Bei seinem Besuch
in den USA muss der Papst noch deutlichere Worte finden zu dem Missbrauchsskandal,
meinen viele Kommentatoren der internationalen Presse. Zudem soll Benedikt XVI. auf
den Wandel der US-Kirche reagieren. Unser Korrespondent vor Ort, Stefan von Kempis,
hat die US-amerikanischen Zeitungen genauer unter die Lupe genommen:
Zwei Dinge
überraschen mich beim Blick in die Zeitungen an diesem Donnerstag: Nicht alle zeigen
den Papst groß auf Seite eins, und nicht alle streichen – wie ich das vermutet hätte
– seine offenen Worte zu den Pädophilie-Skandalen besonders heraus.
Die meistgelesene
Tageszeitung, „USA today“, zeigt Benedikt XVI. lächelnd auf dem Rasen des Weißen Hauses;
daneben steht aber die ernste Überschrift: „Benedikt: Heilt die Wunden! Papst ruft
die Kirchenführer zu einem Heilungs-Prozess nach dem Skandal auf.“ In sehr deutlichen
Worten, so heißt es dann im Artikel, habe der Papst auch eine Stärkung der Ehe gefordert
und sich gegen Relativismus ausgesprochen. Das Blatt zitiert Kardinal Mahoney von
Los Angeles, dessen Erzbistum besonders viel mit Pädophilie-Fällen zu tun hatte, mit
den Worten: „Der Papst ist nicht gekommen, um irgendetwas unter den Teppich zu kehren.“
Im Innenteil: Ein Bericht über die Freude vieler Menschen in Washington, den Papst
zu sehen, ihm vom Straßenrand aus zuzuwinken. Tenor: „Our country needs to see this“
– unser Land braucht das jetzt.
Die seriöse “New York Times” zeigt auf Seite
eins nur ein winziges Foto des Papstes ganz unten in der Ecke; die wenigen danebenstehenden
Zeilen sagen, dass Benedikt den Säkularismus kritisiere – er hindere die Menschen
daran, frei ihre Religion auszuüben. Im Innenteil, aber weit hinten: Bunte Bilder
vom Empfang des Papstes in der Hauptstadt. Berichte, die seine Worte zu den Pädophilie-Skandalen
erwähnen, ohne sie aber groß hervorzuheben. Ein Kommentar mit dem Titel: „Warmes Willkommen
und ein Gefühl der Einigkeit.“ Und eine Analyse all dessen, was Fernseh-Moderatoren
in diesen Tagen zum Papstbesuch alles so von sich geben: Eine Papstreise sei offenbar,
so die „NYT“ mit leichtem Spott, „so etwas wie eine königliche Hochzeit“ – da fühlten
viele sich berufen, auch noch ihren Senf dazuzugeben.
Das „Wall Street Journal“
betont an diesem Donnerstag mehr die Fernsehdebatte zwischen Barack Obama und Hillary
Clinton. Zum Papstbesuch sind die Informationen relativ knapp – die Überschriften:
„Papst und Bush einig in Sachen Freiheit und Moral“ und „Papst und Bush äußern ähnliche
Ansichten.“ Die weniger seriöse, aber millionenfach verbreitete „Daily News“ hingegen
zeigt den Papst und den Präsidenten auf Seite eins, und dazu den Riesentitel: „God
bless America“, Gott segne Amerika. Innen wird ein Teil der ersten Ansprache Benedikts
auf US-Boden abgedruckt, und ein Kommentator führt aus: „Selten zeigt ein großer Welt-Führer
solchen Respekt vor amerikanischen Werten wie der Papst. Möge er weithin gehört werden!“
Auch in Amerika selbst, so gibt der Artikel dann noch zu verstehen.
Was bietet
die „Daily News“ noch? Eine Analyse der Schuhe des Papstes. Ein Bild, wie er im Weißen
Haus die Kerzen auf seiner Geburtstagstorte ausbläst. Ein paar Worte zu seiner Katzen-Liebe
und die Behauptung, er besitze eine Pilotenlizenz und fliege manchmal selbst den Hubschrauber
von Rom nach Castelgandolfo. Das Bild von Papst und Geburtstagstorte zeigt übrigens
auch die New Yorker Zeitung „Newsday“ – mit der schönen, amerikanischen Überschrift
„He takes the cake“, Er nimmt den Kuchen in Angriff. Die „Newsday“ hat aber als Titelbild
keinen lächelnden Benedikt am Weißen Haus gewählt, sondern zeigt ihn streng blickend
im Messgewand, und daneben in großen Lettern: „Heilt die Wunden!“
Fazit: In
den Medien wirkt dieser Besuch bislang doppelgesichtig. Auf der einen Seite Feststimmung,
Jubel, Massenauflauf. Auf der anderen Seite das ernste Thema der Pädophilie-Skandale. (rv
17.04.2008 sk)