Im südöstlichen Bundesstaat
Tamil Nadu sind Anfang des Monats rund 1.000 christliche Dalits wieder zum Hinduismus
zurück konvertiert. Das berichtet die Agentur Asianews unter Berufung auf eine lokale
Hindu-Partei, die den Religionswechsel der Menschen vornahm. Ein Sprecher der Partei
(Hindu Makkal Katchi) sagte, bis zum kommenden August weitere 20.000 Christen zum
Übertritt zum Hinduismus bewegen zu wollen. In Tamil Nadu ist die Diskriminierung
durch das Kastensystem auch im Christentum verbreitet. Bei jüngsten Ausschreitungen
zwischen Dalits und Angehörigen oberer Kasten in einer Pfarre griff die örtliche Polizei
ein; zwei Personen wurden getötet. Nach Angaben von Asianews haben in Tamil Nadu Angehörige
oberer Kasten sogar in der Kirche häufig andere Sitzplätze und auf dem Friedhof andere
Gräber als Dalits. Wie kann das möglich sein? Wir haben dazu Kardinal Oswald Gracias
befragt - er ist Erzbischof von Mumbai (Bombay) und Vorsitzender der indischen Bischofskonferenz.
Hat die katholische Kirche ein Kastenproblem? „Ich würde sagen, das stimmt:
Wir haben auch in der Kirche manche, die glauben an Kasten und leben entsprechende
Vorurteile. Das ist nicht gut – aber das ist die Wahrheit.“ Die Bischöfe seien
sich des Problems durchaus bewusst, so Gracias: „Die Kirche hat sich ganz klar
und streng dazu geäußert. Trotzdem gibt es in der Gesellschaft Kasten, besonders in
der Hindu-Gesellschaft - und das hat auch einen Einfluss auf Christen in der Kirche.
Wir haben viel gemacht, wir haben viel darüber diskutiert – auch unsere Bischofskonferenz.
Was sollen wir machen? Vielleicht die Bildung verbessern?“ Allerdings – das
Problem ist auf dem Subkontinent unterschiedlich stark verbreitet. Auch er habe Schwierigkeiten,
die Kasten-Mentalität nachzuvollziehen: „Ich komme aus Mumbai – dort haben wir
keine Kasten. Aber ich verstehe die Leute, die woanders vom Kastenwesen unterdrückt
werden. Das ist schwer zu verstehen, auch für uns in anderen Teilen Indiens. Aber
wir müssen etwas dagegen tun.“ Ein anderes Problem in Indien sind Gewalttaten
gegen Christen. Meldungen aus dem östlichen Bundesstaat Orissa weckten Ende vergangenen
Jahres international die Sorge, dass Christen auch in anderen Teilen Indiens systematisch
von Hindu-Fundamentalisten verfolgt werden könnten. Diese Sorge sei aber unbegründet,
sagt Gracias. Man dürfe nichts beschönigen, aber auch nicht unnötig dramatisieren „Ich
glaube, dass einige Parteien gedacht haben, dass sie so Wahlen gewinnen können. Christen
sind gefährlich, und deswegen sollen sie Hindu-Parteien wählen. Solche Ideen wurden
verbreitet: Das aber ist gefährlich! Das ist nur die Meinung einer kleinen Minderheit.
Unsere Arbeit geht weiter; und viele – vor allem in der Stadt – wissen gar nichts
von diesen Angriffen.” Politischen Druck von außen hält der Kardinal sogar
für gefährlich. „Ich habe auch die Sorge, wenn das Problem international wird
– und es ist nicht so groß –, wenn sich also andere Länder einmischen, könnte das
auch ein Problem werden. Denn dann bekommen die Hindus Angst und sagen: ‚Die Christen
sind wirklich gefährlich’. Das ist auch eine Gefahr! Ich denke, das Problem muss innerhalb
von Indien gelöst werden.” (rv 24.04.2008 mc)