2008-04-13 16:00:46

Vor der USA-Reise: „Papst trifft verjüngte Kirche"


RealAudioMP3 Vom 15. bis 21. April besucht Papst Benedikt XVI. die USA. Es ist die achte Auslandsreise des Papstes, der am 16. April außerdem 81 Jahre alt wird. Was erwartet das Kirchenoberhaupt in Washington und New York, den beiden Stationen des Besuchs? Der katholische Journalist und USA-Spezialist Ferdinand Oertel berichtetet von einer multikulturellen, sich verjüngenden Kirche. Bischöfe wie Laien erwarteten nach der Krise durch den Pädophilieskandal „ein neues Pfingsten“, sagte der frühere Chef vom Dienst der Katholischen Nachrichtenagentur im Gespräch mit Radio Vatikan.

Lesen und hören Sie das ganze Interview von Birgit Pottler mit Ferdinand Oertel:

Zunächst einmal muss man wirklich sagen, dass die amerikanischen Katholiken, je näher der Besuch rückt, umso verrückter spielen und regelrecht dem Papst entgegenfiebern. Sein Bild hat sich gewandelt. Er ist früher stark abgestempelt gewesen als der ,Watch-dog’ des Vatikans, des Uffiziums, und auch als ein ausschliesslich theologischer Kirchenmann. Das Bild hat sich sehr stark geändert und zwar vorwiegend durch die beiden Enzykliken. Er ist jetzt der Botschafter der Liebe und der Hoffnung. Sowohl die Bischöfe, als auch die Katholiken erwarten von ihm geistige Inspiration – man hat sogar gesagt ,ein neues Pfingsten für die katholische Kirche’ - nach diesem doch sehr schwerwiegendem Pädophilieskandal, der die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche in Amerika sehr herabgesetzt hat.“

Gut ein Fünftel der Amerikaner ist katholisch. Wie muss man sich das kirchliche Leben in den Vereinigten Staaten vorstellen? Wo liegen die Schwerpunkte, welche Organisationen gibt es, die repräsentativ sein könnten für die Stimmung unter den Katholiken?
Es ist auch in den amerikanischen Medien schon darauf hingewiesen worden, dass dieser Papst eine ganz andere katholische Kirche kennenlernt als noch Johannes Paul II. auf seinen vielen Amerikareisen. Das liegt jetzt auch schon fast 15-20 Jahre zurück. Die katholische Kirche in Amerika ist viel multikultureller geworden. Ein Universitätsprofessor sagte jüngst, Benedikt wird diejenige Kirche der Weltkirche antreffen, die am stärksten durch verschiedene nationale Traditionen geprägt wird. Er hat auch in seiner Video-Botschaft schon teilweise spanisch gesprochen. Diese große Anzahl spanischer Zuwanderer verändert auch das katholische Leben in den Gemeinden sehr stark. Die Volksfrömmigkeit der spanisch geprägten Katholiken ist etwas anders, als die derjenigen, der sonst europäisch geprägten, aus Italien oder aus Polen. Das bringt in den Gemeinden, wie Kardinal Georges gesagt hat, eine neue vielfältige Vitalität.

Sie haben das Problem des sexuellen Missbrauchs, des Pädophilieskandals angesprochen. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone betonte jetzt im Vorfeld der Reise, Papst Benedikt wird über diese Problematik sprechen. Nun ist es zwar eine große Erwartung in den USA, das dieses Thema angesprochen wird, aber ist es nicht das einzige Problem oder die einzige Schwierigkeit der Katholiken in den USA. In welcher Situation befindet sich diese Kirche derzeit? Welche sind die Themen, die sie wirklich interessieren?
Das Hauptproblem ist zwar noch nicht so stark wie hier in den westeuropäischen Kirchen, aber ist auch schon in Amerika ausgeprägt: ein großer Priestermangel, der immer größer wird, auch unter den Ordenspriestern. Er prägt das katholische Leben auch deshalb besonders, weil gerade die Orden in dem weitverbreiteten katholischen Schulwesen und Gesundheitswesen, die katholischen Hospitäler, sehr viel geleistet haben, jetzt aber schon weitgehend durch immer mehr Laien ersetzt werden, die in den kirchlichen Dienst eintreten. Es ist gerade statistisch herausgekommen, dass die Zahl, der im kirchlichen Dienst aktiven Laien mit 30.000 inzwischen schon die Zahl der aktiven Priester übersteigt.
Das ist der eine Punkt: Priestermangel und Laienaktivität. Der andere ist, dass auch die Bischofskonferenz stark verjüngt ist. In den meisten größeren Städten sind in den letzten Jahren neue Bischöfe ernannt worden und die drängen darauf hin, dass der Episkopat doch mit einer Stimme spricht und nicht, wie das in der Vergangenheit häufig war, als es die starken Auseinandersetzungen zwischen Konservativen und Progressiven gab, mit unterschiedlichen Stimmen auch in der Öffentlichkeit gegeneinander standen. Heute ist nicht mehr so stark der Gegensatz zwischen Konservativen und Progressiven bestimmend, sondern eine große Kluft zwischen der Vor-Konzils-Generation, die noch in den alten Glaubenstraditionen erzogen ist und lebt, zwischen den reformistischen Nach-Konzils-Generationen und dann vor allem zwischen einer kirchendistanzierteren Milleniums-Jugend. Die Frage, wie die Kirche die Jugendlichen heute erreicht, ist eine der zentralen Fragen in der Pastoral der Bischöfe.
 
