2008-05-13 18:49:48

Vatikan: Neues zu Neu-Sankt Peter


RealAudioMP3 Papst Julius II. legte im April 1506 den Grundstein für den Neubau des Petersdoms. Die bis heute größte Kirche der Welt war das folgenreichste Bau- und Ausstattungsprojekt der frühen Neuzeit. Zum 500. Jahrestag hat der renommierte Münchner Kunstverlag Hirmer ein neues Standardwerk zum Petersdom vorgelegt: St. Peter in Rom 1506 - 2006. Der Band vereint Beiträge zu einer internationalen Tagung, die 2006 in Bonn stattfand, und wurde jüngst im Vatikan vorgestellt. Daniela Venner war dabei.

Viele Rom-Pilger berichten davon: Der erste Besuch im Petersdom ist eine Schule des Staunens. Was muss dieser Raum erst für Pilger vergangener Jahrhunderte gewesen sein? Wir wissen es nicht. Wir können nur versuchen, es zu erraten – wie es die an der Universität Tor Vergata lehrende Kunsthistorikerin Claudia Conforti hier tut.

”…leggendo numerosi saggi di questo volume si può capire la complessità che ha comportato la costruzione di un edificio che ha delle dimensioni immense ancora oggi. Immaginiamoci aspetto alla Roma dell’inizio dell’500: una città costituita sopratutto da case piccole di un paio uno o due piani sulle quali troneggiavano monumenti in rovina dell’antichità, costruire un edificio di queste dimensioni che gareggiava e superava i più grandi edifici dell’impero antico.”

 
Der Petersdom ist ein außerordentlich komplexer Bau. Noch heute imponiert er, schon allein durch seine Dimensionen. Stellen wir uns das Rom des 16. Jahrhunderts vor: eine Stadt, die vor allem durch niedrige Häuser und Überreste antiker Monumente gekennzeichnet war und in der nun ein Bauwerk entstand, dessen Ausmaße selbst die übertraf, die als größten des antiken Reiches galten.“

 Über den Petersdom zu arbeiten, gilt unter Kunsthistorikern als Sisyphosarbeit. Fachliteratur über die größte Kirche der Welt entsteht seit 600 Jahren. Wenn „Sankt Peter 1506-2006“ noch Neues zu sagen hat, verdankt er das seinem spezifischen Zugang, erklärt der Kunsthistoriker und Renaissance-Spezialist Ingo Herklotz: 

 
Die ganze Mythen- und Legendenbildung um diese Basilika herum spielt eine große Rolle. Die Historiographie, die über diese Kirche bereits im 16./17. Jahrhundert entstanden ist, wird jetzt selbst wieder Gegenstand der historischen Untersuchung. Also die Rezeptionsgeschichte dieser Kirche spielt in der Tat eine nicht zu übersehende Rolle, und das sind erfreuliche und neue Zugriffe, bei denen man auch eine Menge an unbekannten Fakten und unbekannten intellektuellen Kontexten zutage fördern kann.“
 
Was am Petersdom heute noch fasziniert, ist – abgesehen von der schieren Größe – die historische Kontinuität des Baus. Die sinnfällig für die gesamte katholische Kirche steht – für Wahrheit, Tradition und Zuverlässigkeit. So sollte im Neubau der Basilika ab 1506 bewahrt werden, was immer man bewahren konnte. Die Architekten retteten halb Alt-Sankt Peter nach Neu-Sankt Peter hinüber.
 
Nicht nur die Reliquien werden natürlich in neue Altäre gesetzt, die berühmte Veronikareliquie, das Schweißtuch, oder die Lanzenspitze, mit der Christiseite geöffnet worden ist. Das Gleiche gilt auch etwa für einzelne Papstgräber. Denken sie an das berühmte Grab von Pollaiuolo für Sixtus IV. oder auch an das für Innozenz VIII., das für Paul III., also alles Dinge, die schon in der alten Basilika gestanden haben und in der neuen wieder zur Aufstellung kommen.“
 
Andere Details von Neu-Sankt Peter greifen die Ausstattung von Alt-Sankt Peter gestalterisch auf – sie variieren sie mit den modernsten und gewagtesten Mitteln ihrer Zeit.
 
Man weiß, das die großen, sich drehenden Säulen, die Schraubensäulen, die Bernini in Bronze errichtet hat, für den neuen Hauptaltar etwa um 1630 einen anderen Typ von Säulen aus Marmor imitieren, die Konstantin schon an der frühchristlichen Altarabschrankung eingesetzt hatte. Das heißt also, ganz deutlich nimmt Bernini noch immer Bezug auf die alte, auf die frühchristliche Kirche und er bemüht sich, im archäologischen Sinne, in antiquarischem Sinne diesem Vorbild zu folgen.“

 
Wenn es so etwas wie ein Leitmotiv im Petersdom gibt, dann ist es ohne Zweifel der dauernde Hinweis auf den Apostel Petrus, dessen Gebeine im Boden unter der gewaltigen Kuppel ruhen.

