Fünfzehn Jahre nach
dem Frieden von Dayton sind immer noch über eine Millionen Menschen nicht in ihre
Heimat in Bosnien zurückgekehrt. Trotz internationaler Verwaltung ist immer noch kein
funktionsfähiger Rechtsstaat aufgebaut, die Schere zwischen Arm und Reich wächst und
immer mehr Menschen sehen keine Perspektive mehr in ihrer früheren Heimat. Das ist
kein Zustand klagt der Bischof von Banja Luka und Vorsitzender der bosnischen Bischofskonferenz
Franjo Komarica. Es gehe nicht an,… „…den Vertrieben nicht die Rückkehr zu ermöglichen
und menschenwürdig zu leben an ihrem Geburtsort. Und gerade dies geschieht mit Hunderttausenden
meiner Landsleute hier in Europa. Und das ist nicht nur für diese Menschen, sondern
für das Land und für Europa schade; und auch eine Schande für diejenigen, die sich
anmaßen, Gott zu sein und über Schicksale von Menschen und Völker zu entscheiden.“ Leider
kümmerten sich die Verantwortlichen viel zu wenig um die entrechteten Menschen. „Mit
Bedauern und tiefer Enttäuschung müssen wir heute als unmittelbare Augenzeugen dieses
unmenschlichen Vorgehens miterleben, dass die offiziellen Vertreter der internationalen
Politik, als auch der einheimischen Politik, die eigentlich nur ausführende Kräfte
sind, dass die diese ethnischen Säuberungen nicht richtig erkannt haben und teilweise
die Ziele und Absichten der ethnischen Säuberungen teils auch mitunterstützt haben.“ Für
den Bischof ist es deswegen unakzeptabel, dass man – wie er sagt – „Kriegsverbrecher
unterstützt und belohnt und die Kriegsopfer bestraft“. „Deswegen erwarte ich
auch, dass eine Hilfe gezielt diesen geschundenen und entrechteten Menschen dort zufließt.
Mir haben zwar die Leute in Brüssel gesagt: Wir haben viel Geld gegeben, aber keine
Soldaten. Das ist eine nicht zufrieden stellende Antwort! Wie konnten sie das Geld
geben, wenn sie nicht wussten wem? Warum haben sie das Geld ohne Abrechnung gegeben?
Warum haben sie nicht gezielt das Geld an Notleidende gegeben? Und nicht den Kriegsgewinnern
und Kriegsverbrechern? Das geht einfach nicht!“ Die meisten Katholiken seines
Bistums leben derzeit außerhalb des Landes. Viele von ihnen wollten aber zurückkehren. „Ich
habe momentan eine Liste von 9.000 Familien, die zurückkehren wollen. Es ist da niemand:
Kein Staat, kein Politiker, keine Regierung, keine Gemeinde, keine Partei, welche
ihnen das Notwendigste ermöglichen will – Häuser zu bauen oder die notwendigen Grundlagen
für das Leben.“ Es fehle vor allem der politische Wille, so der Bischof: „Nach
meinen Erfahrungen bis jetzt mit europäischen und amerikanischen Politiker muss ich
leider Gottes feststellen, dass immer noch sehr viel Zwietracht und Uneinigkeit, Unehrlichkeit,
Unredlichkeit, Unentschlossenheit herrschen unter den europäischen und amerikanischen
Politikern. Die bekämpfen sich leider Gottes gegenseitig. Die haben keine gemeinsame
Politik, was Südosteuropa und die Balkanländer betrifft. Das haben mir sehr viele
gesagt! Und das vermisse ich. Mit anderen Worten: Bosnien ist der Lackmustest für
Europa und auch die Konstellation Europa-USA!“ Ein Erfolg in Bosnien könnte
auch Vorbildfunktion für andere Konfliktherde haben: „Denn nirgendwo in Europa
ist m.W. auf so einem kleinen Fleck so viel Unterschiedlichkeit. Ethnische Unterschiede,
kulturelle, religiöse, zivilisatorische oder wirtschaftliche. Und gerade, wenn dies
Bosnien gelingt, dann wird es auch Europa gelingen. Wenn es in Bosnien nicht gelingt,
dann sind wir alle mitschuldig; besonders diejenigen, die nichts oder kaum etwas unternommen
haben.“ Doch Komarica hat die Hoffnung nicht aufgegeben: „Ich hoffe wirklich,
dass die konstruktiven Kräfte im europäischen Parlament, bzw. in der europäischen
Politik, dass die entschlossener wirklich sagen: Bosnien ist unsere Sache. Bosnien
liegt in unserem Haus!“ (rv 01.05.2008 mc)
Das Gespräch führte Pater Max
Cappabianca OP im April beim Kongress "Treffpunkt Weltkirche" von Kirche in Not in
Augsburg.