Papst-Messe: „Welt hat tiefe Sehnsucht nach Spiritualität“
Einen Tag, bevor er
im New Yorker Yankee Stadium seine zweite große Open-Air-Messe der USA-Reise feiern
wird, hat der Papst am Samstag gemeinsam mit Priestern und Ordensleuten in der Saint-Patrick’s-Cathedral
im Herzen von Manhattan einen Gottesdienst zelebriert. Dabei ermutigte er sie, sich
von Säkularisierungstendenzen nicht entmutigen zu lassen und die gemeinsame Arbeit
zur Überwindung der Missbrauchsskandale als Phase der Heilung und Reinigung zu nutzen.
Feierliche
Orgelklänge, Fanfarenstöße und ein gesungenes „Christus vincit, Christus regnat“,
als Benedikt in die New Yorker Kathedrale einzieht. Er ist im geschlossenen, dunklen
Wagen gekommen, aus Sicherheitsgründen, doch draußen an der Fifth Avenue nehmen ihn
Tausende jubelnd in Empfang, Stunden des Wartens und der Nervosität entladen sich
da in Überschwang. Der Papst grüßt den New Yorker Bürgermeister Bloomberg auf den
Spuren der Kirche, winkt einen Moment zu den Wartenden hinüber und betritt dann die
Kathedrale. Man reicht ihm dort auf einem roten Kissen ein Kreuz, das er küsst. „Heiligster
Vater, willkommen in der St.-Patricks-Kathedrale!“, sagt Kardinal Egan – und wird
sofort von langem Beifall unterbrochen. Benedikt steht dankend auf, macht aber beschwichtigende
Gesten. Die Kathedrale hier sei mit den Scherflein der armen Einwanderer erbaut worden
und zu einem spirituellen Zentrum für viele Amerikaner und Besucher aus aller Welt
geworden. In 35 Sprachen, so der Kardinal, werde jeden Sonntag in seinem Erzbistum
die Messe gefeiert – diese vielen Herkünfte der Katholiken in New York spiegelten
sich auch in diesem Gebäude wieder. „Heiliger Vater, Sie kennen unsere Schwächen und
unsere Stärken, Sie kennen unsere Niederlagen und unsere Siege. Stärken Sie unseren
Glauben!“ In der Kathedrale von New York, in der die Messe stattfand, treffen
sich jeden Tag Tausende Menschen aus aller Welt zum Gebet, diese internationale Mischung
sei eines der wichtigsten Merkmale der US-Kirche, die seit jeher Elemente unterschiedlicher
Kulturen miteinander verbunden habe, betonte der Papst.
„Wahres Leben gibt
es nur in Versöhnung, Freiheit und Liebe, die Gottes Gnadengabe sind. Das ist die
Botschaft die wir in einer Welt verkünden und verkörpern müssen, in der die Gnade
in den Herzen der Menschen häufig von Egoismus, Gier, Gewalt und Zynismus unterdrückt
wird“, sagte der Papst in seiner Predigt. Eine solche frohe Botschaft könnten
Priester und Ordensleute aber nur verkünden, wenn sie sich nicht zu sehr auf Routine
und feste Strukturen der Kirche konzentrierten.
„Vielleicht haben wir eins
aus dem Blick verloren“, mahnte der Papst: !In einer Gesellschaft, in der die Kirche
vielen als legalistische Institution erscheint, besteht unsere wichtigste Herausforderung
darin, die Freude am Glauben und die Erfahrung der Liebe Gottes mitzuteilen.“
Die
Welt von heute habe eine tiefe Sehnsucht nach Spiritualität, meinte Benedikt. Umso
wichtiger sei die Botschaft der Kirche, die aber von Routine bei der Glaubensausübung,
Sünden und Schwächen der Kirchenmitglieder und einer Gesellschaft gehemmt werden könne,
die mitunter Gott vergessen zu haben scheine und elementare moralische Forderungen
verübele.
Benedikt warf in seiner Predigt auch einen Blick auf die Entwicklungen
nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Zu
den größten Enttäuschungen gehörten demnach seitdem die Spaltungen zwischen verschiedenen
Gruppen, Generationen und Mitgliedern der Kirche. Nur wenn die Vertreter der verschiedenen
Strömungen ihre Aufmerksamkeit wieder auf Christus konzentrierten und einander zuhörten,
könnten sie ihre je eigenen Fehler eingestehen und wieder gemeinsam ihren Glauben
verkünden, mahnte Benedikt. Geschlossenheit unter den Christen sei für die Verkündung
der christlichen Botschaft heute unerlässlich. Es ist eine Messe für Priester,
Ordensleute, Seminaristen, bei der besonders an die Bistümer der US-Ostküste gedacht
wird. Eine sehr feierliche Messfeier: Die Messgewänder von Papst und Konzelebranten
sind beige mit vielen Goldakzenten, Benedikt trägt eine Mitra mit einem großen goldenen
Kreuz. Der Papst kämpft sichtlich mit der Müdigkeit, immer wieder fallen ihm auf einmal
die Augen zu. Aber er ist doch sichtlich bewegt, hier zu sein. Und er feiert ein Jubiläum:
Heute vor drei Jahren wurde er zum Nachfolger des Petrus gewählt.
Die erste
Lesung wird von einer Ordensfrau auf Spanisch vorgetragen; Fürbitten gibt es in etwa
einem Dutzend verschiedenster Sprachen. An fast jeder Säule der Kathedrale wird das
Geschehen über einen modernen Plasma-Bildschirm weiterübertragen, damit auch die alles
mitverfolgen, die keinen direkten Blick nach vorne auf den Hauptalter haben. In seiner
zwanzigminütigen Predigt spricht der Papst erneut das Thema der Pädophilie-Skandale
an; vor allem aber ruft er zu neuer Hoffnung und neuem Schwung bei der Verkündigung
von Gottes Liebe auf. Die Kirche sei wie die Fenster der Patricks-Kathedrale: Wenn
man von außen draufschaut, wirken sie grau, aber von innen, aus der Kirche heraus,
sind sie voller Licht. Die Kirche ist überhaupt wie eine gotische Kathedrale: Ein
Bündel wiederstreitender Kräfte, die aber alle letztlich nach oben zielen.
Man
muss die Bemerkung wohl als Kompliment werten, die dem Moderator eines New Yorker
Fernseh-Senders entfährt: „Diese Messe ist ja wie ein Baseball-Match – alle sind hier
mit im Spiel.“ Papst Benedikt überreicht an Kardinal Egan einen Kelch – sein Geschenk
an das Erzbistum New York.