2008-05-17 16:26:05

Gebet - Mitte christlicher Existenz


RealAudioMP3 Das Gebet ist die Mitte christlicher Existenz; das ist unbestritten. Aber immer mehr Menschen können nicht mehr beten, weil sie es niemals gelernt haben oder weil sie falsche Vorstellungen davon haben, wie Beten „funktioniert“. Die Sehnsucht nach Beten ist aber ungebrochen und scheint sogar noch zu wachsen.
Prof. Marianne Schlosser ist Professorin für Theologie der Spiritualität an der Universität Wien. Wir haben sie gefragt, wie man Beten lernen kann.
Ein Beitrag von Pater Max Cappabianca OP.

„Man lernt die Sprache des Gebetes, indem man Gebete anderer Menschen zunächst einmal nachspricht. Zum Beispiel die Psalmen: Man tritt ein in eine Gemeinschaft von Betern über die Jahrhundert und Jahrtausende hinweg, und das hilft vielen Menschen, wenn sie beginnen, die Sprache und das Sprechen mit Gott zu lernen. Aber Gebet ist auch etwas anderes als die Imitation des Verhältnisses eines anderen zu Gott! Im Gebet steht man vor Gott ohne Maske. Und das bedeutet, dass man zum Gebet auch Mut aufbringen muss.“

Allerdings – man kann tatsächlich im Gebet auf Schwierigkeiten stoßen. Zum Beispiel dann, wenn man sich falsche Vorstellungen darüber macht, worum es im Gebet geht:
„Viele Menschen glauben, scheint mir – ich habe das auch einmal gedacht –, dass man nur dann andächtig betet, wenn man die einzelnen Worte, die man spricht, wirklich geistig präsent hat. Die großen Meister und auch die großen Theologen wie Thomas oder Bonaventura haben aber gesagt, dass die höchste Form der Andacht im Gebet darin besteht, dass man an den denkt, zu dem man spricht und nicht unbedingt jeden Satz und jedes Wort präsent hat als Begriffe im Geist. Darauf kommt es an: Diesem mir zugewandten Angesicht Gottes sich zu stellen.“

Aber was tun, wenn das Beten nicht gelingen will und man nur noch stumm bleibt? Marianne Schlosser:
„Es gibt eine Tür in jedem Menschen, die ist für Gott reserviert. Da kommt kein anderer mit noch so vielen klugen Worten oder noch so viel persönlicher Autorität hindurch. Man kann einem Menschen in vielen Dingen helfen. Aber im letzten ist die höchste Form der Nächstenliebe, den Nächsten in das Licht Gottes zu halten und für ihn zu beten.“

Ein unausschöpfbarer Schatz für das Gebet ist das Vaterunser.
„Wenn man über die einzelnen Bitten nachdenkt, kommt man an kein Ende. Sie offenbaren wie Türen, die in Räume führen, immer neue Aspekte auch des Verhältnisses zu Gott, des einzelnen Menschen – aber auch, weil es ein Gebet der Gemeinschaft der Kinder Gottes ist, also derer die an der Sohnschaft Jesu Christi Anteil haben, des Verhältnisses untereinander.“

Am Ende dieses Beitrags, drei ganz konkrete Tipps von Frau Professor Schlosser.

Erstens: „Lerne beten mit Hilfe der Psalmen. Versuche, in diese jahrtausendealten Gebete, die zu Gott aufgestiegen sind, dich in diese Gemeinschaft einzufügen. Erwarte nicht sofort, dass du Antworten und Gefühle hast, sondern lerne, das, was dich bewegt, mit Hilfe dieser vielfältigen Situationen, die sich in den Psalmen finden, auszudrücken.“

Zweitens: „Vergleich dich nicht mit anderen, die vielleicht große innere Erfahrungen gemacht haben. Wenn das für dich gut ist, wirst du Erfahrungen haben, aber ansonsten: Denke einfach dran, dass das, was du in deiner tiefsten Seele Gott geben kannst, dass das ihm kein anderer geben kann. Für Gott ist jeder Mensch undvergleichbar und unersetzbar.“

Drittens: „Die Gegenwart musst Du nicht herbeirufen, die ist schon da. Werde einfach dessen bewusst. Gott freut sich mehr, Dich zu hören, als du dich jemals freuen wirst mit ihm zu sprechen. Ganz auf den Punkt gebracht: Dass man nicht das Gefühl hat, man erledigt jetzt eine Pflicht, sondern: Beten ist ein Privileg, ein Geschenk!“

 
(rv 17.05.2008 mc)
 







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