Die österreichischen
Bischöfe sind tief besorgt über Tendenzen in der Gesellschaft, die das Lebensrecht
von Behinderten in Frage stellen. Das betonte Kardinal Christoph Schönborn am Feitag
in Wien bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz.
In einer Erklärung üben die Bischöfe unter dem Titel „Kinder sind kein Schadensfall“
scharfe Kritik am jüngsten Urteil des Obersten Gerichtshofs über Schadenersatzansprüche
für ein behindertes Kind, dessen Behinderung von der Ärztin während der Schwangerschaft
nicht entdeckt worden war. Bei dem Gerichtsurteil gehe es um eine „Zukunftsentscheidung“,
so Schönborn. „Wir österreichischen Bischöfe sind über diese Entwicklung zutiefst
beunruhigt. Wir appellieren an den Gesetzgeber, hier umgehend Bestimmungen umzusetzen,
die das Lebensrecht von Menschen mit Behinderungen sicherstellen und Schadenersatzzahlungen
für die Geburt eines Menschen unmöglich machen.“ Die einmalige Würde und das
Lebensrecht jedes Menschen schienen vielen nicht mehr ganz bewusst zu sein, kritisieren
die österreichischen Bischöfe. In der Gesellschaft könne das zu einer sehr großen
Bedrohung werden. Gerade 70 Jahre nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische
Deutschland dürfe das nicht geschehen, betonte Kardinal Schönborn. Es gelte, aus der
Geschichte zu lernen. „Ich denke es ist schon nachdenkenswert, dass ausgerechnet
im März 2008 dieses Thema in einer so dramatischen Weise wieder auf der Tagesordnung
steht. Es kann nicht angehen, dass in Österreich eugenische Praktiken Gang und Gäbe
werden.“ Die Bischöfe erinnerten an die Annexion am 12. März 1938. Alle, die
damals als Bischöfe, Priester, Theologen in der Kirche Verantwortung trugen, standen
- wie jeder einzelne Gläubige - in der Spannung zwischen zwei Weisungen aus dem Neuen
Testament gestanden: Auf der einen Seite das Wort aus dem Römerbrief, wonach jeder
den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam leisten müsse und auf der
anderen Seite das klare Petrus-Wort aus der Apostelgeschichte, wonach man Gott mehr
gehorchen müsse als den Menschen. Schönborn: „Österreich wurde damals als
Staat von der Landkarte gelöscht. Viele haben über den Anschluss gejubelt und ihn
begrüßt, nicht nur wegen des Nationalsozialismus, sondern weil sie Österreich für
nicht lebensfähig hielten, als dieses kleine Land, das von der großen Monarchie übrig
geblieben war. Viele in unserem Land haben damals auch geweint und waren orientierungslos.
Wir vergessen nicht, dass direkt nach dem Anschluss die ersten Züge nach Dachau gerollt
sind und tausende in die Gefangenschaft gegangen sind. Das ist Österreich.“ Schönborn
erinnerte an mahnende Stimmen in der österreichischen Gesellschaft und erwähnte den
kürzlich selig gesprochen Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter. In der Erklärung
der Bischöfe heißt es wörtlich: „Im Gedenken an jene, die damals den Mut hatten, gegen
den Strom zu schwimmen, ermutigen die Bischöfe dazu, auch heute Bedrohungen der Menschenwürde
entgegenzutreten." (pm/kap 07.03.2008 bp)