2008-04-19 15:36:21

USA: Die politischen Implikationen des Papst-Besuchs


RealAudioMP3 Die Papstreise ist nicht nur eine rein religiöse Veranstaltung, sie hat auch politische Implikationen – die Stichworte heißen da Wahlkampf, George Bush, UNO. Darüber sprach unser Korrespondent Stefan Kempis mit dem New Yorker Verantwortlichen der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung, die den Sozialdemokraten nahesteht. Erste Frage an Jürgen Stetten: Woher kommt dieses überraschend große Interesse der Amerikaner am Papstbesuch?
 
„Die amerikanische Gesellschaft ist sehr stark von Religion beeinflusst, und Religion spielt hier im öffentlichen Bewusstsein, aber auch im Leben der Menschen eine viel größere Rolle als in Deutschland. Deshalb überrascht mich das überhaupt nicht, dass die Amerikaner sehr emotional und auch sehr interessiert auf diesen Papstbesuch reagieren.“

Wie kommt es zu dieser Rolle der Religion, auch in der öffentlichen Wahrnehmbarkeit? Es gibt doch auch hier in den USA eigentlich die Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften.

„Das mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, dass ausgerechnet dieses Land, das einerseits historisch sozusagen aus der Abkehr von der Staatskirche in England entstanden ist, der Religion so eine starke Rolle gibt… dass auch der Präsident persönlich den Papst am Flughafen abholt, ein Privileg, das er keinem anderen Staatschef, der in seiner Amtszeit die USA bereist hat, zuteil werden ließ. Doch man muss andererseits natürlich sehen: Im Leben der Menschen spielt Religion eine sehr große Rolle, und die Engländer, die damals nach Amerika ausgewandert sind, sind ja hierhin gekommen, um Freizügigkeit in der Religionsausübung zu haben. Die Amerikaner sehen es auch nicht als Widerspruch an, dass staatliche Funktionsträger gegenüber religiösen Praktiken oder Würdenträgern keinerlei Berührungsängste haben. Aber sie nehmen insgesamt eine sehr offene Haltung verschiedenen Religionen gegenüber ein. Man muss also auch berücksichtigen: Dass dieses Privileg dem Papst zuteil wird, hat auch damit zu tun, dass man gleichzeitig auch anderen Religionen gegenüber sehr, sehr offen ist.“

Sie beobachten hier die Spätphase der Regierung Bush, und wie Sie gesagt haben, hat Bush den Papst mit allen Honneurs empfangen, die nur möglich sind. Ist – paradox formuliert – der Papst jetzt aus politischer Sicht so etwas wie Bushs letzter Verbündeter im Westen?

„Ja – man kann es schon so sehen, dass Bush diese Gelegenheit nutzt, um auch mal wieder in der Öffentlichkeit stark aufzutreten und sich als beliebter, von außerhalb der USA von wichtigen Personen gefragter Gesprächspartner und Gastgeber zu präsentieren. Er musste ja in den letzten Monaten und Jahren einige Kritik einstecken, nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg, und solche Gelegenheiten hat er nicht allzu oft – das spielt natürlich eine große Rolle. Aber ich glaube, dass auch jeder andere Präsident einen solchen Besuch ähnlich genutzt hätte.“

Papstbesuch im Wahljahr, mitten im Wahlkampf – kann es doch sein, dass eine Partei versuchen wird, diesen Besuch für sich auszunutzen, oder sehen Sie dafür keine Anzeichen?

„Das glaube ich nicht. Alle drei Kandidaten, die derzeit im Rennen sind, werden gleichwertig deutlich machen und haben auch schon im Wahlkampf deutlich gemacht, dass Religion für sie eine große Rolle spielt. Es gab ja erst vor wenigen Tagen eine große Debatte mit den beiden demokratischen Kandidaten, bei denen es um religiöse Themen ging. Mac Cain (von den Republikanern) hat dort nicht teilgenommen, aber das hatte eher damit zu tun, dass er als Kandidat quasi feststeht. Ich glaube nicht, dass das einer instrumentalisieren kann in dem Sinne: Ich bin dem Papst am nächsten, oder versuchen wird, daraus in irgendeiner anderen Form politisch Kapital zu schlagen.“

Dass es im Fernsehen eine Live-Debatte zwischen zwei Präsidentschaftskandidaten gibt zum Thema Religion – wie erklären Sie so etwas einem unbedarften deutschen Besucher?

