Es war eine bemerkenswerte
Reise. Zum einen deshalb, weil der Papst dem Thema Missbrauchs-Skandale nicht auswich.
Er sprach das Thema im Gegenteil immer wieder an, geradezu offensiv – das hätte vorher
niemand für möglich gehalten. Für den Vatikan ist eine solche Offenheit fast schon
eine Art Perestroika.
Aber Benedikt redete nicht nur über Missbrauchs-Skandale,
er traf sich sogar mit Pädophilie-Opfern, hörte ihnen zu, betete mit ihnen. Einige
konnten ihm ihren regelrechten Hass auf die Kirche ins Gesicht sagen, andere weinten
nur. Ein Moment von fast unerträglicher emotionaler Dichte. Es gibt übrigens keine
Fotos davon – und doch ist das ein Bild, das im Gedächtnis bleiben wird.
Genauso
wie das Bild des Papstes, der am Ort der Terroranschläge des 11. September eine Kerze
anzündet.
Die Reise eines Heilers. „Pope of Hope“, wie die Zeitungen schrieben:
Papst der Hoffnung. Ein ehrlicher Mann, offen und gleichzeitig behutsam – so wirkte
er auf die Amerikaner. Und ein Papst, der sich erstaunlich deutlich zum Pluralismus
bekennt: zum politischen, zum religiösen, auch zum Pluralismus in der Kirche. Dafür
fand er in der New Yorker Patricks-Kathedrale ein schönes Bild: Ein gotischer Kirchenbau
besteht aus vielen, zum Teil widerstrebenden Kräften, meinte er da. Aber alle zusammen
zielen sie nach oben.
„Ich bin ein Berliner“, rief der Amerikaner Kennedy;
„Ich bin ein Amerikaner“, sagt der Bayer Benedikt. Amerika als Modell für das kriselnde
Europa: Hier klappt das Zusammenspiel von Vernunft und Glaube, das dem Papst so wichtig
ist. Hier kann ein Investment-Banker den Rosenkranz aus der Tasche ziehen, ohne sich
lächerlich zu machen, ohne auf hochgezogene Augenbrauen zu stoßen. „Wir sind eine
Nation auf den Knien“, meinte nicht ohne Pathos George Bush… aber recht hatte er.
Am schwächsten, seltsamerweise: Der Papst-Auftritt vor der UNO. An ihm und
seiner Rede hat`s nicht gelegen. Eher an der bleiernen, blockierten Atmosphäre in
der Völkergemeinschaft. Dabei war der Termin bei der UNO ja sogar Ausgangspunkt für
die ganze Reise Benedikts gewesen. Und der peinlichste Moment? Der war im Weißen Haus,
als der Papst unter dem Beifall von Präsident Bush die Kerzen auf seiner Geburtstagstorte
ausblasen musste. Wirklich, wir wären auch ohne dieses Foto ausgekommen.
Benedikt
in den USA? Wie gesagt: eine bemerkenswerte Reise. Mit – das muss ich noch erwähnen
– gut komponierten Redetexten, die zum Teil sehr in die Tiefe gingen. Irgendjemand
hat mal nach der Bayernreise des Papstes 2006 seine Ansprachen dort eine „Wander-Enzyklika“
genannt. Das kann man, glaube ich, von seinen Ansprachen in den USA auch sagen.
Die
Amerikaner kennen Benedikt jetzt. Seine einfache und ehrliche Art hat vielen von ihnen
imponiert. Ich habe den Eindruck, sie haben nach dieser Papstreise Appetit auf mehr.