2008-05-18 17:43:26

Predigt Benedikts XVI. bei der Abschlussmesse auf der Piazza della Vittoria in Genua


Nichtoffizielle Arbeitsübersetzung: Pater Eberhard v. Gemmingen SJ.
Liebe Brüder und Schwestern, nach einem intensiven langen Tag in Eurer Stadt, finden wir uns hier am Altar zusammen, um am Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit die Eucharistie zu feiern. Von diesem zentralen Platz der Victoria aus, der uns zum gemeinsamen Choral des Lobes und der Danksagung an Gott zusammenführt, richte ich meinen sehr herzlichen Gruß an die ganze bürgerliche und kirchliche Gemeinde von Genau. Herzlich begrüße ich an erster Stelle den Erzbischof Kardinal Angelo Bagnasco, dem ich für die Höflichkeit danke, mit der er mich begrüßt hat und für die Worte, die er am Anfang der Messe an mich gerichtet hat. Wir aber nicht auch begrüßen Kardinal Tarcisio Bertone, meinen
Kardinalstaatssekretär, der früher in dieser alten und edlen Kirche der Hirte war. Ihm gilt mein aufrichtiger Dank für seine geistliche Nähe und seine kostbare Zusammenarbeit. Ich grüße dann den Weihbischof Monsignore Luigi Ernesto Palletti, die Bischöfe Liguriens und die anderen Bischöfe. Ich richte dann meine Gedanken an die zivilen Autoritäten, denen ich für den Empfang danke und ihren anstrengenden Einsatz, den sie für die Vorbereitung und den Ablauf dieser meiner apostolischen Reise geleistet haben. Insbesondere grüße ich den Minister Claudio Scaiola in Vertretung der neuen Regierung, der genau in diesen Tagen das volle Amt im Dienst an der geliebten italienischen Nation übernommen hat. Dann richte ich mich mit lebendigem Dank an die Priester, die Ordensmann und –frauen, die Diakone, die engagierten Laien, die Seminaristen und die Jugend. Euch allen, liebe Brüder und Schwestern gilt mein herzlicher Gruß. Ich denke dann auch an die, die nicht hier sein konnten, in besonderer Weise an die Kranken, die Einsamen und alle Menschen in irgendwelchen Schwierigkeiten. Ich empfehle dem Herrn bei dieser eucharistischen Konzelebration die Stadt Genua und alle seine Bewohner dem Herrn. Sie lädt uns wie jeden Sonntag ein, gemeinsam am Tisch des Wortes der Wahrheit und des Brotes des Lebens teilzunehmen.
Wir haben in der ersten Lesung einen biblischen Text gehört, der uns die Offenbarung des Namens Gottes vorstellt. Gott selbst, der Ewige und Unsichtbare, verkündet ihn indem er auf dem Sinai vor Mose in der Wolke vorbeigeht. Sein Name ist „Der Herr, der barmherzige und gnädige Gott, langsam im Zorn und reich an Gnade und Treue.“ Der Heilige Johannes fasst im Neuen Testament diesen Ausdruck in einem einzigen Wort zusammen „Liebe“. (vgl. 1 Joh, 4,8.16)Das bezeugt auch das heutige Evangelium „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab.“ (Joh. 3,16) Dieser Name drückt also klar aus, dass der Gott der Bibel nicht eine Art von in sich geschlossener Monade ist, die zufrieden in Selbstgenügsamkeit ruht, sondern dass er Leben, das sich mitteilen will, und Öffnung und Beziehung ist. Worte wie Barmherzigkeit, Güte und reich an Gnade sprechen alle von einer Beziehung, besonders von einem lebendigen Sein, das sich anbietet, das jede Lücke und jeden Mangel schließen will, das geben und vergeben will, das ein festes und dauerhaftes Band knüpfen will. Die heilige Schrift kennt keinen anderen Gott als den Gott des Bundes, der die Welt erschaffen hat, um seine Liebe auf alle Kreaturen auszugießen und der sich ein Volk erwählt hat, mit dem er einen Ehebund eingehen will, damit es ein Segen für alle Völker wird und so aus der ganzen Menschheit eine große Familie zu machen (Gen, 12, 1-3; Ex. 19,3-6) Diese Offenbarung Gottes hat sich im Neuen Testamen dank des Wortes Christi in Fülle gezeigt. Jesus hat uns das Antlitz Gottes offenbart, der einer ist im Wesen und dreifaltig in den Personen: Gott ist die Liebe, Liebe – Vater, Liebe – Sohn, Liebe – Heiliger Geist. Genau im Namen dieses Gottes grüßt der Apostel Paulus die Gemeinde von Korinth „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch.“ (2 Kor 13,13) Es ist ein Gruß, der – wie ihr wisst – zu einer liturgischen Formen geworden ist.
In dieser Lesung ist also ein Hauptinhalt, der Gott betrifft, und tatsächlich lädt uns das heutige Fest ein, Ihn – den Herrn - zu betrachten, es lädt uns ein, in gewissem Sinne „auf den Berg“ zu steigen wie es Mose tat. Das scheint uns auf den ersten Blick von der Welt und ihren Problemen zu entfernen, aber in Wirklichkeit entdeckt man, dass man im näheren Erkennen Gottes kostbare und praktische Hinweise für das Leben erhält: ein bisschen wie es Moses geschah, der auf den Berg stieg und in der Gegenwart Gottes das Gesetz auf steinernen Tafeln erhielt, von denen das Volk die Führung erhielt um weiterzuwandern, um nicht als Sklaven zurückzukehren, sondern in der Freiheit zu wachsen. Vom Namen Gottes hängt unsere Geschichte ab. Vom Licht seines Antlitzes unser Weg.
Von dieser Wirklichkeit Gottes, die er selbst uns erkennen ließ, indem er uns seinen Namen geoffenbart hat, kommt ein bestimmtes Menschenbild, nämlich der genaue Begriff der Person. Wie bekannt ist dieser Begriff in unserer Kultur des Westens während einer heißen Debatte um die Wahrheit Gottes, in besonders Jesu Christi entstanden. Wenn Gott eine dialogische Einheit ist, Substanz in Beziehung, dann spiegelt das menschliche Geschöpf, das nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen ist, diese Verfassung: Sie ist daher berufen, sich im Dialog zu verwirklichen, im Gespräch, in der Begegnung. Besonders Jesus hat uns geoffenbart, dass der Mensch wesentlich „Kind“ ist, Geschöpf, das in Beziehung zu Gott-Vater lebt. Der Mensch verwirklicht sich nicht in einer absoluter Autonomie, indem er sich vorspiegelt, Gott zu sein, sondern im Gegenteil indem er sich als „Kind“ wieder erkennt, eine offene Kreatur, ausgestreckt nach Gott und den Geschwistern, in deren Antlitz er das Bild des gemeinsamen Vaters wieder findet. Man sieht gut, dass dieses Verständnis von Gott und vom Menschen einem entsprechenden Modell menschlicher Gemeinschaft und daher auch Gesellschaft zugrunde liegt. Es ist ein Modell, das jeder normierenden, rechtlichen und institutionellen Regelung vorausgeht – ja – ich möchte sagen – sogar jeder kulturellen Spezifizierung. Es ist ein Modell der menschlichen Familie durch alle Zivilisationen, das wir Christen gewöhnlich seit unserer Kindheit ausdrücken, in dem wir sagen, dass alle Menschen Kinder Gottes sind und daher alle Geschwister. Es handelt sich um eine Wahrheit, die seit dem Anfang hinter uns steht und gleichzeitig auch vor uns wie ein Projekt, nach dem wir uns bei jedem sozialen Aufbau ausrichten. Es ist eineKonzeption, die sich auf die Idee des Dreifaltigen Gottes gründet, des Menschen als Person – nicht nur als Individuum - und der Gesellschaft als Gemeinschaft - nicht reines Kollektiv
Die Lehre der Kirche, die sich aus dieser Sicht Gottes und des Menschen entwickelt hat, ist sehr reich. Es reicht, die wichtigsten Kapitel der Soziallehre der Kirche durchzugehen, zu der meine verehrten Vorgänger besonders in den letzten 120 substantielle Beiträge geleistet haben, indem sie sich zu echten Interpreten und Führer der Sozialbewegungen christlicher Inspiration gemacht haben. Die Konzilskonstitution Gaudium et spes und die Enzykliken von Johannes XXIII, Paul VI und Johannes Paul II zeichnen ein vollständiges und scharfes Bild und sind so in der Lage, den Einsatz zur Förderung des Menschen und zum sozialen und politischen Dienst der Katholiken zu motivieren und zu fördern. Auch meine erste Enzyklika „Deus Caritas est“ bezieht sich auf diesen Horizont: Sie schlägt tatsächlich die Ausübung der konkreten Caritas durch die Kirche vor, wobei sie ausgeht vom Glauben an Gott, die Liebe, die in Jesus Christus Fleisch geworden ist. Ich erinnere hier spontan an den kirchlichen Nationalkonvent von Verona, an dem ich teilgenommen habe und eine umfassende Reflexion vorgeschlagen habe, die vollständig aufgenommen wurde in der darauf folgenden Pastoralnote der Bischöfe „Wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung“: Zeugen eines großen Ja Gottes zum Menschen. (29.6. 2007) Ich möchte zwei grundlegende Entscheidungen unterstreichen, , die die Bischöfe in diesem Dokument anführen (Nr.4) Sie stimmen überein mit dem, was eben das Wort Gottes vorgeschlagen hat. Vor allem die Entscheidung für den „Primat Gottes“. Das ganze Leben der Kirche und das Werk der Kirche hängen davon ab, dass sie Gott an den ersten Platz stellen, aber nicht einen allgemeinen Gott, sondern den Herrn mit seinem Namen und seinem Antlitz, den Gott des Bundes, der sein Volk herausgeführt hat aus der Sklaverei Ägyptens, der Christus von den Toten auferweckt hat und die Menschheit in Frieden und Gerechtigkeit zu Freiheit führen will.
Die andere Entscheidung ist die, den Menschen und die Einheit seiner Existenz in den verschiedenen Bereichen, in denen er sich entfaltet, ins Zentrum zu stellen, sein affektives Leben, die Arbeit und das Fest, seine eigenen Brüchigkeit, die Tradition und sein bürgerliches Dasein. Der eine und dreifaltige Gott und die Person in Beziehung. Das sind die zwei Bezugspunkte, die die Kirche jeder menschlichen Generation als Dienst am Bau einer freien und solidarischen Gesellschaft vorstellen muss. Die Kirche tut das sicher mit ihrer Lehre, aber vor allem durch ihr Zeugnis, das nicht umsonst die dritte Fundamentalentscheidung des italienischen Episkopats gewesen ist: eine persönliche und gemeinschaftliches Zeugnis, in dem das geistliche Leben, die pastorale Mission und die kulturelle Dimension zusammenfließen.
In einer Gesellschaft zwischen Globalisierung und Individualismus ist die Kirche berufen, das Zeugnis der koinonia, der Gemeinschaft anzubieten. Diese Wirklichkeit kommt nicht „von unten“, sondern ist ein Geheimnis, das – so zu sagen – seine „Wurzeln im Himmel“ hat: im einen und dreifaltigen Gott. Er ist in sich der der ewige Dialog der Liebe, der sich uns in Jesus Christus mitgeteilt hat und in das Gewebe der Menschheit und der Geschichte eingetreten ist, um sie zur Fülle zu führen.
