2008-04-19 00:29:53

Übersetzung der Papstansprache beim Ökumene-Treffen


Liebe Brüder und Schwestern in Christus,
Mein Herz ist voller Dankbarkeit gegenüber Gott – „den Vater, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,6) – für diese glückliche Möglichkeit, mich heute abend mit euch zum Gebet zu treffen. Ich danke Bischof Dennis Sullivan für sein herzliches Willkommen, und ich grüße herzlich alle, die die christlichen Gemeinschaften in allen Teilen der USA repräsentieren. Der Friede unseres Herrn und Erlösers sei mit euch allen.
Durch euch drücke ich allen meine ehrliche Hochschätzung aus für die unschätzbare Arbeit aller, die sich in der Ökumene engagieren: Der nationale Kirchenrat, die Gruppe „Christian Churches Together“, das katholische bischöfliche Sekretariat für ökumenische und interreligiöse Angelegenheiten und viele andere. Der Beitrag der Christen in den Vereinigten Staaten für die ökumenische Bewegung wird in der ganzen Welt wahrgenommen. Ich ermutige euch alle, darin fortzufahren im Vertrauen auf die Gnade des auferstandenen Christus, dem wir zu dienen versuchen, indem wir den „Glaubensgehorsam zur Ehre seines Namens“ (Röm, 1.5) erlangen.
Wir haben eben die Schriftstelle gehört, in der Paulus – „ein Gefangener für den Herrn“ - seinen dringenden Appell an die Glieder der christlichen Gemeinde in Ephesus richtet. „Ich ermahne euch - so schreibt er - ein Leben zu führen, das eures Rufes würdig ist, indem ihr euch bemüht, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält.“ (Eph 4,1-3) Dann - nach seinem leidenschaftlichen Appell zur Einheit – erinnert Paulus seine Leser daran, dass der in den Himmel aufgefahrene Jesus alle notwendigen Gaben für den Aufbau des Leibes Christi den Menschen geschenkt hat. (Vgl. Eph 4, 11-13)
Die Ermahnung des heiligen Paulus hallt auch heute wider mit nicht geringerer Kraft. Seine Worte bringen uns die Gewissheit, dass der Herr uns niemals verlassen wird bei unserer Suche nach Einheit. Sie laden uns vielmehr ein, so zu leben, dass wir Zeugnis geben von dem „ein Herz und eine Seele“-Sein (Apg, 4.32), das immer der unterscheidende Zug der christlichen Koinonia (christlichen Einheit) war. Es ist auch die Kraft, die jene anzieht, die noch draußen sind, um einzutreten und teilzunehmen an der Gemeinschaft der Glaubenden, so dass auch sie die „unergründlichen Reichtümer Christi“ (Eph, 3.8) teilen können.
Die Globalisierung hat die Menschheit zwischen zwei Extreme gesetzt: Einerseits ist der Sinn für die gegenseitigen Beziehungen und Abhängigkeit unter den Völker gewachsen, auch wenn sie - in geographischer und kultureller Hinsicht – weit von einander entfernt sind. Diese neue Situation eröffnet die Möglichkeit, den Sinn für die globale Solidarität und die gemeinsame Verantwortung für das Wohl der Menschheit zu verbessern. Andererseits kann man nicht leugnen, dass die raschen Veränderungen, die in der Welt vor sich gehen, negative Zeichen einer Fragmentierung und einer Rückkehr zum Individualismus sind. Der immer größere Einsatz der Elektronik in der Welt der Kommunikation hat paradoxerweise vermehrte Isolierung hervorgerufen.