Das Petrusgrab steht im Mittelpunkt der Basilika, ist heute überbaut von dem riesigen, bronzenen Altarbaldachin, den Gian-Lorenzo Bernini errichtet hat. Das ist noch immer der Blickfang, wenn man heute in die Kirche hinein kommt.“

Über Jahrhunderte hinweg griffen die Künstler, die dem Petersdom seine Gestalt gaben, das petrinische Motiv immer wieder auf.

Darstellungen der Schlüsselübergabe an Petrus nach Matthäus - eine ganz entscheidende Stelle für den päpstlichen Primaten - kann man in der Basilika mindestens vom 8./9. Jahrhundert bis ins 16./17. Jahrhundert und bis in die Gegenwart hinein verfolgen.“
 
Keine andere Kirche auf der Welt inszeniert das Gedenken an den Heiligen Petrus naturgemäß so wie Sankt Peter. Das Bauprogramm des Petersdoms ist quasi eine steingewordene Legitimierung des Papstamtes.

Da ist das Grab, da ist der riesige Altaraufbau, da sind die Vierungspfeiler mit den großen Statuen, die um den Heiligen Petrus herum inszeniert sind. Da haben wir dann die berühmte Cathedra, für die Bernini ebenfalls einen neuen Altar errichtet hat, das ist also der Cathedra-Altar im Scheitel der Apsis. Hier soll Petrus früher auf dem Thron gesessen haben. Dieser Thron ist im Zentrum heute nicht mehr zu sehen, aber im Zentrum dieses großen Cathedra-Altars verborgen, also eine ganz bedeutende Petrus-Reliquie, die man hier wiederverwendet hat und in einer Weise inszeniert hat, die augenfällig ist, die einmalig ist.“
 
„Sankt Peter 1506-2006“ enthält trotz der buchstäblichen Tonnen an Vorgängerliteratur auch noch Neuigkeiten. Sie sind das Ergebnis akribischer Recherchen und demontieren mitunter jahrhundertealte Mythen, erzählt Ingo Herklotz.
 
Seit dem 17. Jahrhundert, gibt es das Gerücht, das sie auch in vielen wissenschaftlichen Büchern wiedergegeben sehen können, Bernini, der für Urban gearbeitet hat, habe für seinen großen Bronzebaldachin die Bronze vom Pantheon benutzt. Die Geschichte lief anders und das ist eine sehr kuriose Anekdote. Tatsächlich hat Urban das Pantheon seiner antiken Metallverkleidung beraubt, aber was wollte er damit machen: er wollte Kanonen aus diesem Metall gießen lassen. Das war eine Profanierung dieses altehrwürdigen Bauwerks, die zu einem Aufschrei in der Bevölkerung geführt hat und es entstand damals das berühmte „was die Barbaren nicht gemacht haben - im Hinblick auf die Profanierung der antiken Stadt - das machen nun die Barberini“. Und das war nun etwas, was Urban VIII. nicht auf sich sitzen lassen konnte. Er ließ nun das Gerücht verbreiten, die Bronze sei nicht für die Kanonen geplant, sondern für den neuen Baldachin über dem Grab des heiligen Petrus. Wie nun aber aufgrund der Fabbrica-Dokumente unserer amerikanische Kollegin bewiesen werden konnte, ist tatsächlich nichts von der Pantheonbronze, aber auch gar nichts, für den neuen Baldachin gebraucht worden, sondern in der Tat wurden diese Metallelemente jener Funktion zugeführt, die Urban von Anfang an im Sinn hatte, nämlich der Herstellung von Kanonen.“
 
Was der Petersdom für die Architektur der nachfolgenden Jahrzehnte in Italien und anderswo bedeutete, können wir heute noch kaum ermessen. Fest steht: Die Wirkung des Monuments war nachhaltig. Claudia Conforti:
 
…è stato in un certo senso il laboratorio della riorganizzazione architettonica dell’architettura della città, ma non solo di Roma, ma per tutto il mondo cattolico e anche cristiano in generale.“

 ”Der Bau der Petersbasilika ist in gewissem Sinne als Meilenstein der architektonischen Umstrukturierung, nicht nur von Stadt Rom, sondern auch der gesamten katholischen Welt und des Christentums im Allgemeinen zu sehen.“
(rv 43.05.2008 gs)








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