Lateinamerika: Wie geht es mit der Kirche weiter – Gedanken eines Bischofs
Lateinamerika ist – wie Johannes Paul II. immer wieder sagte – der Kontinent der Hoffnung.
Die Kirche ist jung, dynamisch und mit Nachwuchs gesegnet. Doch wenn man genauer hinschaut,
stimmt das nur zum Teil, sagt der Herz-Jesu-Missionar Norbert Strotmann. Er stammt
aus Deutschland und ist Bischof in einem Vorort der 8-Millionen-Stadt Lima. Strotmann
treibt die Frage um, wie es mit der Kirche weitergehen soll – in Lateinamerika und
darüber hinaus. Deswegen hat er sich die Mühe gemacht, Statistiken durchzuackern,
und er kommt zu dem Schluss: Das Bevölkerungswachstum ist wesentlich größer als das
Katholikenwachstum. In manchen Gegenden hätten Evangelikale Anteile von über dreißig
Prozent. Die Kirche droht auszubluten – vor allem an der sogenannten „Basis“:
„
Es hat ja viele Theologen gegeben vor dreißig Jahren, die vor allem das Armutsproblem
angegangen sind. Wenn Sie gute Religionssoziologen lesen, die stellen dann fest: In
der katholischen Theologie hat man für die Armen optiert, die Armen haben für die
Pfingstkirchen optiert. Da muss man noch einmal zurückfragen: Was haben wir falsch
gemacht?“
Der Bischof hat auch keine fertigen Antworten. Allerdings befürchtet
er, dass es in der Kirche immer noch zu sehr um den Erhalt der Institutionen geht,
und zuwenig Impulse zur Gestaltung des Lebens gegeben werden:
„Nehmen Sie
mal, was wir zur Bioethik sagen, was wir Soziallehre sagen: Ich stehe völlig hinter
diesen Eckwerten der Kirche, nur ist das langweilig auf die Dauer. Entschuldigung,
wenn ich das so sage. Der Mensch möchte mehr, der Mensch möchte gerade auch in Europa
wissen, wie geht es weiter. Dass es da Angst und Sorge gibt im Hintergrund, so wie
es läuft geht es nicht weiter. Wenn schon die Parteien nicht in der Lage sind, eine
soziale Marktwirtschaft zu realisieren, dann sollten wir Christen doch dazu in der
Lage sein – mit Spritzigkeit, mit Feuer von Geist, mit Getöse! Evangelikale schaffen
das.“
Strotmann geht es darum, sich der Wirklichkeit zu stellen, so wie
sie ist. Grund für Hoffnungslosigkeit sieht er nicht:
„Wenn ich da die Ziffern
überschlage, auch die Rückläufigkeit von Taufzahlen, dann müsste ich sagen ‚Lieber
Gott, sei mir nicht böse, aber mehr kann ich auch nicht tun… Ne. Ich gehe wie ein
guter Katholik in meine Kappelle, sag dem Chef, bis hierhin bin ich gekommen, jetzt
bist Du dran – und damit kann ich gut und mit viel Hoffnung leben.“