Bei der Präsidentschaftswahl
in Russland hat Dimitri Medwedew mit über 70 Prozent der Stimmen erwartungsgemäß gewonnen.
Wahlbeobachter kritisierten zwar die mangelnde Fairness der Abstimmung, dennoch äußerte
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso Hoffnung auf eine enge Zusammenarbeit
zur Stärkung der Demokratie. Wir haben den Soziologen und Russland-Experten Michael
Hermann von der Pädagogischen Hochschule Weingarten um eine Einschätzung gebeten:
„Es ist zunächst eine Wahl, die Kontinuität beweist. Medwedew ist
politisch ganz nah an Putin dran. Er ist ein enger Weggefährte, er stammt ebenfalls
aus St. Petersburg, hat an der gleichen Universität wie Putin studiert und hat dort
mit ihm zusammen bei der Verwaltung gearbeitet. Und man darf davon ausgehen, dass
die beiden wie ein Zwillingspaar unterwegs sind und ganz ähnliche politische und strategische
Positionen vertreten.“
Russland steht seit der Perestrojka vor der Herausforderung,
das auseinanderbrechende Land mit über einhundert Völkern zusammenzuhalten. Putin
habe dabei Fehler gemacht, so Hermann…
„Nichtsdestotrotz muss man meines
Erachtens feststellen, dass in Russland vor allem eine Stabilisierung notwendig ist
in einem Land, dass Demokratisierungsprozesse erst einmal lernen muss und dafür sorgen
muss, dass die Kluft zwischen Arm und Reich nicht zu groß wird. Dass dabei gewaltige
Fehler gemacht worden sind, ist unbestritten. Das ändert aber nichts daran, dass der
Weg erst einmal ein richtiger ist, auf Stabilität zu setzen.“
Die orthodoxe
Kirche hatte vor der Wahl Medwedew gestützt. Hermann sieht das als Indiz für den
schwierigen Wandlungsprozess, in dem sich auch die orthodoxe Kirche befindet.
„Von
der orthodoxen Kirche in Russland wird einerseits erwartet, dass sie kritisch den
Modernisierungsprozess verfolgt, andererseits sieht die orthodoxe Kirche, dass sie
zur Sicherung ihrer Einflussmöglichkeiten auf den Schulterschluss mit Politikern angewiesen
ist, und das hat sie in der Unterstützung von Medwedewdeutlich dokumentiert.“
Im
Vorfeld der Wahl waren Vertreter ausländischer Nicht-Regierungsorganisationen des
Landes verwiesen worden. Das war international auf Kritik gestoßen.
„Meine
Hoffnung mit Medwedewist, dass er es zulassen wird, dass sich solche zivilgesellschaftlichen
Organisationen, selbst wenn sie aus dem Ausland gefördert und unterstützt werden,
in Russland engagieren können, denn Russland hat definitiv einen Mangel an Bürger-
und Zivilgesellschaft und hat zu viel Staat.“
Medwedew hatte schon am Sonntag
angekündigt, den politischen Kurs seines Vorgängers fortzusetzen. Putin gratulierte
dem Wahlsieger und nannte die Wahl verfassungskonform. Putin durfte laut Verfassung
nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten.