Ob es richtig war
von vielen Staaten des Westens, den Kosovo als unabhängig anzuerkennen - darüber und
über vieles andere, was den Balkan betrifft, kann man streiten. Eines ist hingegen
klar: Die Religion spielt im albanischsprachigen Südosteuropa eine besondere Rolle.
Das zeigte sich jetzt bei einer internationalen Tagung der ökumenischen Stiftung „Pro
Oriente“ in Wien. Übereinstimmung herrschte bei den Teilnehmern auch darin, dass radikale
muslimische Kräfte es im Kosovo und in Albanien sehr schwer haben, Fuß zu fassen.
Alle anderen Fragen, etwa nach der politischen Zukunft des Kosovo oder einem allfälligen
"Großalbanien", wurden hingegen sehr kontrovers diskutiert.
Der wissenschaftliche
Leiter der Tagung, Oliver Jens Schmitt vom Institut für osteuropäische Geschichte
der Universität Wien, betonte, dass im gesamten albanischsprachigen Raum die Nationalität
über die religiöse Zugehörigkeit dominiert. Man verstehe sich in erster Linie als
Albaner und erst in einem zweiten Schritt als Muslim oder Christ. Religion sei vor
allem Privatsache. Die Albaner seien in religiösen Angelegenheiten grundsätzlich sehr
pragmatisch und zeigten wenig Offenheit für radikale Strömungen. Das betreffe sowohl
Albanien als auch den Kosovo. Daher seien bisher auch wahabitische Gruppen gescheitert,
größeren Einfluss zu gewinnen.
Obwohl sie nur 65.000 Mitglieder hat, ist die
katholische Kirche im Kosovo doch von großer Bedeutung, meint Schmitt. Auch für viele
Muslime stehe sie symbolisch für die verstärkte Anbindung an den Westen. Es komme
zu vielen Übertritten. Schmitt erinnert daran, dass in Pristina derzeit eine große
katholische Kathedrale im Bau ist, was vor allem symbolischen Charakter habe und weniger
eine seelsorgliche Notwendigkeit für die kleine katholische Minderheit sei.
Die
katholische Kirche werde auch von den Muslimen als albanisch wahrgenommen. Ganz anders
als die serbisch-orthodoxe Kirche. Hier spiele in der Auseinandersetzung klar der
nationale Gegensatz zu Serbien mit hinein.
Rexhep Ismajli, der Präsident der
Akademie der Wissenschaften und Künste im Kosovo, bestätigte Schmitts Befund und präzisierte:
Ja, mit der orthodoxen Kirche gebe es Probleme. „Orthodoxie und serbische Identität
gehören zusammen. Wir wollen aber keine Staatskirchen, das wäre das falsche Modell.
Noch dazu in einem Land mit muslimischer Mehrheit. Wir wollen kein Modell wie im Iran“.
Ismajli war über viele Jahre enger Weggefährte des ersten Präsidenten des Kosovo,
Ibrahim Rugova.
Deutlich wurde auf der Albanien-Tagung auch, dass der Islam
in der gesamten albanischsprachigen Region als antimodernistisch und als Hindernis
auf dem Weg in das moderne Europa angesehen wird. Die seit dem Ende des Kommunismus
zunehmenden Konversionen von Albanern muslimischer Herkunft zu verschiedenen christlichen
Konfessionen - meist zur katholischen Kirche - bewerten vielen Beobachtern als ein
Indiz für diese Abwertung des Islam.