Großbritannien: „Frankenstein-Wissenschaft“ geht zu weit
Großbritannien hat
den Weg frei gemacht für die Forschung, die menschliche Embryonen und Eizellen von
Tieren kombiniert: Das britische Unterhaus wies mit klarer Mehrheit am Montagabend
einen Antrag ab, der die Erzeugung von so genannten Hybrid-Embryonen stoppen wollte.
Für die Ausweitung der Embryonenforschung machten sich Premierminister Gordon Brown
und Oppositionsführer David Cameron stark. Der Entscheidung war eine kontroverse Debatte
vorausgegangen. Vor allem katholische Bischöfe und Politiker der Konservativen wandten
sich gegen eine weitere Liberalisierung der Stammzellforschung. Kritiker sprechen
von einer „Frankenstein-Wissenschaft“ und fürchten die Schaffung einer „Chimäre“. Auch
für den deutschen katholischen Moraltheologen Johannes Reiter handelt es sich um ein
gefährliches Zeichen für die Zukunft.
„Ich sehe vor allem eine zweifache
Grenzüberschreitung: Einmal wird die Grenze der Natur überschritten. Denn die Natur
sieht eine solche Mischung von Tieren und Menschen nicht vor. Zum anderen wird die
Grenze der Menschenwürde überschritten, indem man ein Hybrid-Wesen bildet. Das bedeutet,
dass zum einen der Mensch als solcher instrumentalisiert wird. Zum anderen wird der
Mensch als Gattung übergangen, indem eben ein Mensch-Tier-Wesen erzeugt wird.“
Britischen
Forschern war es Anfang April erstmals gelungen, Chimären-Embryonen aus menschlichem
Erbgut und Eizellen von Kühen zu erzeugen. Die zuständige britische Aufsichtsbehörde
hatte bereits im September 2007 eine grundsätzliche Zustimmung erteilt und Forschern
Sondergenehmigungen für Experimente ausgestellt. Reiter hält das für fatal:
„Der
Staat ist nämlich aufgerufen, bestimmte Grenzen zu setzen. Dann kann man durchaus
diskutieren, wo die Grenzen verlaufen sollen. Diese Grenze hängt auch mit dem jeweiligen
Menschenbild zusammen, das in anderen Kulturen durchaus ein anderes ist als unser
westeuropäisches. Doch unser Menschenbild müsste doch zumindest mit dem vom Vereinigten
Königreich übereinstimmen!“
Großbritannien festigte mit der Entscheidung
seinen Ruf als europäisches Land mit der „liberalsten“ Haltung in der Embryonal- und
Stammzellenforschung. In den deutschsprachigen Ländern, Italien oder Frankreich ist
Forschern die Schaffung menschlich-tierischer Embryonen verboten. Dazu hat auch die
Kirche einen wichtigen Beitrag geleistet, sagt Johannes Reiter.
„An die
Kompetenz der Kirche erinnert in diesen Fragen die Tatsache, dass sie mitsprechen
darf – ja sogar mitsprechen muss. Denn die katholische Kirche hat das Weltgeschehen
durch ihre 2000-jährige Geschichte mitgeprägt. Für die Kirche steht das menschliche
Leben unter dem Segen und dem Schutz Gottes. Die Kirche vermittelt auch Lebenssinn
über diese Lebenszeit hinaus.“