Von New York aus beobachtet Stefan Kempis für uns den Papstbesuch. Was sind denn die
Eindrücke des ersten vollen Reisetages?
Zunächst einmal: Der Empfang des Papstes
am Weißen Haus hat einen sehr entspannten, fröhlichen Auftakt gesetzt. Das war von
den US-Gastgebern perfekt orchestriert, um Benedikt – auch noch an seinem 81. Geburtstag
– wirklich das Gefühl zu geben, dass er in den Vereinigten Staaten willkommen ist.
Vorher gab es zwar noch Befürchtungen, der scheidende Präsident Bush oder seine Republikanische
Partei würden diesen Moment für sich instrumentalisieren, aber ich glaube, die Befürchtungen
haben sich bei diesen Bildern zerstreut. Bush hat eine griffige, kraftvolle Rede gehalten,
Benedikt hat sich auf die protestantischen Gründungsväter der USA berufen und freundliche
Signale an alle Ethnien und Religionen im Land ausgeschickt – das kommt an. Es war
übrigens, wie die Medien betonen, die größte Menschenansammlung am Weißen Haus in
der ganzen Epoche der Präsidentschaft Bush. Hier in New York reden die Leute tatsächlich
auf der Straße über den Papst; sie freuen sich, dass er da ist, sind neugierig. „Hast
du Karten für die Papstmesse bekommen?“, fragt heute auf der Fähre nach Staten Island
ein Student, der neben mir steht, den anderen, und der antwortet: „Ja, und ich gehe
auf jeden Fall hin. Das kann man doch nicht verfallen lassen.“ Übrigens hat ein großer
Fernsehsender die erste Papstrede auf US-Boden mit englischen Untertiteln versehen
– so ganz scheint man das deutsch gefärbte Englisch des Papstes hier vielleicht nicht
zu verstehen.
Am Mittwoch Nachmittag Ortszeit hat der Papst die US-Bischöfe
getroffen – was ist Ihr Eindruck von diesem Auftritt?
Die Bilder haben mich
sehr an das Treffen des Papstes mit lateinamerikanischen Bischöfen erinnert, letztes
Jahr in Brasilien. Das fand nämlich ebenfalls in der Krypta einer großen Marienkirche
statt, was zu einer ganz eigenen, konzentrierten Atmosphäre führt. Der Papst wirkte
an diesem Nachmittag ziemlich erschöpft, mit Ringen unter den Augen; zuvor, als er
mit dem Papamobil durch die Straßen der Hauptstadt gefahren war, hatte es viel Beifall
gegeben, aber auch ein paar Protestler, die an die Pädophilie-Skandale in der US-Kirche
erinnerten. Ich glaube, dass die Rede des Papstes an die Bischöfe in den Medien und
bei den Menschen hier in den USA gut ankommen wird: Da gibt es mitfühlende Worte zum
Terror des 11. September 2001 und für die Hochwasser-Opfer von New Orleans, für die
Immigranten, auch für die Laien in der Kirche, ein Lob für den tiefen Glauben in Amerika…
Die Warnungen vor Säkularismus, vor Materialismus und dem Zerfall der Familie waren
gewissermaßen sehr gut „verpackt“. Vor allem aber werden wohl die Worte des Papstes
zu den Pädophilie-Skandalen die kommende Berichterstattung bestimmen. Da hat er selbst,
den Vorsitzenden der Bischofskonferenz zitierend, kritisiert, die Fälle seien „manchmal
sehr schlecht gehandhabt worden“. Diese Worte werden wir wohl am Donnerstag Ortszeit
auf mancher Titelseite wieder finden. Den Amerikanern wird diese Deutlichkeit gut
tun.
Wie geht es jetzt weiter für den Papst?
Benedikt wird am Donnerstag
eine große Messe im modernsten Baseball-Stadion der USA feiern: seine erste große
Begegnung mit den Katholiken der USA. Am Nachmittag gibt es dann eine Art „Regensburger
Rede“ Nummer zwei – da spricht der Papst nämlich an der Katholischen Universität der
USA in Washington, und es könnte erneut um Vernunft und Glauben gehen. Und am Donnerstag
Abend steht ein interreligiöses Treffen auf dem Programm.