Nach monatelangen
Unruhen mit mehr als 1200 Todesopfern scheint der Konflikt in Kenia gelöst. Wiederholt
hatten auch die Bischöfe des Landes zur Aussöhnung zwischen den rivalisierenden Gruppen
aufgerufen. Am Sonntag ernannte Kenias Präsident Mwai Kibaki nun Oppositionsführer
Raila Odinga zum Premierminister und stellte eine Einheitsregierung für das ostafrikanische
Land vor. Der großen Koalition gehören 40 Minister an, 20 von jeder Seite. Mit
Staatssekretären und Vizeministern zählt das Kabinett insgesamt mehr als 90 Personen
und ist damit eines der größten ganz Afrikas. Hier liegt ein weiteres Risiko, befürchtet
der Steyler Missionar Karl Schaarschmidt SVD, der seit 1985 in Kenia lebt. „Die
Bevölkerung wird das wohl um des lieben Friedens willen akzeptieren. Jetzt muss abgewartet
werden, ob die neue Regierung zusammenarbeiten kann. Allgemein ist man aber der Auffassung,
dass die einzelnen Lager jetzt zufrieden sind, und man hat große Hoffnungen, dass
der Zusammenschluss der Parteien nun doch zum Ziel führt.“ Zum Erfolg haben
die stillen Verhandlungen zwischen den Spitzenvertretern der Parteien geführt – unter
Ausschluss der fanatischen Anhänger, meint Schaarschmidt. Bei den Kämpfen zwischen
den rivalisierenden Volksgruppen Kikuyu (zu ihnen zählt Kibaki) und Luo (Odinga) waren
rund 1.200 Menschen ums Leben gekommen, 300.000 Kenianer wurden vertrieben.
Ruhe
herrscht auch nach der Regierungsbildung nicht: Bei Protesten einer verbotenen Sekte
sind an diesem Montag mindestens zwölf Menschen getötet worden. Laut Polizei wurden
fünf Mitglieder der Mungiki-Sekte in Nairobi getötet, sieben weitere in anderen Landesteilen.
Der Steyler Missionar berichtet aus der Hauptstadt: „Aufgrund der Unruhen hier
in der Stadt können sich die Menschen weiterhin nicht auf die Regierung konzentrieren.
Sie werden durch den Aufstand der Mungiki-Sekte abgelenkt.“ Zu den Protesten
kam es, nachdem die Frau des inhaftierten Sektenführers in der vergangenen Woche ermordet
und verstümmelt aufgefunden worden war. Die verbotene Sekte besteht hauptsächlich
aus jungen Arbeitslosen aus dem Stamm der Kikuyu, der größten Volksgruppe Kenias.
Der religiösen Gruppierung mit politischen Verbindungen werden zahlreiche Verbrechen
zur Last gelegt, darunter eine Mordserie seit März vergangenen Jahres in Nairobi und
Zentralkenia. Schaarschmidt: „Das ist eine Bande, die sich hier sehr breit gemacht
hat. Jetzt probt sie den Aufstand. Die Anhänger verbrennen alte Reifen auf der Straße.
Die Straßen werden mit Steinen blockiert. Die Polizei versucht alles unter Kontrolle
zu bringen, in unserem Bezirk gibt es große Schießereien. Das ist eine Katz-und-Maus-Schlacht,
um das unter Kontrolle zu bringen.“ Der Missionar spricht von einer mafiösen
Vereinigung: Die Sekte verlange Schutzgeld von Fahrern und Geschäftsleuten, habe bei
den Unruhen nach den Wahlen zahlreiche Menschen getötet. Die Mungiki verlangen die
Rückkehr zu altafrikanischen Bräuchen aus den Stammesreligionen. Frauen, die sich
westlich kleiden, werden die Kleider öffentlich vom Leib gerissen, berichten Augenzeugen. Der
Steyler Missionar betont: Die fanatische Sekte aus dem Kikuyu-Volk sei nicht die einzige:
„Auch die andere Seite hat eine große Sekte. In Kenia bekämpfen sich zwei große
Sekten. Die Regierung versucht, sie unter Kontrolle zu bringen, doch sie haben sich
schon sehr stark ausgebreitet.“ (rv/reuters/afp/misna 14.04.2008 gs/bp)