Italien: Schönborn, "Wiederentdeckung der Beichte"
Wer hohe Ansprüche
hat, kann tief fallen. Das gilt für Christen in besonderem Maße. Eine schwere Sünde,
von bekennenden Katholiken begangen, fordert hämische Kommentare oder Entsetzen anderer
heraus. Dabei ist allen klar, dass Menschen Menschen sind, in anderen Worten, dass
sie Fehler machen – Christen sprechen von Sünde. Dass die katholische Kirche für genau
diese Fälle ein probates Mittel der Versöhnung parat hat, gerät manchmal aus dem Blickfeld.
Und zwar sowohl bei den Skeptikern als auch bei den Gläubigen selbst. Sünde, Reue,
Vergebung, Barmherzigkeit. Beichte. Genau darum geht es dieser Tage in Rom beim „Ersten
Weltkongress der Göttlichen Barmherzigkeit“. Wir haben nachgefragt, was es damit auf
sich hat.
Wenn die Barmherzigkeit Gottes heute für Christen wieder mehr zum
Thema geworden ist als in vergangenen Zeiten, dann ist das auch das Verdienst einer
polnischen Ordensfrau, die 1938 starb. Schwester Faustina Kowalksa, eine Mystikerin
des 20. Jahrhunderts, hatte Zeit ihres Lebens hunderte Jesuserscheinungen, die sie
in ihrem Tagebuch in allen Einzelheiten schildert. Der Auftrag, den sie von Jesus
erhält, ist, die Welt über die göttliche Barmherzigkeit zu unterrichten. Sschwester
Faustina führt aber auch Buch über Akte der Sühne, die ihr auferlegt sind:
„Einmal
lernte ich eine Person kennen, die beabsichtige, eine schwere Sünde zu begehen. Ich
bat den Herrn, die größte Pein auf mich herabzusenden, damit diese Seele gerettet
wird. Plötzlich fühlte ich den furchtbaren Schmerz der Dornenkrone auf meinem Kopf.
Er hielt lange an, aber diese Person verblieb in der Gnade Gottes.“
Das
Gottesbild von Sr. Faustina macht es zeitgenössischen Gläubigen nicht unbedingt einfach.
Es zeigt einen Gott, der Opfer braucht – Ausgleich für begangene Sünden.
„Das
Gottesbild von Schwester Faustina ist sehr nahe an dem des Evangeliums, wenn es authentisch
ist, kann es nur nahe am Evangelium sein.“
…sagt Kardinal Christoph Schönborn.
Der Wiener Erzbischof steht dem Weltkongress der Barmherzigkeit als Präsident vor.
„Und wir übersehen manche Dinge im Evangelium gerne, weil sie nicht angenehm
sind. Jesus konnte unglaublich hart reagieren. Und zwar wenn er auf Herzenshärte gestoßen
ist. Darum ist das ein urbiblisches Thema: verhärtet eure Herzen nicht, heißt es in
Psalm 95, den die Kirche jeden Morgen als erstes betet. Und es gibt eigentlich nur
einen Punkt, wo Jesus unbarmherzig erscheint. Doch wo er auch nur der leisesten Öffnung
des Herzens begegnet, hat man den Eindruck, da schmilzt er dahin, da ist das Erbarmen
ohne Grenzen. Ich würde das so sagen: der Landeplatz für die göttliche Barmherzigkeit
ist das offene Herz, das Herz, das nicht den anderen verurteilt, nicht den anderen
verachtet, und das die eigene Armseligkeit zu sehen beginnt.“
Sr. Faustina
war eine einfache, bescheidene Frau. Mit 18 trat sie einem eigentlich zufällig gewählten
Orden bei, den Schwestern der Lieben Frau der Barmherzigkeit. Dort versah sie Ämter
wie die der Köchin, Gärtnerin und Pförtnerin. Ihre mystische Beziehung zum Herrn,
ihr Erwählt-Sein, brachte Sr. Faustina in Konflikt mit einigen Mitschwestern. Doch
bis zu ihrem Tod im Alter von 33 Jahren lebte sie die Botschaft der Barmherzigkeit
Gottes, die sie in die Welt tragen sollte.