Und so lautet die große Synthese des zweiten Vatikanischen Konzils: Die Kirche – Geheimnis der Gemeinschaft - ist „in Christus ein Sakrament, ein Zeichen und Instrument der innigen Vereinigung mit Gott und der Einheit des ganzen menschlichen Geschlechtes. (Lumen gentium) Auch hier in dieser großen Stadt wie auch in ihrem Umland mit der Fülle der entsprechenden menschlichen und gesellschaftlichen Probleme ist die kirchliche Gemeinschaft heute wie auch gestern vor allem ein armes, aber wahres Zeichen des Gottes der Liebe, dessen Namen eingeprägt ist in das tiefe Wesen jeder Person und in jede Erfahrung echter Gemeinsamkeit und Solidarität.
Nach diesen Überlegungen – liebe Brüder – möchte ich euch ein paar spezielle Ermahnungen geben. Sorgt für die spirituelle und katechetische Ausbildung, eine substanzielle Ausbildung, die heute mehr denn je nötig ist, um die christliche Berufung in der Welt von heute zu leben. Das sage ich den Erwachsenen und den Jugendlichen. Pflegt einen überlegten Glauben, der fähig ist einen Dialog mit allen zu führen, mit den nichtkatholischen Brüdern, mit den Nichtchristen und den Nicht-Glaubenden. Treibt euer großzügiges Teilen mit den Armen und Schwachen nach der originellen Praxis der Kirche voran, indem ihr immer aus der Eucharistie Inspiration und Kraft zieht. Sie ist eine ewige Quelle der Liebe. Ich ermutige mit besonderer Zuneigung die Seminaristen und die Jugendlichen, die sich auf einem Berufungsweg befinden. Habt keine Angst, sondern im Gegenteil, sondern fühlt das Anziehende von definitiven Entscheidungen, eines ernsthaften und anspruchsvollen Bildungsweges. Nur das hohe Maß der Jüngerschaft fasziniert und gibt Freude.
Ich ermahne alle, in der missionarischen Dimension zu wachsen, die ebenso wesentlich wie die Gemeinschaft ist. Die Dreifaltigkeit ist de facto gleichzeitig Einheit und Sendung. Je intensiver die Liebe ist, umso größer ist der Drang sie auszugießen, sie auszuweiten und sie mitzuteilen. Kirche von Genua, sei einig und missionarisch, um allen die Freude des Glaubens mitzuteilen, sowie die Schönheit, Familie Gottes zu sein. Meine Gedanken weiten sich aus auf die ganze Stadt, auf alle Genuesen und auf alle, die auf diesem Territorium leben und arbeiten. Liebe Freunde, schaut mit Vertrauen auf die Zukunft und versucht, sie gemeinsam zu bauen, vermeidet Parteiungen und Partikularismen. Setzt das Gemeinwohl vor berechtigte Einzelinteressen.
Ich möchte mit einem Wunsch schließen, den ich dem wundervollen Gebet des Mose entnehme, das wir in der ersten Lesung gehört haben. Der Herr gehe immer mitten unter euch und mache aus euch sein Erbe (vg. Ex.34,9). Das erbitte euch Maria Santissima, die die Genuesen in der Heimat und in der ganzen Welt als die Madonna della Guardia anrufen. Mit ihrer Hilfe und der Hilfe der heiligen Patrone dieser geliebten Stadt und Region sei euer Glaube und seien eure Werke zum Lob und zur Verherrlichung der allerheiligsten Dreifaltigkeit. Folgt dem Beispiel der Heiligen dieser Erde und seid eine missionarische Gemeinde: im Hören auf das Wort Gottes und im Dienst an den Menschen. Amen.
(rv 18.05.2008 mc)
Dies ist eine Arbeitsübersetzung nach dem vorab der deutschen Redaktion von Radio Vatikan zur Verfügung gestellten Manuskript. Es gilt das gesprochene Wort! Die offizielle Fassung finden Sie in der deutschsprachigen Ausgabe des Osservatore Romano.







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