Großbritannien: Haltlose Gerüchte um Rehabilitierung Luthers
Die Londoner Times
glaubt an eine Rehabilitierung Martin Luthers. Papst Benedikt XVI. werde im September
erklären, dass der 1520 exkommunizierte Reformator kein Irrlehrer gewesen sei, berichtete
„The Times“ unter Berufung auf Vatikankreise am Donnerstag in der Online-Ausgabe.
Luther habe die Kirche nicht spalten, sondern lediglich von korrupten Praktiken reinigen
wollen. Das Oberhaupt der katholischen Kirche werde seine Sicht Luthers mit dem
so genannten Ratzinger-Schülerkreis erörtern und dann Schlussfolgerungen einer entsprechenden
Untersuchung vorlegen. Die rund 40 hochrangigen Theologen des Schülerkreises treffen
sich jährlich im privaten Rahmen in Castel Gandolfo. In den vergangenen Jahren beschäftigten
sie sich mit dem Verhältnis von Glaube und Vernunft oder der Evolutionstheorie; Themen,
die das Denken des Papstes oder auch des Wiener Kardinals Christoph Schönborns prägen,
einem der prominenten Ratzinger-Schüler. Laut Times würde eine Neubewertung Luthers
durch den Papst den ökumenischen Dialog zwischen Protestanten und Katholiken fördern.
Sie sei ein Gegengewicht zu den Irritationen um Amts- und Kirchenverständnis. Times-Korrespondent
Richard Owen führt als Zeuge für die Vermutung auch den Präsidenten des Päpstlichen
Einheitsrats an. Kardinal Walter Kasper trete für ein positiveres Lutherbild ein.
„Wir können viel von Luther lernen, angefangen bei der Bedeutung, die er dem Wort
Gottes gab“, wird Kasper zitiert. Laut Informationen von Radio Vatikan ist das jedoch
eine Grundüberzeugung des vatikanischen Ökumeneministers, kein aktuelles Interview. Das
Rehabilitieren Luthers ist kirchenrechtlich kaum möglich. Die Exkommunikation ist
an eine Person gebunden, die Strafe mit dem Tod unwirksam. Gerüchte über eine Neubewertung
Luthers hat es unter anderem bereits 1996 im Zusammenhang mit dem letzten Deutschlandbesuch
von Papst Johannes Paul II. gegeben. Martin Luther (1483-1546) legte mit seiner
Lehre von der Rechtfertigung des „sündigen Menschen vor Gott“ den theologischen Grundstein
für die Kirchenspaltung in Europa. Den päpstlichen Ablasshandel stellte er radikal
in Frage. Papst Leo X. hielt ihn zunächst für einen „betrunkenen Deutschen, der zur
Besinnung käme, wenn er nüchtern sei“. 1521 wurde Luther exkommuniziert. Im Konzil
von Trient (1545-1563) verwarf die katholische Kirche die aus ihrer Sicht „irrige
Lehre von der Rechtfertigung“. Nach rund 30-jährigem Dialog hoben Lutheraner und Katholiken
1999 in einer Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre ihre früheren gegenseitigen
Lehrverurteilungen auf. (timesonline/idea/rv 07.03.2008 bp)