60 Jahre Israel. Heitere
und gelöste Feiern starteten diese Woche im Staat selbst; Premierminister Ehud Olmert
zitierte aus der Bibel und sprach von göttlicher Vorsehung. In den Palästinensergebieten
sind noch bis Mitte der Woche Protestmärsche geplant. Am 14. Mai 1948 hatte David
Ben Gurion die Unabhängigkeit Israels ausgerufen. Rund 760.000 Palästinenser mussten
in der Folge ihre Heimat verlassen. Pater Eberhard von Gemmingen SJ hat aus diesem
Anlass mit Bestsellerautor Jürgen Todenhöfer gesprochen. Der frühere CDU-Sprecher
für Rüstungskontrolle und Entwicklungspolitik will mit dem Autorenhonorar seines aktuellen
Buches „Warum tötest du Zaid?“ im Mittleren Osten unter anderem ein israelisch-palästinensisches
Versöhnungsprojekt finanzieren. Die Frage an Jürgen Todenhöfer: Was wünschen Sie
dem Staat Israel zum 60. Geburtstag? „Ich wünsche Israel Frieden und die Freundschaft
seiner arabischen Nachbarn. Das ist die Vorraussetzung. Die Zukunft Israels ist nicht
gesichert, wenn es in Feidschaft mit seinen unmittelbaren und weiter entfernten arabischen
Nachbarn lebt, sondern nur, wenn es gelingt, Freundschaft mit den arabischen Nachbarn
zu schaffen. Ich glaube, dass das Problem des Mittleren Ostens - das gilt nicht nur
für den Palestina-Konflikt - nicht durch Kriege und Terroranschläge gelöst werden
kann, sondern nur durch Verhandlungen. Aber nicht nur Verhandlungen zwischen Palästinensern
und Juden: Wir brauchen für den gesamten Mittleren Osten, dessen Probleme alle miteinander
verknüpft sind, so etwas wie eine KSZE, die es damals zwischen dem Ostblock und dem
Westen Anfang der siebziger Jahre bis Ende der achtziger Jahre gab. Dieser KSZE-Prozess,
eneine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit, hat nach 16, 18 Jahren in Europa
Frieden geschaffen. Ein Frieden den niemand für möglich hielt. Und genau so müssen
sich die Führer des Mittleren Ostens auf einer KSZE für den Mittleren Osten an einen
Tisch setzten. Das heißt, da muss der israelische Premierminister mit dem iranischen
Staatspräsidenten und dem König von Saudi-Arabien und dem Präsidenten Assad von Syrien
und mit den gewählten Vertretern Palästinas zusammenkommen und alle müssen bereit
sein, diese Probleme zu lösen.“ Spielt die „Würde“ der Araber, das „Ernst
nehmen“, eine besondere Rolle? „Das Ernstnehmen der Würde ist für mich die zentrale
politische Errungenschaft des Christentums: dass die Würde jedes einzelnen Menschen
zu achten ist. Deswegen ist die Formel, mit der eine solche Mittlere-Osten-Konferenz
geführt werden müsste von Seiten des Westens, ,Wir müssen die muslimischen Staaten
genauso fair und genauso großzügig behandeln, wie wir zurecht Israel behandeln.’ Und
das ist der Schlüssel des Problems. Das Problem ist einfach nicht mehr durch Anschläge
von Palästinensern und durch Kriege von Israelis zu lösen.“ Ist der Westen
dumm? Oder gibt es im Westen so viele Kräfte, die den Frieden nicht wollen? „Das
ist eine sehr gute Frage. Ich glaube, dass sehr viel von dem Chaos, das im Mittleren
Osten stattfindet, mit Ignoranz des Westens zusammenhängt; auch damit, dass man offensichtlich
die Erfahrungen des Ost-West-Konfliktes vergessen hat, und dass sehr viele Politiker
glauben, es gäbe nur die Alternative zu bombardieren oder zuzuschauen. Aber es gibt
zu diesen beiden inakzeptablen Lösungen, die zur Zeit überall auf der Welt eingeschlagen
werden, eine Alternative - und die heißt: verhandeln.“ (rv 10.05.2008 gem/on/bp)