2008-04-19 16:57:15

Papst-Messe: „Welt hat tiefe Sehnsucht nach Spiritualität“


RealAudioMP3 Einen Tag, bevor er im New Yorker Yankee Stadium seine zweite große Open-Air-Messe der USA-Reise feiern wird, hat der Papst am Samstag gemeinsam mit Priestern und Ordensleuten in der Saint-Patrick’s-Cathedral im Herzen von Manhattan einen Gottesdienst zelebriert. Dabei ermutigte er sie, sich von Säkularisierungstendenzen nicht entmutigen zu lassen und die gemeinsame Arbeit zur Überwindung der Missbrauchsskandale als Phase der Heilung und Reinigung zu nutzen.

Feierliche Orgelklänge, Fanfarenstöße und ein gesungenes „Christus vincit, Christus regnat“, als Benedikt in die New Yorker Kathedrale einzieht. Er ist im geschlossenen, dunklen Wagen gekommen, aus Sicherheitsgründen, doch draußen an der Fifth Avenue nehmen ihn Tausende jubelnd in Empfang, Stunden des Wartens und der Nervosität entladen sich da in Überschwang. Der Papst grüßt den New Yorker Bürgermeister Bloomberg auf den Spuren der Kirche, winkt einen Moment zu den Wartenden hinüber und betritt dann die Kathedrale. Man reicht ihm dort auf einem roten Kissen ein Kreuz, das er küsst.
„Heiligster Vater, willkommen in der St.-Patricks-Kathedrale!“, sagt Kardinal Egan – und wird sofort von langem Beifall unterbrochen. Benedikt steht dankend auf, macht aber beschwichtigende Gesten. Die Kathedrale hier sei mit den Scherflein der armen Einwanderer erbaut worden und zu einem spirituellen Zentrum für viele Amerikaner und Besucher aus aller Welt geworden. In 35 Sprachen, so der Kardinal, werde jeden Sonntag in seinem Erzbistum die Messe gefeiert – diese vielen Herkünfte der Katholiken in New York spiegelten sich auch in diesem Gebäude wieder. „Heiliger Vater, Sie kennen unsere Schwächen und unsere Stärken, Sie kennen unsere Niederlagen und unsere Siege. Stärken Sie unseren Glauben!“
In der Kathedrale von New York, in der die Messe stattfand, treffen sich jeden Tag Tausende Menschen aus aller Welt zum Gebet, diese internationale Mischung sei eines der wichtigsten Merkmale der US-Kirche, die seit jeher Elemente unterschiedlicher Kulturen miteinander verbunden habe, betonte der Papst.

„Wahres Leben gibt es nur in Versöhnung, Freiheit und Liebe, die Gottes Gnadengabe sind. Das ist die Botschaft die wir in einer Welt verkünden und verkörpern müssen, in der die Gnade in den Herzen der Menschen häufig von Egoismus, Gier, Gewalt und Zynismus unterdrückt wird“, sagte der Papst in seiner Predigt.
Eine solche frohe Botschaft könnten Priester und Ordensleute aber nur verkünden, wenn sie sich nicht zu sehr auf Routine und feste Strukturen der Kirche konzentrierten.

„Vielleicht haben wir eins aus dem Blick verloren“, mahnte der Papst: !In einer Gesellschaft, in der die Kirche vielen als legalistische Institution erscheint, besteht unsere wichtigste Herausforderung darin, die Freude am Glauben und die Erfahrung der Liebe Gottes mitzuteilen.“

Die Welt von heute habe eine tiefe Sehnsucht nach Spiritualität, meinte Benedikt. Umso wichtiger sei die Botschaft der Kirche, die aber von Routine bei der Glaubensausübung, Sünden und Schwächen der Kirchenmitglieder und einer Gesellschaft gehemmt werden könne, die mitunter Gott vergessen zu haben scheine und elementare moralische Forderungen verübele.

Benedikt warf in seiner Predigt auch einen Blick auf die Entwicklungen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Zu den größten Enttäuschungen gehörten demnach seitdem die Spaltungen zwischen verschiedenen Gruppen, Generationen und Mitgliedern der Kirche. Nur wenn die Vertreter der verschiedenen Strömungen ihre Aufmerksamkeit wieder auf Christus konzentrierten und einander zuhörten, könnten sie ihre je eigenen Fehler eingestehen und wieder gemeinsam ihren Glauben verkünden, mahnte Benedikt. Geschlossenheit unter den Christen sei für die Verkündung der christlichen Botschaft heute unerlässlich.
Es ist eine Messe für Priester, Ordensleute, Seminaristen, bei der besonders an die Bistümer der US-Ostküste gedacht wird. Eine sehr feierliche Messfeier: Die Messgewänder von Papst und Konzelebranten sind beige mit vielen Goldakzenten, Benedikt trägt eine Mitra mit einem großen goldenen Kreuz. Der Papst kämpft sichtlich mit der Müdigkeit, immer wieder fallen ihm auf einmal die Augen zu. Aber er ist doch sichtlich bewegt, hier zu sein. Und er feiert ein Jubiläum: Heute vor drei Jahren wurde er zum Nachfolger des Petrus gewählt.

Die erste Lesung wird von einer Ordensfrau auf Spanisch vorgetragen; Fürbitten gibt es in etwa einem Dutzend verschiedenster Sprachen. An fast jeder Säule der Kathedrale wird das Geschehen über einen modernen Plasma-Bildschirm weiterübertragen, damit auch die alles mitverfolgen, die keinen direkten Blick nach vorne auf den Hauptalter haben. In seiner zwanzigminütigen Predigt spricht der Papst erneut das Thema der Pädophilie-Skandale an; vor allem aber ruft er zu neuer Hoffnung und neuem Schwung bei der Verkündigung von Gottes Liebe auf. Die Kirche sei wie die Fenster der Patricks-Kathedrale: Wenn man von außen draufschaut, wirken sie grau, aber von innen, aus der Kirche heraus, sind sie voller Licht. Die Kirche ist überhaupt wie eine gotische Kathedrale: Ein Bündel wiederstreitender Kräfte, die aber alle letztlich nach oben zielen.

Man muss die Bemerkung wohl als Kompliment werten, die dem Moderator eines New Yorker Fernseh-Senders entfährt: „Diese Messe ist ja wie ein Baseball-Match – alle sind hier mit im Spiel.“ Papst Benedikt überreicht an Kardinal Egan einen Kelch – sein Geschenk an das Erzbistum New York.

(rv 19.04.2008 sk/bg/mg)







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