Einmal, in der Nacht, kam eine
unserer Schwestern, die vor zwei Monaten verstorben war, zu mir. Ich sah sie in einem
furchtbaren Zustand – ganz in Flammen, mit schmerzverzerrtem Gesicht. Schauer durchbohrten
meine Seele, denn ich wusste nicht, wo sie leidet, ob im Fegefeuer oder in der Hölle;
doch ich verdoppelte meine Gebete für sie. In der darauf folgenden Nacht kam sie wieder,
ich erblickte sie in einem noch schrecklicheren Zustand, auf ihrem Gesicht malte sich
Verzweiflung. Ich fragte: „Haben dir meine Gebete nicht geholfen?“ Sie
entgegnete mir, meine Gebete hätten nicht geholfen und würden nicht helfen. Ich fragte:
„Und die Gebete, welche die ganze Kongregation für dich aufgeopfert hat, brachten
dir auch keine Hilfe? Sie antwortete: Nein. Diese Gebete kamen anderen Seelen zugute.
Ich erwiderte: „Wenn mein Gebete Ihnen nicht helfen, so bitte ich, nicht mehr zu mir
zu kommen.“ Sie verschwand sofort. Aber ich hörte nicht auf zu beten. Nach einiger
Zeit kam sie wieder in der Nacht zu mir, aber schon in einem anderen Zustand. Sie
war nicht mehr von Flammen umgeben wie zuvor, und ihr Gesicht strahlte, die Augen
glänzten vor Freude, und sie sagte zu mir, ich hätte wahre Nächstenliebe; viele andere
Seelen hätten von meinem Gebeten Nutzen gehabt, und sie ermunterte mich, mit dem Gebet
für die im Fegefeuer leidenden Seelen nicht aufzuhören und sagte, dass sie nur noch
kurz im Fegefeuer bleiben müsse. Gottes Urteile sind doch eigenartig.
Sr.
Faustinas Aufzeichnungen beeindruckten ihren Landsmann Karol Wojtyla sehr. In seiner
zweiten Enzyklika, „Dives in Misericordia“, beschäftigt er sich mit der Barmherzigkeit
Gottes. Er ist es, der Sr. Faustina im Heiligen Jahr 2000 heilig spricht, er ist es,
der das Fest der göttlichen Barmherzigkeit in den liturgischen Kalender einführt.
Als Johannes Paul II. am Vorabend dieses Festes stirbt, sehen nicht nur fromme Polen
darin ein göttliches Zeichen.
Sr. Faustina maß dem Sakrament der Versöhnung,
der Beichte, allergrößte Bedeutung zu. Damit haben heute viele Christen, zumal in
der westlichen Welt, ihre Schwierigkeiten. Dennoch ist ein erneuertes Interesse am
Thema Barmherzigkeit nicht zu übersehen.
„Das liegt am enormen Bedarf an
Barmherzigkeit“,
sagt Kardinal Schönborn:
„Das ist sozusagen
die große Energiekrise unserer Zeit ist noch nicht das Erdöl, aber sicher die Barmherzigkeit.
Die Zufuhr an Erbarmen, an Barmherzigkeit, weil wir das alle so sehr brauchen. Warum
sich das nicht konkret im Bußsakrament umsetzt, in die Bereitschaft, zur Beichte,
ich denke, da wird es eine Wiederentdeckung des Bußsakramentes geben, man sieht es
ja an einigen Orten, wo die Gnade besonders stark am Werk ist, dass dort die Wiederentdeckung
der Beichte sehr stark ist. Ich erinnere mich an den WJT in Rom 2000, wo am Circo
Massimo 600 Beichtzelte standen und die Jugendlichen Schlange gestanden sind vor diesen
Beichtzelten. Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. „ (rv 03.04.2008
gs)