Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Michel Sabbah, hat Israelis und
Palästinenser mit Nachruck aufgerufen, die Spirale der Gewalt im Heiligen Land endlich
zu überwinden. Die jüngsten blutigen Konflikte in Gaza, Jerusalem und im Westjordanland
seien nichts anderes als die Wiederholungen der Ereignisse der letzten Jahre gewesen,
sagte Sabbah in seiner vermutlich letzten Osterpredigt als Lateinischer Patriarch
in der Jerusalemer Grabeskirche. Es sei dringend geboten, neue Wege der Konfliktlösung
zu finden, anstatt auf Gewalt zu setzen, betonte Sabbah, der seit 1988 als erster
Palästinenser an der Spitze des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem und der überwiegend
arabisch geprägten katholischen Kirche des Heiligen Landes steht. Er hat am 19. März
sein 75. Lebensjahr vollendet und daher beim Papst seinen kirchenrechtlich vorgegebenen
Amtsverzicht eingereicht. Jerusalemer Kirchenkreise gehen davon aus, dass der jordanische
Erzbischof Fouad Twal (67), seit Herbst 2005 Koadjutor in Jerusalem, im Ende Juni
Sabbahs Nachfolge antreten wird. In diesem «Land des Todes» müssten die Verantwortlichen
auf beiden Seiten begreifen, dass Tötungs-Befehle «weder Leben noch legitime Rechte
noch Sicherheit» schützen könnten, unterstrich Sabbah. Frieden und Sicherheit seien
niemals dadurch erreichbar, dass die jeweils andere Seite in Angst und Unsicherheit
gehalten werde. Frieden bringe nur der von Jesus Christus aufgezeigte Weg der Versöhnung
und Nächstenliebe. Dafür müssten jedoch «die Herzen vom fest verwurzelten Übel des
Krieges, der Feindschaft und des Misstrauens gereinigt werden», sagte der Erzbischof
bei dem Ostergottesdienst, der aufgrund der ökumenischen Regelungen in diesem Jahr
bereits am Samstagmorgen gefeiert wurde. Zu dem Gottesdienst waren Tausende einheimischer
Katholiken und Pilger in die Jerusalemer Grabeskirche gekommen. Das jüdische Volk
rief der Patriarch dazu auf, seiner Berufung gerecht zu werden und «der Welt wie sich
selbst das von Gott verheißene Leben» wiederzugeben. Auch Militärbefehlshaber und
Kriegsplaner dürften nicht vergessen, dass das «erwählte Land» dazu bestimmt sei,
der «ganzen Menschheit den ewigen Bund mit Gott» anzubieten. Die einheimischen Christen
erinnerte Sabbah daran, dass Tod und Auferstehung Jesu auch dem scheinbar sinnlosen
Leiden einen Sinn gegeben hätten. Niemand habe daher das Recht, aus seinem Leiden
«ein Gefängnis für sich und die folgenden Generationen zu machen», auch wenn es groß
und unbegreiflich sei. Vielmehr sei es Aufgabe der Christen, durch die «Macht von
Vergebung und Liebe» den Tod als Weg zu einem neuen Leben zu begreifen.