Bolivien, eines der
ärmsten Länder Lateinamerikas, geht auf die schwerste institutionelle Krise seit der
nationalen Revolution von 1952 zu. Am Sonntag stimmte die Mehrzahl der Bevölkerung
in der Region Santa Cruz für mehr Unabhängigkeit von der ungeliebten Zentralregierung
unter dem sozialistischen Präsidenten Evo Morales. Der Sieg der Autonomiebewegung
droht den Andenstaat auseinanderbrechen zu lassen. Im Hintergrund des Konflikts in
Bolivien steht zum einen Ideologie, zum anderen Geld, sagt der Lateinamerika-Referent
des kirchlichen Hilfswerks „Kirche in Not“, Xavier Legoretta:
„Diese Autonomiebewegung
ist ein Erfolg geworden, die Reichen Leute in Santa Cruz, die Oligarchen, haben gewonnen,
weil sie die Leute mit viel Geld unterstützt haben.“
In der Tat ist Santa
Cruz im östlichen Flachland die reichste Region des armen Bolivien. Es gibt Erdöl-
und Gasvorkommen, und die Armutsrate ist nur halb so hoch wie in den westlichen Andenregionen,
die hauptsächlich von Indigenen bewohnt werden. Evo Morales, Boliviens erster Indio-Präsident,
wollte mehr Umverteilung zwischen den armen und den reichen Regionen durchsetzen.
Als Ansatz begrüßenswert, bleibt die Methode des Präsidenten zweifelhaft, sagt Legoretta
und verweist auf das Beispiel des sozialistischen Kuba.
„Kuba hat gute
Sachen, die Leute sind gut ausgebildet. Die soziale Ungerechtigkeit ist nicht mehr
so stark in Kuba. Aber wir alle wissen, was das Problem in Kuba ist. Es gibt eine
riesige Armut. Und die Konsequenzen können wir auch hier in Deutschland sehen, in
der ehemaligen DDR, dort können wir prüfen, was die Konsequenzen aus dem Sozialismus
waren. Ich glaube, da brauchen wir eine Balance der sozialen Gerechtigkeit mit dem
christlichen Lehramt. Wenn die katholische Kirche stark und mutig Ausbildung in der
christlichen Lehre macht, glaube ich, dass man zusammen mit Evo Morales etwas Besseres
machen kann.“
Die Spaltungstendenzen in Bolivien zeichnen sich seit Monaten
ab. Die katholische Kirche hatte immer wieder eine Vermittlerrolle eingenommen, allen
voran Kardinal Julio Terrazas.
„Kardinal Terrazas’ Stimme als Präsident
der Bischofskonferenz ist sehr stark. Aber natürlich hat die Kirche Schwierigkeiten
als Vermittler im politischen Bereich. Das Problem in Bolivien ist: es ist so viel
Ausbildung zu tun, es gibt so viel Ignoranz, Analphabetismus ist das größte Problem
im Land. Wenn es eine gute Ausbildung gibt, verschwindet der Analphabetismus, und
die Manipulation von Seiten der Regierung ist nicht mehr da.“