Wieviele Möglichkeiten hat Papst Benedikt, diese katholische Kirche in den Vereinigten Staaten kennenzulernen? Es kreist ein wenig der Vorwurf unter Beobachtern, dass dieser Papst als Lehrender, als Sprechender kommt und nicht als Hörender. Kann er selbst dieses Vorurteil wiederlegen?
Ich denke schon. Man muss zwei Ebenen sehen. Einmal werden ihn nicht nur die Katholiken, die ihn wirklich in Realität an der Ostküste sehen, erleben, sondern die Katholiken in ganz Amerika werden ihn erleben. Das ist das erste Mal in der Geschichte eines Papstbesuches: Er findet nämlich auch online statt. In allen Diözesen und auch von der Bischofskonferenz aus, von Orden, von katholischen Zeitschriften aus sind Internetauftritte des Papstes, von seiner Ankunft bis zum Schluss, vorgesehen. Wenn man weiß, dass alle Diözesen eine bestimmte Anzahl von Karten für die großen Messen in Washington und New York zugeteilt bekommen haben und weiß, dass sie Sonderflüge nach Washington und New York organisiert haben, dann darf man annehmen, dass der der Papst von allen Katholiken in Amerika bestimmt sehr gut wahrgenommen wird.
Inwieweit er selbst mit allen Gruppierungen offen und länger sprechen kann, hängt von der Grundstruktur solcher Papstbesuche oder solcher Besuche überhaupt ab. Die haben ein festes Programm und Gelegenheit zum Gespräch mit allen Gruppen gibt es kaum. Man muss aber dazu sagen, dass er nicht nur Gelegenheit hat, mit den Bischöfen zu sprechen, sondern er wird auch mit führenden Theologen sprechen können, wenn er die Präsidenten der Colleges und Universitäten trifft. Er wird vor allen Dingen auch im interreligiösen Bereich in New York bestimmt nicht nur vor den Vertretern referieren, sondern er wird auch – wie er das auf anderen Reisen gemacht hat – mit ihnen ins Gespräch kommen. Laien sind weniger repräsentiert, weil es in der amerikanischen Kirche auch keine direkte Laienrepräsentanz gibt. Eine wichtige Rolle spielen die ,Knights of Colombus’, die Kolumbusritter. Das ist die größte Laienoragnisation, und einige deren Vertreter werden bestimmt auch zu Gesprächen mit dem Papst kommen.“

 
Sie haben angedeutet, der Papst wird in den ganzen Vereinigten Staaten, an Ost-und Westküste präsent sein. Kann aber seine Botschaft an der Ostküste auch für die Menschen der Westküste gelten? Sind die Situationen, die probleme, die Gegebenheiten in diesem land nicht viel zu unterschiedlich?
Im religiösen Bereich eigentlich nicht. Die katholische Kirche steht in SanFransisco vor denselben Problemen wie in Chicago und auch wie an der Ostküste. Darin sehe ich nicht das Hauptproblem.“
Das heißt, der Wunsch des Papstes, den er in seiner Botschaft zum Ausdruck gebracht hat, er tätige einen Besuch für alle US-Bürger, kann durchaus Wirklichkeit werden?
Das könnte Wirklichkeit werden, weil die Hauptcharakteristika für die katholische Kirche in Amerika, diese doch sehr vitale Frömmigkeit unterschiedlicher nationaler Prägung, überall kennzeichnend ist. Es ist zu hoffen, dass er das auch als Sehender und Hörender kennenlernt. Ein zweites: Amerika ist eine demokratische Gesellschaft, in der Freiheit, Dialog und Respekt voreinander die höchsten Güter sind. Diese Wesenszüge der Amerikaner und der katholischen Kirche sind von Ost bis West diegleichen, deshalb kann er die bei diesem Besuch ganz bestimmt kennenlernen.

Der Besuch beginnt politisch. Ein Besuch im Weißen Haus mit Stastspräsident Bush, dann am Freitag die Rede vor der UNO-Vollversammlung. Wie weit besteht denn die Gefahr, dass diese Pastoralreise von den politischen Themen – die Vereinigten Staaten stehen im Wahlkampf – überlastet wird?
Überlastet werden dürften sie bestimmt nicht. Kardinal Stafford hat auch darauf hingewiesen, dass es nicht zu vermeiden ist in dieser Vor-Wahlsituation, dass das was der Papst sagt politisch ausgemünzt wird. Aber der Grundtenor wird sein, dass er das moralische Urteil der Menschen gegenüber der Politik schärfen will. Der Besuch bei Bush und bei der UNO werden wahrscheinlich in der amerikanischen, allgemein säkularen Öffentlichkeit am ehesten wahrgenommen. Ansonsten wird leider darauf hingewiesen, dass die Öffentlichkeit kurz nachdem der Papst abgereist ist, wieder viel stärker auf die nächsten entscheidenen Vor-Wahlen in Pennsylvania konzentriert sein wird.

 
Sehen Sie die Gefahr eines Missbrauchs des Papst Besuchs für den einen oder anderen Kandidaten?
Für Kandidaten ganz bestimmt nicht. Es kann höchstens etwas der Besuch bei Bush, dem Repräsentanten der Republikaner, ausgedeutet werden. Aber ich glaube, da ist Benedikt XVI. versiert genug, um dem entsprechend vorzubeugen.
 
(rv 13.04.2008 bp)








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