Viele - vor allem Jugendliche – suchen daher authentischere Formen der Gemeinschaft. Ein große Sorge ist auch die Ausbreitung einer säkularistischen Ideologie, die die transzendente Wahrheit bedroht oder gar verwirft. Selbst die Möglichkeit einer göttlichen Offenbarung und damit des christlichen Glaubens überhaupt wird oft von Denkweisen in Frage gestellt, die in universitären Kreisen, in den Massenmedien und in der öffentlichen Meinung weit verbreitet sind. Daher ist ein treues Zeugnis um so nötiger. Man erwartet daher von den Christen, Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die in ihnen ist. (Vgl. 1 Petr, 3.15)
Allzu oft sind Nichtchristen, die die Fragmentierung der christlichen Gemeinschaften sehen, verständlicherweise verwirrt, was die Botschaft des Evangelium selbst angeht. Christliche Glaubenslehren und grundlegende Verhaltensweisen werden in den Gemeinschaften manchmal von so genannten „prophetischen Aktionen“ modifiziert, die auf einer Hermeneutik gründen, die nicht mit der Heiligen Schrift oder der Tradition übereinstimmen. In Folge dessen verzichten die Gemeinschaften darauf, als ein geeinter Leib zu handeln. Sie ziehen es vielmehr vor, nach den Prinzip der „Lokaloptionen“ zu handeln. Dabei geht dann die nötige „diachronische Koinonia“ verloren – die Gemeinschaft mit der Kirche über die Zeiten hinweg – und dies genau in dem Moment, in dem die Welt die Orientierung verloren hat und ein gemeinsames und gewinnendes Zeugnis von der heilbringenden Macht des Evangeliums bräuchte. (vgl. Rom 1,18-23)
Angesichts dieser Schwierigkeiten müssen wir uns vor allem darauf besinnen, dass die Einheit der Kirche von der vollkommenen Einheit der Dreifaltigkeit herkommt. Das Johannes-Evangelium sagt uns, dass Jesus den Vater gebeten hat, dass seine Jünger eins sein mögen wie „Du in mir und ich in Dir bin“ (Joh, 17.21). Dieser Abschnitt spiegelt die feste Überzeugung der christlichen Urgemeinde wider, dass ihre Einheit Frucht und Widerspiegelung der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ist. Das seinerseits zeigt, dass der Zusammenhalt der Gläubigen auf der vollständigen Integrität ihres Glaubensbekenntnisses gründete (Vgl. Tim 1,3-11).
Im ganzen Neuen Testament sehen wir, dass die Apostel wiederholt aufgerufen waren, Rechenschaft von ihrem Glauben zu geben - sei es gegenüber den Heiden (Apg, 17,16-34), sei es gegenüber den Juden (Apg, 4,5-22; 5,27-42). Der zentrale Punkt ihrer Argumentation war immer das historische Faktum der leiblichen Auferstehung des Herrn aus dem Grab. Die Wirksamkeit ihrer Predigt hing nicht von „ausgesuchten Worten“ ab und von „menschlicher Weisheit“, sondern vielmehr von der Wirksamkeit des Heiligen Geistes, der das authentische Zeugnis der Apostel bestätigte. Der Kern der Predigt des Paulus und der ursprünglichen Kirche war nichts anderes als Jesus Christus - und zwar als der „Gekreuzigte“ (1 Kor 2,2) . Und diese Verkündigung musste garantiert werden durch die Reinheit der normativen Lehre, die in den Glaubensformeln ausgedrückt war - den sog. Symbolen -, die das Wesen des christlichen Glaubens zum Ausdruck brachten und die Grundlage der Einheit der Getauften bildeten (Vgl. 1 Kor 15.3-5; Gal 1,6-9; Unitatis Redintegratio 2) .
