Papst betet an „Ground Zero“ - ein Stimmungsbericht von Stefan Kempis
An diesem Sonntag
Morgen hört man in Manhattan ständig Polizeisirenen heulen, und über den Hochhäusern
knattern Hubschrauber. Es ist ein grauer, nebliger Tag; die Spitze des „Empire State
Building“, des seit dem Terror-September 2001 höchsten Hochhauses hier, verschwindet
im Dunst. Rund um Ground Zero: Dutzende von kaugummi-kauenden Polizisten, abgesperrte
Straßen, viele Fernsehkameras; viele New Yorker auch, die sehen wollen, wie der Papst
hier betet. An normalen Wochenenden ist der Ort, wo mal das „World Trade Center“ stand,
eine riesige Baugrube; für den heutigen Anlass haben Arbeiter eine riesige Rampe in
die Grube hinein gebaut, geschmückt mit US-, New-York- und Vatikan-Fahnen.
In
der Grube, siebzig, achtzig Meter unter Straßenniveau, von Scheinwerfern hell angestrahlt:
eine für diesen Anlass geschaffene Ebene, wo den Papst einige Lokalpolitiker erwarten,
Überlebende des 11. September, Angehörige von Terror-Opfern und Helfer.
Leise
Cellomusik erklingt, als das Papamobil langsam die Rampe zum „Bed Rock“ hinunterfährt.
Benedikt trägt wegen der Kühle einen Mantel, sein Sekretär und New Yorks Kardinal
Egan begleiten ihn; die kugelsicheren Fenster des Papst-Autos sind geschlossen, ein
paar Sicherheitsleute begleiten es zu Fuß. Der Papst geht zielstrebig zu einer weißen
Kniebank, die in der Mitte steht, und betet still; derweil hat auch die Musik ausgesetzt,
man hört nur das Klicken der Foto-Blitzlichter. Dann entzündet er, während immer noch
Stille herrscht, eine Kerze und schützt dabei die Flamme mit der Hand, damit sie nicht
ausgeht, denn es ist windig hier unten. Und schließlich betet er laut ein vorbereitetes
Gebet, Kernsatz: „Herr, bring deinen Frieden in unsere Welt der Gewalt.“
Benedikt
besprengt den Ground Zero mit Weihwasser, dann erteilt er seinen Segen. Einer nach
dem anderen treten die etwa dreißig Menschen, die hier unten auf ihn gewartet haben,
zu ihm, Menschen, die in irgendeiner Weise vom Terror des 11. September betroffen
waren; Kardinal Egan stellt sie vor, und sie geben dem Papst die Hand – viele küssen
auch seinen Ring – und reden kurz mit ihm. Unter ihnen ist auch die Schwester des
Franziskanerpaters, der beim Einsturz des Nordturms starb, als er gerade Verletzten
zur Hilfe eilte. Um zehn Uhr Ortszeit läuten kurz die Glocken von der alten St-Pauls-Chapel
herüber. Noch ein Händedruck mit den anwesenden Politikern, dann schlägt Benedikt
XVI. ein Kreuzzeichen, verbeugt sich grüßend und besteigt wieder das Papamobil. Sein
Besuch an Ground Zero hat keine dreißig Minuten gedauert. Eine nüchterne, ernste Zeremonie.
Seine Kerze ist gleich wieder ausgegangen; eine Frau von der Sicherheit zündet sie
mit ihrem Feuerzeug wieder an. Einige der Menschen, die gerade am Ground Zero dem
Papst begegnet sind, knien sich jetzt auch auf Benedikts Kniebank und beten einen
Moment…