„Für die Amerikaner ist Religion nun einmal ein ganz wichtiger Teil ihres eigenen Lebens, und sie erwarten auch von ihren Präsidenten, dass es gestandene Persönlichkeiten sind, und achten nicht nur auf die politischen Programme. Zum Persönlichkeitsprofil eines Kandidaten aber gehört hier eben auch sehr stark das private Leben der Kandidaten, der Familie, und was sie sonst privat machen und an Engagement einbringen. Und natürlich auch die Art und Weise, wie sie ganz persönlich mit Religiösität umgehen. Das hat nicht zuletzt die sehr starke Debatte deutlich gemacht, was die Kirche von Barack Obama und den Pastor dieser Kirche anbelangt – eine Debatte, die ja hier den Wahlkampf über Wochen dominiert hat.“

An diesem Freitag hat Papst Benedikt vor der Generalversammlung der UNO gesprochen. Kann es Rückwirkungen auf die amerikanische Gesellschaft haben, dass der Papst nach New York kommt, um dort zunächst die UNO zu besuchen?

„Das glaube ich eher nicht, dass die amerikanische Öffentlichkeit der Tatsache, dass der Papst in der UNO auftritt, eine so große Bedeutung beimisst. Ich glaube vielmehr, dass es für die UNO selber eine gute Gelegenheit ist, eine gewisse Ausstrahlung wiederzufinden, die sie in letzter Zeit nicht in dem Maße hatte – insbesondere nicht in dem Maße wie unter ihrem früheren Generalsekretär Kofi Annan. Insgesamt, glaube ich, haben wir immer noch das Phänomen, dass die UNO sehr stark unter der Irak-Debatte leidet, die ihrem Image hier in den Vereinigten Staaten großen Schaden zugefügt hat. Diese Wunde ist immer noch nicht verheilt, aber ich befürchte, dass auch der Besuch des Papstes und seine Rede vor der Generalversammlung da nur einen kleinen Beitrag leisten können. Wahrscheinlich wird es erst unter einem neuen US-Präsidenten eine neue, größere Annäherung zwischen den Vereinigten Staaten und den Vereinten Nationen geben.“

Auf den Fernsehbildern aus dem UNO-Hauptgebäude wirkte Generalsekretär Ban Ki-Moon etwas hilflos lächelnd neben dem ebenfalls etwas verlegen wirkenden Papst. Ist Ban Ki-Moon der richtige Generalsekretär für die UNO in einer so schwierigen Zeit, und wie könnte der Mann noch überraschen?

„Ich glaube, dass sowohl der derzeitige Papst als auch der derzeitige Generalsekretär zwei Personen sind, die in ihrer medialen Präsenz hinter das zurückfallen, was ihre Vorgänger geleistet haben. Insofern ist diese etwas merkwürdige Szene, die Sie gerade gezeichnet haben, wahrscheinlich sehr symbolträchtig für den Zustand oder die Amtsführung, die diese zwei Personen haben. Ich denke, dass Ban Ki-Moon weiterhin sehr darunter leidet, dass er es anders als sein Vorgänger nicht geschafft hat, in der Öffentlichkeit eine klare Linie zu präsentieren, und ich glaube, dass auch der Papstbesuch ihm dabei wahrscheinlich nicht allzu viel helfen wird.“

Benedikt XVI. wird auch an Ground Zero in Manhattan beten, dem Ort der Terroranschläge vom 11. September 2001. Was, glauben Sie, wird das für ein Bild sein, und wie wird es auf die amerikanische Öffentlichkeit wirken?

„Ich halte es für eine sehr gute Entscheidung, dass er dort auftreten wird. Wir haben eben über das Thema Emotionalität gesprochen – natürlich ist der Anschlag vom 11. September 2001 das größte, emotionalste Thema, was die amerikanische Öffentlichkeit nach wie vor bewegt. Ich denke, er war gut beraten, dort ein Zeichen zu setzen, und ich denke, dass das von der Öffentlichkeit hier sehr positiv wahrgenommen wird.“

Sie sind vor allem politischer Beobachter hier in den USA: Wohin steuert das Land jetzt im Moment?

„Das Land steuert vor allem in eine große Ungewissheit – Ungewissheit darüber, wie es weitergeht im Irak. Ungewissheit darüber, wie es mit der amerikanischen Wirtschaft weitergehen wird. Ungewissheit darüber, wie es weitergeht mit dieser einzig verbliebenen Supermacht und ihrem Selbstbewusstsein als Supermacht. Ich glaube, die Amerikaner sind momentan sehr ungewiss, in welche Richtung sie das Land steuern wollen und was sie von einem neuen Präsidenten erwarten – in welche Richtung er das Land dann steuern soll. Wir haben wohl selten in der amerikanischen Geschichte, wahrscheinlich nicht mehr seit dem Ende und der Niederlage in Vietnam, ein so ich sich unsicheres und von Selbstzweifeln geplagtes Land gesehen, und das kann man an vielen, vielen Beispielen festmachen. Ich denke, diese Debatte wird auch die anstehenden Präsidentschaftswahlen sehr stark dominieren – und dann eine riesige Aufgabe für den neuen Präsidenten (oder die neue Präsidentin) sein.“

(rv 19.04.2008 sk)







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