Pater Pio ist in Italien der populärste Heilige des 20. Jahrhunderts, jedes
Jahr pilgern viele Millionen Pilger nach San Giovanni Rotondo in Apulien, um das Grab
des volkstümlichen Heiligen zu besuchen. Am vergangenen Wochenende wurde nun der Leichnam
exhumiert – was auf ein gewaltiges Medienecho in Italien stieß. Hoffnungen, dass der
Pater Pio unverwest sei –wie es historisch z.B. für den Pfarrer von Ars oder den seligen
Papst Johannes XXIII. bezeugt ist – wurden enttäuscht. Der Ortsbischof Domenico Umberto
D’Ambrosio von Manfredonia war bei der Öffnung des Sarges dabei.
„Wir haben die sterblichen Überreste des Heiligen Pater Pio in einem nicht so guten
Zustand vorgefunden. Vielleicht ist dafür die Tatsache verantwortlich, dass seinerzeit
das Grab erst einen Tag vorher fertiggestellt wurde und der Mörtel noch feucht war.
Wir haben beim Öffnen gesehen: Da war viel Feuchtigkeit im Grab. Trotzdem war der
obere Teil des Körpers, also zum Beispiel das Gesicht, teilweise skelettiert. Der
Rest ist aber gut sichtbar, man sieht sehr gut die Hände: Die Fachleute haben gesagt,
dass in einigen Körperteilen eine Art „Selbstmumifizierung“ eingetreten sei.“
Es
bestehe keine Pflicht, aber es sei seit vielen Jahrhunderten eine durchaus übliche
Praxis, den Leichnam von Heiligen zu exhumieren und kanonisch zu untersuchen, sagt
Bischof D’Ambrosio. Aus welchem Grund? „Um der sozusagen historischen
Pflicht nachzukommen, für die Erhaltung der sterblichen Überreste zu sorgen unter
Zuhilfenahme auch technischer Möglichkeiten. So haben auch künftige Generationen die
Möglichkeit, den Leib des Heiligen zu verehren.“
Jetzt wird der Leichnam
an einem geheimen Ort chemisch behandelt. Vom 24. April an wird er für mehrere Monate
in einem Glassarg in San Giovanni Rotondo öffentlich aufgebahrt. Anlass ist der 40.
Todestag des Heiligen.
„Wir wollen nicht egoistisch sein: Wir haben den
Dienst des Heiligen Pater Pio von Pietrelcina genossen und wir genießen ihn weiterhin.
Aber seine Klientel ist, wie Paul VI. einmal sagte, eine wahrhaft weltweite Klientel,
und es ist nur gerecht, dass sie an „unserm Glück“ teilhaben kann.“
Der
Leichnam von Pater Pio soll nach der Aufbahrung nicht in die vom Star-Architekten
Renzo Piano entworfene große Wallfahrtskirche in San Giovanni Rotondo umgebettet werden.
Jüngst drohten Verehrer des Heiligen mit Protesten, falls der Kapuziner von seinem
selbst gewählten Begräbnisort in der Krypta der Kirche Santa Maria delle Grazie entfernt
würde. Aufgrund des hohen Besucheransturms hatte die Gemeinde 2004 einen Kirchenneubau
in San Giovanni Rotondo eingeweiht, der zusammen mit dem Vorplatz 37.000 Pilger aufnehmen
kann.