Meine lieben Freude, die Kraft des Kerygmas hat nichts von seiner inneren Dynamik verloren. Dennoch müssen wir uns fragen, ob seine volle Kraft nicht durch einen relativistischen Zugang zur christlichen Lehre abgeschwächt worden ist. Es wäre ein Zugang, den wir auch in den säkularisierten Ideologien finden. Er behauptet, dass nur die Wissenschaft „objektiv“ sei und die Religion in die subjektive Sphäre des Gefühls des Einzelnen verweist. Die wissenschaftlichen Entdeckungen und ihre Verwirklichungen durch das menschliche Genie bieten der Menschheit ohne Zweifel neue Möglichkeiten zu Verbesserungen. Das bedeutet dennoch nicht, dass das „Erkennbare“ begrenzt ist auf das empirisch Verifizierbare, noch bedeutet dies, dass die Religion beschränkt ist auf den veränderlichen Bereich persönlicher Erfahrung.
Wenn die Christen diese falsche Denkweise übernehmen, dann verzichten sie darauf, den christlichen Glauben als objektive Wahrheit vorzustellen, denn man müsste dann nur dem persönlichen Gewissen folgen und die Gemeinschaft wählen, die dem persönlichen Geschmack am besten entspricht. Das Ergebnis davon findet man in der ständigen Entstehung neuer Gemeinschaften, die oftmals institutionelle Strukturen meiden und die Bedeutung des Lehrinhalts für das Leben hintanstellen.
Auch innerhalb der ökumenischen Bewegung stehen die Christen in Gefahr, die Rolle der Lehre hintanzustellen aus Furcht, sie vertiefe eher die Wunden der Spaltung als sie zu heilen. Dennoch muss sich ein klares und überzeugendes Zeugnis für das Heil in Christus gründen auf eine normative, apostolische Lehre. Es muss eine Lehre sein, die das inspirierte Wort Gottes unterstreicht und das sakramentale Leben der Christen heute stützt.
Nur wenn wir fest stehen in der sicheren Lehre (Vgl. 2 Tess 2,15), wird es uns gelingen, auf die Herausforderungen zu antworten, mit denen wir uns in einer sich ändernden Welt auseinandersetzen müssen. Nur so geben wir ein sicheres Zeugnis für die Wahrheit des Evangeliums und für seine moralische Lehre. Diese Botschaft erwartet die Welt von uns. Ebenso wie die ersten Christen haben wir die Verantwortung, ein transparentes Zeugnis zu geben von dem Grund unserer Hoffnung. So können die Augen der Menschen guten Willens sehen, dass Gott sein Antlitz gezeigt hat und uns erlaubt hat, durch Jesus Christus hinzutreten zu seinem göttlichen Leben.
Er allein ist unsere Hoffnung. Gott hat seine Liebe zu allen Völkern durch das Geheimnis des Leidens und der Auferstehung seines Sohnes offenbart. Er hat uns berufen, zu verkünden, dass er wirklich auferstanden ist und sich zur Rechten des Vaters gesetzt hat und dass er wiederkommen wird zu richten die Lebenden und die Toten.
Möge das Wort Gottes, das wir heute abend gehört haben, unsere Herzen auf dem Weg der Einheit mit Hoffnung entflammen. Dieses Gebetstreffen möge ein Beispiel dafür sein, dass das Gebet das Herz der ökumenischen Bewegung ist. Ohne Gebet wären die Strukturen, die Institutionen, die ökumenischen Programme herz- und seelenlos. Danken wir Gott für die Fortschritte, die wir im Heiligen Geist gemacht haben. Erkennen wir dankbar die geistlichen Opfer an der vielen, die hier anwesend sind, und auch der zahlreichen Menschen, die uns vorausgegangen sind.
Gehen wir auf ihren Spuren, und setzen wir unsere Hoffnung nur auf Gott. So bin ich voll Zuversicht, dass wir - indem ich mir die Worte von Pater Paul Wattson zu eigen mache - zu jener Einheit der Hoffnung, des Glaubens und der Liebe gelangen, die allein die Welt überzeugen kann, dass Jesus vom Vater für das Heil aller gesandt worden ist.
(rv 19.04.2008 mc)

Gehalten am Freitag, 18.4.2008 in der St. Josephs-Kirche in New York

Nichtoffizielle Arbeitsübersetzung.







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