D / Vatikan: Botschafter Horstmann, „Ohne Integration geht es nicht“
Der Botschafter Deutschlands
beim Heiligen Stuhl, Hans Henning Horstmann, macht sich in einem Beitrag für Radio
Vatikan Gedanken über Migration und Integration. Er betont die Notwendigkeit eines
internationalen Migrationsregimes mit völkerrechtlich verbindlichen Regelungen, das
die Verpflichtungen von Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländer gegenüber Migranten
postuliert.
(rv 28.02.2008 mc)
Migration und Integration – von Botschafter
Hans Henning Hortsmann
Sehr verehrte Hörerinnen, sehr verehrte Hörer,
Die
Herausforderungen der globalen Migration an die Internationale Gemeinschaft wachsen
ständig. Wir müssen Antworten auf viele Fragen finden, z.B.: ob und wie zunächst fremde
Menschen in unser Leben integriert werden können und, wie Menschen dazu bewogen werden
können, zu Hause zu bleiben und sich ihren heimatlichen Problemen zu widmen.
Nach
Schätzungen internationaler Organisationen leben derzeit ca. 180 Millionen Menschen
nicht in ihrer Heimat, sondern befristet oder dauerhaft in anderen Ländern.
Zu
Deutschland:
In Deutschland leben gegenwärtig 15 Millionen Menschen aus Zuwanderungsfamilien
aus 200 Staaten. 3,5 Millionen von ihnen sind Muslime.
Die einzigartige Herausforderung
ist also die Integration von fast 1/5 der Bevölkerung unseres Landes. Die Bundesregierung
sieht Integrationspolitik als eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Diese Integrationspolitik
folgt dem Kerngedanken: fördern und fordern.
Gefördert wird zunächst das Erlernen
der deutschen Sprache. Wer unsere Sprache spricht, kann sich zu Hause fühlen und die
Fülle der Entfaltungsmöglichkeiten nutzen, die unser Land bietet. Diese Politik erfordert
das Zusammenwirken von Bund, Ländern, Gemeinden, von Wirtschaft, Verbänden und den
Kirchen. Grundlage für diese gesamtgesellschaftliche Anstrengung sind unsere Wertvorstellungen,
unser kulturelles Selbstverständnis und unsere freiheitliche demokratische Ordnung,
wie sie sich aus der deutschen und europäischen Geschichte entwickelt haben und im
Grundgesetz ihre verfassungsrechtliche Ausprägung findet.
Fordern bedeutet
die Bereitschaft der Zuwandernden, sich auf ein Leben in unserer Gemeinschaft und
Lebenskultur einzulassen und als Bürger verantwortungsvoll unsere Rechtsordnung zu
achten.
Die Kompetenzen der Europäischen Union haben im Bereich der Migrations-
und Integrationspolitik zugenommen. Mit dem Reformvertrag von Lissabon werden migrationspolitische
Entscheidungen mit Ausnahme der Wirtschaftsmigration in die Kompetenzen der Europäischen
Union aufgenommen.
Für den Umgang mit den Migranten hat der Heilige Stuhl stets
klar und deutlich die Achtung der Menschenwürde und Grundrechte und Freiheiten jedes
Menschen eingefordert. Das ist auch unsere Forderung. Auch in der Analyse der Ursachen
der internationalen Migration - die Globalisierung, die demographischen Veränderungen
mit der starken Bevölkerungszunahme vor allem in den sich industrialisierenden Staaten,
die wachsenden wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen Nord und Süd und die Zunahme
von Kriegen und Bürgerkriegen – in dieser Analyse der Ursachen herrscht Übereinstimmung.
Der
Heilige Stuhl ermutigt die Staaten, die internationale Vereinbarungen zur Sicherung
der Rechte der Migranten, der Flüchtlinge und ihrer Familien zu ratifizieren.
Wichtig
ist der tägliche Kampf gegen Diskriminierung, gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus.
Der Heilige Stuhl praktiziert wie wir auch daher den Dialog mit anderen Kulturen und
Religionen. Ausgangspunkt dafür ist die Würdigung der eigenen Identität. Von großer
Bedeutung ist eine generelle Praxis der Gegenseitigkeit, verstanden als gegenseitiger
Respekt für den Mitmenschen und Gerechtigkeit in der Behandlung der jeweiligen Minderheiten.
Wer
die Debatte verfolgt, die sich in Deutschland über den richtigen Umgang mit den Problemen
der Migration entwickelt hat, der weiß um den wichtigen Beitrag, den die Kirche leistet.
Die Kirche fordert die Nächstenliebe für die Migranten, der deutsche Staat postuliert
in Artikel 1 des Grundgesetzes: die Würde des Menschen ist unantastbar.
Ich
bin voller Zuversicht, dass Deutschland und der Heilige Stuhl auch künftig einen vitalen
Beitrag zur Menschenwürde von Migranten leisten. Und: Notwendig ist ein internationales
Migrationsregime mit völkerrechtlich verbindlichen Regelungen, das die Verpflichtungen
von Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländer gegenüber Migranten postuliert. An
internationalen Konventionen wird im Rahmen der Vereinten Nationen gearbeitet. Der
Heilige Stuhl und Deutschland sind bei diesen Arbeiten wichtige Partner.