteilnehmern in Osnabrück Liebe
Brüder und Schwestern in Christus! Aus der Weite der Weltkirche grüße ich alle,
die sich zur Eröffnungsveranstaltung des 97. Deutschen Katholikentags vor dem Dom
St. Peter in Osnabrück versammelt haben. Der Friede unseres gekreuzigten und auferstandenen
Herrn Jesus Christus, der seiner Kirche immer nahe bleibt, sei mit euch! Mein besonderer
Gruß gilt dem Bischof von Osnabrück, den anwesenden Kardinälen und den Mitbrüdern
im Bischofsamt sowie dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken, das diesen Katholikentag
gemeinsam mit dem Bistum Osnabrück veranstaltet. Ebenso grüße ich die Vertreter des
öffentlichen Lebens und alle, die über Rundfunk und Fernsehen mit dabei sind. „Du
führst uns hinaus ins Weite” (vgl. Ps 18, 20) ist das Leitwort, unter dem der
Katholikentag steht. Was ist diese Weite, in die uns die Begegnung mit Gott, der Glaube
hineinführt? Nicht wenige Menschen von heute haben ganz im Gegenteil zu diesem Psalmwort
die Furcht, daß der Glaube ihr Leben einengt, daß sie ins Gehäuse der kirchlichen
Gebote und Lehren eingezwängt werden und nicht mehr frei sind, sich in der Weite des
Lebens und des Denkens von heute bewegen zu können. Sie fühlen sich wie der jüngere
Sohn im Gleichnis von den zwei Brüdern (Lk 15, 11-32) gedrängt, auszuziehen,
Gott beiseite zu lassen und die ganze Weite der Welt zu verkosten. Aber am Schluß
wird diese Weite dann doch eng und leer. Erst wenn unser Leben bis zum Herzen Gottes
hinaufreicht, hat es die Weite gefunden, für die wir geschaffen sind. Ein Leben ohne
Gott wird nicht freier und weiter. Der Mensch ist für das Unendliche bestimmt. Nichts
anderes reicht für ihn. Wer aber Gott wegläßt, beschränkt Leben und Welt auf das Endliche,
auf das, was wir selber machen und erdenken können, und das ist immer zu wenig. Ja,
das Psalmwort ist wahr: Gott gibt uns die Weite, die wir brauchen. Er weitet vor allem
unser Herz, daß wir nicht mehr bloß an uns selber denken und um uns selber sorgen.
Das Herz, das für Gott offen geworden ist, ist durch die Weite Gottes selbst großzügig
und weit geworden. So ein Mensch braucht nicht mehr ängstlich sich umzusehen nach
dem eigenen Glück, nach dem eigenen Erfolg und nach der Meinung der anderen. Er ist
frei und großmütig geworden, offen für Gottes Ruf. Er kann sich getrost ganz geben,
weil er sich – wohin er auch geht – in Gottes guten Händen geborgen weiß. Wem das
Herz geweitet wird, der kann Gott und dem Nächsten in seinem Leben einen Ehrenplatz
einräumen, der wird gesund durch die Begegnung mit Gott. Wir alle wissen, wie sehr
unsere heutige Welt diese Begegnung braucht, wie sehr die Menschen nach dem lebendigen
Wasser dürsten, das nur Gott geben kann und das in ihnen „zur sprudelnden Quelle wird,
deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (Joh 4, 14). Vertrauen wir darauf, daß die
Begegnung mit Gott in seinem Wort und in der Feier der Eucharistie unsere Herzen weitet
und uns zu sprudelnden Quellen für den Glauben unserer Mitmenschen macht. Vertrauen
wir darauf, daß die vielen Begegnungen der kommenden Tage – auch mit den Gästen aus
anderen Konfessionen und Religionen – die Liebe wachsen läßt zu Gott, der ein so weites
Herz hat für die Menschen und der selbst die Liebe ist. Doch die Weite, in die
Gott uns führt, ist nicht nur die Weite in uns, sondern auch die Weite vor uns, die
Weite der Zukunft. Deshalb ruft uns das Leitwort des Katholikentags auf, das Vertrauen
zu Gott in uns zu stärken, das Vertrauen, daß Gott uns in eine Zukunft führt, die
gut ist. „Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!“ ruft Jesus den Jüngern
zu, die sich im Gegenwind beim Rudern auf dem See Gennesaret abmühen (Mk 6,
50). Auch wenn die Gegenwart uns manchmal stürmisch ins Gesicht bläst und uns angst
und bange wird um die Zukunft: Wir dürfen Vertrauen haben, wir müssen uns nicht fürchten,
weil Gott es ist, der uns entgegenkommt. Wenn wir die Zukunft auf diese Weise begreifen,
dann können wir die Herausforderungen annehmen, die sie an uns stellt. Dann können
wir die Zukunft gestalten und ihre Chancen nutzen. Dazu rufe ich euch, die ihr in
Osnabrück versammelt seid, auf: Überlaßt die Gestaltung der Zukunft nicht nur anderen,
sondern bringt euch selbst mit Phantasie und Überzeugungskraft in die Debatten der
Gegenwart ein! Deshalb ist es gut, daß ihr in Osnabrück zunächst Gott in den Blick
nehmt, Gottesdienst feiert und biblische Impulse hört und von daher dann auch über
die verschiedenen Felder der Politik und der Gesellschaft diskutiert. Nehmt mit dem
Evangelium als Maßstab aktiv am politischen und gesellschaftlichen Geschehen in eurem
Land teil! Wagt die Mitgestaltung der Zukunft als katholische Laien in Verbundenheit
mit den Priestern und Bischöfen! Mit Gott im Rücken könnt ihr mutig handeln, denn
Er ist es, der uns versichert: „Ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben“
(Jer 29, 11). Zum Schluß möchte ich noch ein eigenes Wort des Grußes an
die vielen Jugendlichen richten, die zum Katholikentag gekommen sind, auch weil Bischof
Bode als Jugendbischof der Deutschen Bischofskonferenz euch in besonderer Weise nahesteht
und eingeladen hat. Vielen von euch bin ich beim Weltjugendtag 2005 in Köln begegnet,
nicht wenige werde ich hoffentlich schon bald beim Weltjugendtag in Sydney in diesem
Jahr wiedersehen. Ich freue mich, daß ihr euch nun in Osnabrück versammelt habt, um
euch gegenseitig im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe zu bestärken. Nutzt
diese Gelegenheit und laßt euch durch die Botschaft des Katholikentags in die Weite
der Möglichkeiten Gottes führen! Gott will euer ganzes Leben durchdringen und euch
zeigen, wie groß die Freiheit derjenigen ist, die ihr Leben in seine Hände legen.
Wer sein Leben mit Gott lebt, dessen Leben wird weit! Liebe Brüder und Schwestern,
gerne begleite ich eure gemeinsamen Tage in Osnabrück mit meinem Gebet und erteile
euch allen von Herzen den Apostolischen Segen.Aus dem Vatikan, am 11. Mai 2008, Pfingstsonntag